Exerzitien mit P. Pius

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Der Prophet Jona

 

Das Buch Jona gehört zu meinen Lieblingsbüchern in der Bibel. Es handelt sich dabei nicht um einen historischen Bericht, sondern um eine Erzählung voll Anmut und heiterem Zauber.

Ich finde sie einfach schön und immer wieder neu anrührend, beeindruckend und tiefgründig.

Ein Alttestamentler hat sie einmal als „Perle der israelitisch-jüdischen Literatur“ bezeichnet.

 

Was für eine Überschrift könnte man dieser Erzählung geben?

Ich würde sagen: „Gott ist groß im Verzeihen!“ Oder: „Gottes Gnade, Gottes Erbarmen triumphiert über das Gericht.“

 

Thema des Jona-Büchleins ist nämlich die Großmut Gottes.

Gottes Großmut gegenüber den Menschen von Ninive – allesamt Heiden, Ungläubige – aber auch gegenüber Jona, dem engstirnigen und widerspenstigen Propheten, der genauso wie die Leute von Ninive der Einsicht, Weitsicht und Umkehr bedarf.

 

So gesehen hat die kleine Jona-Erzählung ganz viel mit der Ver­kündigung Jesu gemeinsam. Besonders nah steht sie dem Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn bzw. vom barmherzigen Vater, das auch als Evangelium im Evangelium bezeichnet wird und in dem Jesus aufzeigt, wie Gott ist: barmherzig und gnädig, voll Langmut und reich an Güte.

 

Der Ausgangspunkt ist: Gott missfällt das Verhalten der Bewohner von Ninive, der Hauptstadt Assyriens. Ihre Schlechtigkeit stinkt zum Himmel. Sie hören nicht auf Gott. Sie handeln nicht nach seinem Willen. Sie gehen eigene Wege. Sie huldigen dem Ego. Habsucht, Unzucht, Gier, Gewalt beherrschen die Menschen.

Dass das nicht gut geht, dass da das Gemeinwohl Schaden nimmt, das sehen und erfahren wir auch heute. Wo Gewalt und Unrecht Triumphe feiert, bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke.

 

Gott beschloss also ein Strafgericht abzuhalten. Es sollte jedoch nicht plötzlich und unerwartet über die sündhafte Stadt hereinbrechen. Die Bewohner sollten gewarnt werden. Vielleicht kommen sie zur Einsicht. Vielleicht kehren sie um. Vielleicht ändern sie ihr Leben. Vielleicht lassen sie ab von ihrer Bosheit und ihrem gottlosen Treiben. – Wie gern wäre Gott bereit zu Verzeihen. Er will nicht Untergang und Verderben, sondern Rettung und Heil.

 

Aber wer rüttelt die Stadt wach?

Gott beruft Jona und macht ihn zu seinem Boten. Er soll der Stadt das Strafgericht androhen. Jona ist allerdings ein recht eigenwilliger und widerspenstiger Bote. Er ahnt die große Güte Gottes. Er ahnt das Erbarmen Gottes mit dem sündigen Ninive. Und kommt damit nicht zurecht.

 

Jona ging nicht nach Ninive, in die große, feindliche Stadt. Er machte förmlich auf dem Absatz kehrt. Gottes Auftrag ist ihm zuwider. Er entzieht sich diesem Auftrag. Nach Ninive zu gehen und den Leuten dort, lauter Nicht-Juden, ins Gewissen zu reden, kam für ihn überhaupt nicht in Frage. Keine zehn Pferde kriegen ihn dahin. Alles, nur das nicht!

 

Jona war fest davon überzeugt: Ninive verdient gar keine Rettung. So groß wie die Stadt ist, so groß ist auch ihre Schlechtigkeit.

Soll doch Gott dreinschlagen, mit Stumpf und Stiel diesen Sündenpfuhl ausrotten. Sollen sie doch zugrunde gehen. Dann hätten sie endlich die Quittung für ihr lasterhaftes, liederliches, gottloses Leben.

 

Was macht Jona? Er geht auf ein Schiff. Nichts wie weg!

Jona flieht. Er fährt in die entgegengesetzte Richtung von Ninive, übers Meer nach Tarschisch, im äußersten Westen, ans entfernteste Ende der Welt, weit weg. Weit weg auch von Gott, meint er jedenfalls, als könne er auf diese Weise Gott entkommen.

 

Nicht wahr, das kennen wir auch: Keine Lust. Es stinkt einem alles. Man hat die Schnauze voll. Man möchte am liebsten alles hinschmeißen. Es ist zum Davonlaufen.

Enttäuschung, Resignation. Vielleicht auch das Gefühl der Über­forderung. Oder Angst vor der Verantwortung.

 

Es gibt auch die Flucht in die Arbeit, in die Unterhaltung, in den Zeitvertreib, in den Lärm. Oder die Flucht in Krankheiten.

Es gibt viele Fluchtwege, Vermeidungsstrategien, Ausweichtaktiken.

 

Und auch Gott kann einem gestohlen bleiben. Man blendet ihn aus, hört nicht auf seine Stimme, schaltet auf stur, wendet sich von ihm ab, versteckt sich, will nichts mit ihm zu tun haben und geht eigene, selbstische Wege.

 

Jona weiß, dass es nicht richtig ist, sich Gott zu verweigern, dass er sich dadurch schuldig macht vor Gott. Trotzdem kehrt er nicht um. Lieber schuldig, lieber tot als Gottes Bote in Ninive zu sein!

 

Doch am Ende einer langen Reise und eines damit einhergehenden Reifungs- und Läuterungsprozesses, erfährt Jona, dass man Gott nicht davonlaufen kann, auch wenn es einem manchmal danach zumute ist.

 

Gott fängt den Ausreißer wieder ein.

Ein gewaltiger Sturm kommt auf. Das Schiff gerät in Seenot.

Die Besatzung des Schiffes wehrt sich vergeblich dagegen.

Doch während die Seeleute alles tun, das Schiff fahrtüchtig und auf Kurs zu halten und jeder seinen Gott um Hilfe anruft, verkriecht sich Jona ins Unterste des Schiffes und schläft.

Schließlich wird er per Los als derjenige identifiziert, der an dem Unglück schuld ist. Obwohl Jona auf der Flucht ist vor seinem Gott, bekennt er: „Ich bin ein Hebräer und verehre Jahwe, den Gott des Himmels, der das Meer und das Festland gemacht hat.“

 

Voller Angst überlegen die Seeleute, was sie tun können, um diesen mächtigen Gott zu besänftigen, damit er sie verschone. Jona bekennt, dass der Sturm seinetwegen tobt und schlägt vor, ihn über Bord zu werfen. Die Seeleute suchen keinen Sündenbock, sondern Hilfe in höchster Not und Gefahr. Sie rufen sogar den Gott Israels an, den Gott des Propheten, um nicht Schuld auf sich zu laden, wenn sie notgedrungen den Wunsch Jonas erfüllen. Nicht Jona betet, obwohl ihn der Kapitän dazu auffordert, sondern die nicht-jüdischen Schiffsleute beten zu Jahwe.

Spätestens hier hätte Jona sehen können und merken müssen, dass Nicht-Juden, dass Andersgläubige, gar nicht so übel sind, gar nicht so verblendet und uneinsichtig, wie er vermutet und denkt.

 

Dann nehmen sie ihn und werfen ihn ins Meer. „Und das Meer hörte auf zu toben.“ Daraufhin ist die Schiffsbesatzung von großer Ehrfurcht und Dankbarkeit gegenüber Jahwe erfüllt. Sie bringen dem Gott Israels Schlachtopfer dar und machen Gelübde.

Was Jona zunächst in Ninive hätte tun sollen, eine Wandlung der Menschen herbeizuführen, vollzieht sich hier auf dem Schiff.

Aus Heiden werden Judengläubige. Der Prophet hat ungewollt und gezwungenermaßen Heiden bekehrt.

Ein großer Fisch verschlingt Jona. Jetzt hat er drei Tage und drei Nächte Zeit, um in Finsternis und Verlassenheit über seine Beru­fung nachzudenken – dreitägige Exerzitien sozusagen. Und es geschieht eine Wandlung. Jona beginnt zu beten – das erste Mal! Im Bauch des Fisches wendet er sich seinem Gott und bittet um Rettung.

 

Jonas Flucht vor Gott wird als ein einziger Abstieg geschildert:

Zuerst steigt er nach Jafo hinab, um ein Schiff zu bekommen. Dann steigt er in den untersten Raum des Schiffes hinab, um dem Sturm zu entkommen. Schließlich wird er ins Meer geworfen und ist damit äußersten Tiefpunkt angekommen.

 

Doch vor Gott ist keine Flucht möglich. Er ist überall. Vor Gott ist aber auch keine Flucht nötig. Denn er geht seinem Propheten nach. Auch wenn Jona sich aufgibt. Gott gibt ihn nicht auf. Auch wenn Jona sich seinem Auftrag entzieht. Gott entlässt ihn nicht aus seiner Berufung.

 

Nach drei Tagen wird Jona auf Geheiß des Herrn wohlbehalten ans Land gespuckt, genau vor Ninive. Und ohne ein Wort des Tadels bekommt er ein zweites Mal den Auftrag:

Mach dich auf den Weg! Geh nach Ninive!

 

Diesmal folgt Jona.

Hat er seine Lektion gelernt im Bauch des Fisches?

Er begibt sich in die Höhle des Löwen, allerdings nur halbherzig, mehr schlecht als recht. Dienst nach Vorschrift sozusagen.

Es will immer noch nicht in seinen Kopf, dass Gott dieser über allen Maßen lasterhaften und gottlosen Stadt noch eine Chance geben will, einer Stadt, die auf der Negativskala des Jona gleich hinter Sodom und Gomorra rangiert, einer Stadt, die in seinen Augen ein riesen Sündenpfuhl ist, ein Zentrum des Lasters, des Verbrechens, der Gewalt, der Brutalität und Menschenverachtung, der Gottesferne und Gewissenlosigkeit.

 

Jona geht nicht ganz in die Stadt hinein, geschweige denn hin­durch oder in die verschiedenen Bezirke und Viertel. Nur ein Drittel, einen Tagesmarsch geht er hinein. Und er ruft nur einen Satz, kurz und knapp und nur ein einziges Mal: „Noch 40 Tage und Ninive ist zerstört.“ Eine Minipredigt.

 

Hat Jona Angst vor dem Erfolg seiner Botschaft? Es scheint, als wolle er von Gottes Gnade und Barmherzigkeit im Fall von Ninive nach wie vor nichts wissen.

„Noch 40 Tage und Ninive ist zerstört.“ Ein Satz nur, nicht viel, aber klar. Keine Schönfärberei, kein Reden um den heißen Brei.

„Noch 40 Tage und Ninive ist zerstört!“

 

Der Satz hat eine gewaltige, eine ungeheure Wirkung.

Jeder Prediger würde sich darüber freuen.

Die Botschaft rüttelt die Bewohner von Ninive auf. Sie erkennen ihre Lage. Sie sehen, wie es bei ihnen aussieht und wie es zugeht. Schlimme Zustände sind das, ganz schlimm. So vieles, was im Argen liegt. Das geht nicht mehr lang gut. Und sie merken: so kann es nicht weitergehen, sonst ruinieren wir uns selbst.

 

Nicht Gott richtet zugrunde. Man macht sich selbst kaputt – sozial, politisch, ökologisch. Die Frevel rächen sich an einem selbst. Die Untaten fallen auf das eigene Haupt zurück.

Die Niniviten erkennen, wohin ihr selbstmächtiges Tun führt, ins Verderben, in den Untergang.

 

Liebe Mitchristen!

Jeder von uns weiß wohl selbst am besten, was seine größten Gefährdungen sind, die es zu überwinden gilt, damit sie einen selbst schaden und am Ende ruinieren. Und welches die ärgsten Übel sind, Süchte, falsche Abhängigkeiten, verkehrte Leidenschaften, gegen die es anzugehen gilt, die es zu besiegen gilt, damit sie nicht einen auf Dauer nicht kaputt machen und zerstören.

 

Den Menschen von Ninive geht die Botschaft des Jona unter die Haut. Es trifft sie ins Herz.

 

Und dann geschieht in Ninive genau das, was Jona geahnt und befürchtet, was aber Gott sich in seiner Liebe erhofft hat: Das Wunder der Bekehrung geschieht. Groß und Klein, vom Knecht bis hinauf zum König, Mensch und Tier hüllen sich in Sack und Asche. Mann und Maus tun Buße. Selbst die Hardliner und Selbstgerechten klopfen an ihre Brust.

Eine Umkehr um 180 Grad.

Die Bußfertigkeit ist echt und der Wille zum Guten auch.

 

Und wie reagiert Gott auf die Verwandlung der Menschen von Ninive? Auch er kehrt um. Gott hat Erbarmen. Kein Strafgericht, sondern Vergebung der Sünden, kein Donnerwetter, sondern grenzenlose Barmherzigkeit. Und gleichzeitig Chance zu einem neuen Anfang.

 

Gott ist groß im Verzeihen! Seine Liebe ist größer als alle Schuld.

Das sagt und zeigt uns auch das Gleichnis, das Jesus vom verlorenen Sohn und barmherzigen Vater erzählt: Bei Gott gibt es immer einen Weg zurück. Bei ihm ist die Tür immer offen. Es gibt keine Sünde – und sei sie noch so groß – die Gott nicht vergeben könnte.

 

Und wie ging es weiter mit Jona?

Jona ist maßlos enttäuscht, aufs äußerste erbost und erzürnt.

Erzürnt über Gott, wegen dessen Vergebungsbereitschaft, weil der Gnade vor Recht gelten lässt, weil er in seinen Augen einfach viel zu weit geht mit seiner Liebe. Heiden schenkt er seine Gnade. Das passt Jona überhaupt nicht. Alles, was Recht ist.

 

Was Anlass zu großer Freude sein könnte – die große heidnische Stadt ist für Jahwe gewonnen – es heißt „die Leute von Ninive glaubten an Gott“ – das löst bei dem Propheten alles andere als Freude aus. Hat er es nicht gleich gesagt, gedacht, gewusst? War seine Flucht nicht doch berechtigt?

 

Schon wieder will er lieber sterben als noch länger Prophet dieses Gottes sein, der sich stets von neuem erbarmt. Gefrustet zieht sich Jona zurück. Von seinem Beobachterposten aus in einer gewissen Distanz zur Stadt wartet er ab, was geschieht.

Ob die Umkehr der Niniviten anhält? Ob Gott nicht doch noch dreinschlägt? Ob es nicht doch noch Pech und Schwefel regnet und die Stadt in Schutt und Asche versinkt?

 

Und wie reagiert Gott auf den Zorn und Trotz seines Propheten?

Er erweist sich auch ihm gegenüber als langmütig und gnädig.

Gott lässt für ihn einen Rizinusstrauch wachsen. Der spendet ihm Schatten und soll seinen Ärger vertreiben. Doch ein Wurm, den Gott schickt, nagt die schöne Staude an und sie verdorrt. Wieder ist Jona wütend. Wiederum wünscht er sich den Tod.

 

Dann kommt es zu einem entscheidenden Schlussgespräch zwischen ihm und Gott: „Dir ist es leid um den Rizinusstrauch, den du nicht hast wachsen lassen. Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die nicht einmal rechts von links unterscheiden können – und außerdem so viel Vieh?“

 

Ich lade sie ein, diese biblische Kurzgeschichte zu lesen. Es lohnt sich. Sie ist spannend. Und schmunzeln ist auch erlaubt.

 

Am Ende, so viel kann ich Ihnen sagen, ist auch Jona heilfroh, nicht Bote eines Gottes zu sein, der grollt und donnert, der straft und dreinschlägt, sondern im Dienst eines Gottes zu stehen, dessen Wesen Liebe ist, eines Gottes voll Langmut, reich an Güte und Erbarmen. Gott ist groß im Verzeihen!

 

Das Gottesbild der Jona-Erzählung ist von großer Weite.

Jona erfährt die Großmut Gottes am eigenen Leib.

Wird er sie erwidern? Wird er dahin kommen, selbst großmütig sein, nicht zu vergelten, sondern zu vergeben?

 

Die Jona-Erzählung endet mit der Frage, in der Gott um Zustimmung zu seiner großen Liebe wirbt. Liebe will Antwort. Gottes Liebe ruft unsere Liebe!

 

Die Jona-Geschichte gehört meines Erachtens zum Schönsten, was in der Bibel steht.

Über dieser Erzählung liegt, so kommt mir vor, ein Lächeln Gottes. Das macht sie mir so kostbar.

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