Exerzitien mit P. Pius

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WARUM?

zur 1. Lesung am 5. Sonntag im Lesejahr B; IJob 7, 1 - 4.6 - 7

 

Erste Lesung

Nächte voller Mühsal teilte man mir zu

Lesung

aus dem Buch Íjob

Íjob ergriff das Wort und sprach:

1Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde? Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners?

2Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt, wie ein Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet.

3So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu.

4Lege ich mich nieder, sage ich: Wann darf ich aufstehn? Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert.

6Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, sie gehen zu Ende, ohne Hoffnung.

7Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist! Nie mehr schaut mein Auge Glück.

 

Es gibt Menschen, denen bleibt nichts erspart. Unglück, Leid, Not. Es trifft sie knüppeldick. Vor einiger Zeit bin ich so jemandem begegnet. Zuerst die Diagnose: „Brustkrebs“. Dann gerät die Ehe in die Krise. Schließlich stellt sich heraus, dass ihr Mann Alkoholiker ist. Dann hat ihr Sohn einen schweren Autounfall. Totalschaden. Er selbst kommt relativ glimpflich davon. Beim anderen Sohn geht eine langjährige Freundschaft in die Brüche.

 

Die Frau macht auf mich einen ganz geknickten und deprimierten Eindruck. Sie ist total unten, am Boden zerstört. Und sie tut mir leid. – So vieles, was in letzter Zeit schief gelaufen ist. So viel Schicksalhaftes. So viel Schweres. So vieles, was zerbrochen ist. – Und sie kann selbst nichts dafür. Es ist einfach über sie gekommen – wie aus heiterem Himmel. – Klar, dass so jemand die Freude am Leben verliert. Natürlich ist so jemand gefrustet, fühlt sich am Ende, hilflos und ratlos.

 

Und dann steigt die Frage nach dem „Warum“ auf und legt sich quälend auf die Seele. „Warum ich?“ „Warum passiert mir das?“ „Womit habe ich das verdient?“ „Was habe ich nur getan, dass ich so furchtbar gestraft bin?“

 

Und das wirkt sich dann auch auf die Beziehung zu Gott aus.

Das Gottesbild gerät ins Wanken. Das Gottvertrauen bekommt einen Knacks oder zerbricht gar. Wie kann Gott das alles zulassen? Ist das noch der „liebe Gott“? Und wenn er mächtig ist, warum verhindert er dann all das nicht?

 

Hier sind wir bei unserem Schrifttext und bei IJOB.

Mustergültig hat er gelebt – viele Jahre. Gerecht ist er und gottesfürchtig. Immer bemüht, das Richtige zu tun und Gott und den Menschen zu gefallen.

Aber er gerät immer tiefer ins Unglück, ja regelrecht ins Schlamassel. Ohne jedes eigene Verschulden! Es trifft ihn Schlag auf Schlag. Nach dem Motto „schlimmer geht immer“. Immer neue Hiobsbotschaften! Immer neue Leiderfahrungen! Alles wird ihm genommen. Seine Herden werden ihm geraubt, die Knechte erschlagen und seine Kinder kommen durch einen Wirbelsturm ums Leben. Schließlich verliert er selbst seine Gesundheit. Ein bösartiger Geschwulst bedeckt ihn vom Scheitel bis zur Sohle. Es ist eine einzige Katastrophe!

 

Ist seine katastrophale Situation die Folge von schweren Sünden? Handelt es sich um eine Strafe Gottes? Aber Ijob ist sich absolut keiner Schuld bewusst! Er hat ein reines Gewissen.

Oder züchtigt Gott diejenigen, die er liebt? Ist der Mensch selig, den Gott zurechtweist? Solche Behauptungen gibt es in der Bibel – und auch sonst kursieren sie.

Oder sind die Leiden des Ijob Prüfungen, an denen er wachsen und reifen soll, Prüfungen, in denen er sich bewähren soll und seine Treue zeigen? – Krankheit, Unglück und Leid als Erziehungsmittel Gottes?

 

Auch die Freunde Ijobs kommen mit solchen Antworten.

Das Leid trifft doch keinen grundlos, meinen sie. Es muss doch Ursachen haben. Aber all ihre Erklärungsversuche klingen billig. Ijob kann damit nichts anfangen. Keine Antwort kann ihn befriedigen, geschweige denn trösten und aufrichten. – Es bleibt die verzweifelte Frage nach dem „Warum“. Es bleibt die Frage nach dem Sinn des Lebens. Warum Krankheit, Leid und Tod? Warum Hass und Krieg? Warum so viel Ungerechtigkeit in der Welt?

 

Ijob schmettert seine Fragen und Klagen Gott entgegen: Warum das tägliche Schuften, der immer gleiche Alltagstrott? Warum die Sorge, ob der Lohn zum Überleben reicht? Warum so viele Tage voller Mühsal und Enttäuschung? Warum so viele schlaflose Nächte voller Angst? Warum zerrinnt mir die Zeit zwischen den Fingern? Warum gibst du mir das Leben, wenn es doch nur ein Hauch ist? – Von der ursprünglichen Gewissheit Ijobs in Kapitel 1, Vers 21 – „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn“ – ist nichts übrig geblieben.

 

Ijob steht für alle Menschen, denen völlig unerwartet und unbegreiflich ein Unglück nach dem anderen widerfährt.

Hier wird drastisch beschrieben, wie sich ein Mensch fühlt, der nicht mehr ein und aus weiß, der keinen Sinn mehr sieht in seinem Leben. Keine Hoffnung auf Zukunft. Keine Hoffnung auf eine Wende des Leids, der Schmerzen, des Elends. – Das Leben ist eine einzige Qual geworden, eine Zumutung. Und Gott selbst zu einem großen Fragezeichen, zu einem unbegreiflichen Rätsel.

 

Wenn alles ganz schlimm und aussichtslos ist – zu wem kann ich dann gehen? Wem darf ich das sagen? Wenn ich keine Hoffnung mehr habe, kein Land mehr sehe, wenn ich nur noch das Ende von allem herbeisehne und am liebsten Schluss machen will – zu wem kann und darf ich dann kommen? Wer möchte das hören? Wer hält das mit mir aus?

Fromme Sprüche helfen dann nicht. Selbst tröstende Worte von einem Freund oder einem Seelsorger klingen in solchen Situationen nichtssagend und leer.

 

Ich muss gestehen: Oft fühle ich mich hilflos und machtlos vor dem unsäglichen Leid eines Menschen. Oft weiß ich nicht, was sagen, weil selbst gutgemeinte, trostvolle Worte nichts ausrichten, geschweige denn das zu schnelle und fromme Reden von Gott und seinem heiligsten Willen, von Kreuz-tragen und Geduld.

 

Was hilft? Meine Erfahrung: Zuhören! Ausreden lassen! Klagen und weinen dürfen. Was hilft? Respektvolles Schweigen. Vielleicht eine liebevolle Umarmung. Was hilft? Einfach Dasein. Mit-aushalten. Mit-tragen. Mit und für jemanden beten, ihn/sie segnen… Es bleibt oft nur eins: Durch meine Nähe Gottes Nähe zu bezeugen. Gottes Mit-sein durch mein Mit-sein und Gottes Erbarmen durch mein solidarisches Mit-tragen und Mitleiden.

 

Ich finde es gut, dass es das Buch Ijob gibt. Hier wird drastisch beschrieben, wie sich ein Mensch fühlt, der nicht mehr ein und aus weiß. Es ist gut, dass auch bittere Fragen und laute Klagen darin stehen. Denn Ijob klagt zu Gott. Er hadert mit ihm. Leidenschaftlich klagt er ihn an.

 

Sehen Sie: Das dürfen auch wir. Wir können und dürfen mit allem zu Gott kommen, so wie wir sind, so wie wir uns fühlen. Wir dürfen ihm alles sagen, alles zu ihm hintragen, Leid und Elend benennen, es ins Wort bringen, aussprechen. Auch fragen und klagen, mit Gott ringen und ihn mit unserer Verzweiflung konfrontieren, wie Ijob es tut. Gott ist kein grausamer Vater, der uns bestraft, wenn wir uns beklagen, wenn wir ihm sagen, vielleicht auch hinausschreien, was uns niederdrückt und quält.

Im Gebet hat alles Platz. Auch Zorn und Enttäuschung, Angst und Ratlosigkeit. Wir brauchen nichts einklammern, weglassen oder schönreden. Auch das Klagegebet ist eine Weise, mit Gott in Beziehung zu bleiben. Wichtig ist, dass wir – wie Ijob – nicht von ihm lassen. Denn Ijob bleibt dran – in Klagen und Hader, in Nacht und Not. Er bleibt dran an seines Lebens einem und einzigen, unteilbaren Gott.

 

Die Frage „Warum“ ist so alt wie die Menschheit. Stößt einem etwas Schlimmes zu, steigt sie fast automatisch auf – rebellierend, protestierend, verzweifelt, ratlos, resigniert, anklagend. Und eine Antwort ist gewöhnlich nicht in Sicht.

 

Auch das Ijob-Buch findet zu keiner Antwort. Es endet mit einem Appell: Sich die Größe und Allumfassenheit Gottes bewusst zu machen, die alles menschliche Begreifen übersteigt.

 

Karl Rahner, der sich viel mit dem Theodizee-Problem befasst hat, er sagt einmal: „Glauben heißt nichts anderes, als die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten.“

Glaube bedeutet also nicht, alles zu wissen; die Wege Gottes zu kennen; für alles Unheil und Unglück sofort eine Erklärung parat zu haben.

Glaube bedeutet nicht, das Leben zu verstehen, sondern es zu bestehen; mit den ungelösten Fragen leben zu lernen; trotz aller Schicksalsschläge und Widersprüchlichkeiten einen Halt finden.

 

Im Herbst 1968 besuchte Walter Dirks seinen ehemaligen Lehrer Romano Guardini in dessen Münchener Wohnung. Der bereits 83-Jährige ist durch ein Nervenleiden sehr geschwächt. Sterbenskrank vertraut Guardini seinem Freund eine Frage an, die zu einem Vermächtnis werden wird:

„Ich werde mich“ – so Romano Guardini – „im letzten Gericht nicht nur fragen lassen, sondern ich werde auch selbst fragen. Dabei hoffe ich voll Zuversicht, dass mir dann der Engel die Antwort auf diese Frage geben werde, die mir kein Buch – auch die Schrift nicht – kein Dogma, kein Lehramt, keine Theologie – auch die eigene nicht – hat geben können: Warum, Gott, zum Heil die fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld?“

 

Auch der christliche Glaube hat keine letztgültigen Antworten auf die Frage nach dem Leid und der Schuld. Aber er kann helfen, „die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten“, weil wir in Jesus einen haben, der uns den Weg vorausgegangen ist, der uns die Richtung zeigt und uns ruft, ihm zu folgen.

Ihn IHM haben wir einen Begleiter, der immer da ist, der mitgeht und dableibt, auch und gerade in allem Schweren und Leidvollen. So gesehen stimmt der Satz: „Gott bewahrt nicht vor allem Leid, aber ihn allem Leid.“ Auch unser Weg führt durch Dunkel zum Licht, durch Leid und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung.

 

 

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