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Erhebt euer Haupt (1. Adventssonntag - Lesejahr C, Lk 21, 25 - 28.34 - 36)
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„Da sind sie wieder, diese besonderen Wochen, die den wunderbaren Duft von Zimt und Vanille verströmen, die alles in warmes Kerzenlicht hüllen, die uns jedes Jahr wieder zu Herzen gehen, diese Wochen, die eigentlich so kalt und dunkel sind, und sich doch viel wärmer anfühlen und heller strahlen als alle anderen“, so stand es dieser Tage in einer Fernsehzeitschrift.
Über der Adventszeit liegt ein eigenartiger Glanz. Mehr als jede andere Zeit im Kirchenjahr spricht diese Zeit unsere Sinne an. Die langen Abende bei Kerzenschein, traute Lieder und duftendes Gebäck, all das löst einen gefühlvollen Zauber aus. Leise steigt stille Freude auf und rührt an unser Herz.
Andererseits erleben wir in unserer säkularen Gesellschaft, dass viele Menschen mit dem Advent kaum mehr etwas anfangen können. Für viele Menschen gibt es nur die Weihnachtszeit. Und die beginnt, wenn die Schaufenster voll sind mit Geschenkvorschlägen, wenn Weihnachtsmusik die Geschäfte erfüllt, wenn die Einkaufsstraßen in ein Meer von Lichtern getaucht sind, wenn Weihnachtsmärkte die Innenstädte beherrschen und Vereine und Betriebe ihre „Weihnachtsfeiern“ abhalten.
Dass die Weihnachtszeit am 25. Dezember beginnt und über Dreikönig hinaus bis zum Fest der Taufe Jesu dauert, früher sogar bis zum 2. Februar, das weiß kaum jemand und darum kümmert sich auch kaum jemand. Es interessiert niemanden und spielt keine Rolle.
Für die meisten beginnt die Weihnachtszeit lange vor dem Advent und endet am zweiten Weihnachtstag, wenn der Weihnachtsbaum abgebaut wird und die Geschäftswelt auf Neujahr und Fastnacht umstellt.
Eine weitere Schwierigkeit stellt sich uns mit dem beginnenden Advent, ein Dilemma, das jedes Jahr größer zu werden scheint und nur schwer aufzulösen ist. Zum einen soll diese Zeit nämlich eine stille und besinnliche Zeit sein. Zum anderen jedoch gibt es kaum eine Zeitspanne, die so betriebsam, so laut und hektisch ist, wie diese Wochen. Soviel muss in so kurzer Zeit getan und erledigt werden. Jedes Jahr neu ein Spagat, der kaum zu schaffen ist.
Was sagen uns die liturgischen Texte vom 1. Adventssonntag? Können sie uns eine Hilfe sein? In welche Richtung gehen sie?
Das Evangelium bietet wenig Gemütvolles. Keine beschauliche Einstimmung auf Weihnachten. Kein wohliges Sich-Einigeln im trauten Heim. Nichts von Kerzenschein, Tannengrün oder Plätzchenduft. Kein Hinweis auf Vorfreude und stille Erwartung.
Das Evangelium zum ersten Adventssonntag durchkreuzt alle Wünsche und Erwartungen, die wir gemeinhin an die Adventszeit haben. Statt Weihnachtsstimmung – Weltuntergangsstimmung. Da ist von kosmischen Katastrophen die Rede, von Angst und Schrecken und menschlicher Ratlosigkeit.
Aber flimmern bedrohliche Bilder nicht jeden Tag über unsere Mattscheiben? Hören wir nicht jeden Tag in den Nachrichten Erschütterndes und Bestürzendes: Flugzeugabschüsse und -abstürze, Kriegsgefahren, Flüchtlingsströme, Hungersnöte, Terroranschläge, Klimakatastrophen usw.
Viel näher und existentieller sind uns persönliche Katastrophen, Erschütterungen in unserem eigenen Leben. Wie oft geht da eine Welt unter. Wir vergehen vor Angst. Plötzlich trägt nichts mehr. Alles bricht zusammen. Wir fühlen uns ohnmächtig, ausgeliefert. Wir sind geschockt und ratlos.
Da geht eine Partnerschaft in die Brüche, trotz langen Ringens. Da geht plötzlich ein Arbeitsplatz verloren und mit ihm die Existenzgrundlage. Da schlägt eine schwere Krankheit zu und taucht alle Lebensperspektiven in ein angstvolles Dunkel. Da wird uns ein Mensch jäh durch den Tod entrissen, mit dem wir gerade noch geredet und gelacht haben. Es gibt Situationen, wo wir das Gefühl haben, der Himmel stürzt ein, die Wogen schlagen über uns zusammen oder es zieht uns den Boden unter den Füßen weg.
In solchen Situationen kann und darf sich auch dem gläubigen Menschen die Frage quälend auf die Seele legen: Wo ist Gott? Wie kann er so viel Chaos und Zerstörung, Angst und Leid zulassen, wenn er ein Freund des Lebens ist, wenn er nicht Untergang und Verderben will, sondern Rettung und Heil?
Und dennoch und trotz all dem ist das Evangelium vom ersten Adventsonntag nicht Drohbotschaft, sondern Frohe Botschaft, Hoffnungsbotschaft. Sie ermuntert uns, den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern uns aufzurichten. Der Grund: Unsere Erlösung ist nahe. Gerade den Verzweifelten und vom Leben Gebeutelten gilt der Ruf: „Richtet euch auf und erhebt euer Haupt!“ Schaut und merkt, wie Gott mitten in eurer Ausweglosigkeit und Verzweiflung am Kommen ist, wie er gegenwärtig ist. Mit Jesus, dem Menschensohn, kommt Gott selbst bei uns an, mitten hinein in unsere Angst vor Krieg und Gewalt, vor der Zerstörung der Erde, unsere Angst um die Zukunft, und unsere Angst vor Krankheit und Tod.
Advent, das sagt uns das Evangelium heute, ist nicht ein Zudecken unserer Ratlosigkeit mit sentimentalen Gefühlen und Erinnerungen. Christi Ankunft und seine Wiederkunft fordern uns vielmehr heraus, wachsam zu sein für das, was uns und diese Welt erschüttert, um genau dort, wo wir uns nichts vormachen, IHN glaubend und vertrauend mit seiner erlösenden Macht zu erwarten.
Advent, das ist die Zeit, die uns helfen soll, wieder aufmerksam zu werden auf unser Leben und auf Gott in unserem Leben. Wer mit IHM rechnet, mit seinem Kommen in unsere Welt, so wie sie ist, in unsere Welt der zerschlagenen Hoffnungen, der zerbrochenen Beziehungen, der geplatzten Lebensträume, Sinnkrisen, Krankheit oder drohender Arbeitslosigkeit, wer in diese und ähnliche Situation hinein mit dem Kommen Gottes rechnet, wer Hoffnung und Heil von ihm erwartet, der braucht sich nicht zu ducken, der braucht nicht zu buckeln, der braucht nicht niedergedrückt zu sein, der braucht sich nicht zu fürchten. Er kann sich aufrichten, er kann sein Haupt erheben, er kann Mut haben und Hoffnung, denn er weiß, auch wenn alles drunter und drüber geht, wenn Welten einzustürzen scheinen: Erlösung ist nahe, Christ, der Retter ist da.
Das kleine Kind in der Krippe, dessen Geburt wir in vier Wochen feiern, Jesus, der für uns gelitten hat und am Kreuz gestorben ist, um uns sogar im Dunkel des Todes nahe zu sein, Christus, der Richter und Retter am Ende der Zeit: Alle drei künden von Gottes unendlicher Liebe, die vor den Abgründen des Daseins nicht Halt macht, die uns vielmehr hält und birgt in Not und Tod, jetzt und am Ende. Deshalb: Betet und wacht! Deshalb: „Richtet euch auf und erhebt euer Haupt“ Deshalb: Glaubt und vertraut! Bei IHM ist Zukunft und Hoffnung. Bei IHM ist Segen und Heil. Bei IHM ist Erlösung in Fülle. |
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