Vor
einiger Zeit habe ich eine interessante Karikatur gesehen: eine riesige
Sanduhr, ein Stundenglas. Im oberen Glaskolben der Sand, die vielen
feinen Körnchen, die durch die enge Öffnung nach unten rieseln wollen. –
Aber das möchte ein kleiner Mann verhindern, der im unteren Glaskolben
steht und mit seinem Zeigefinger versucht, das winzige Loch zu
verstopfen. – Bei genauem Hinsehen entdeckt man, dass der Mann genauso
gezeichnet ist wie der Sand – nichts als unzählige kleine Pünktchen.
Ich muss bei dem Bild sofort an den Aschermittwoch denken. An diesem Tag
wird uns (nicht nur in der Liturgie) wieder einmal drastisch vor Augen
gestellt, dass unsere Zeit verrinnt wie der Sand im Stundenglas und dass
alle unsere Versuche, die Zeit anzuhalten, erfolglos bleiben. –
Irgendwann wird der Zeigefinger des Mannes an der Sanduhr ermüden. Es
hilft nichts: Wir müssen uns unserer Endlichkeit, unserer
Vergänglichkeit stellen. Wir müssen akzeptieren, dass der Vorrat unserer
Minuten, Stunden und Jahre begrenzt ist.
Und dass der Mann im Stundenglas genauso gezeichnet ist wie die
Sandkörnchen, illustriert eindrucksvoll den Satz, mit dem uns das
Aschkreuz auf die Stirn gestreut wird: „Bedenke, Mensch, dass du Staub
bist und wieder zum Staub zurückkehrst!“ – Vergiss nicht, wie kurzlebig
Macht und Ruhm sind; wie wenig du festhalten kannst von dem, was dir so
wichtig und unverzichtbar erscheint.
Je
bewusster wir uns mit unserer Sterblichkeit und Vergänglichkeit
auseinandersetzen, desto wichtiger wird für uns die Frage: Wie gestalten
wir die Zeit, die uns geschenkt wird? Was ist wertvoll? Was gibt unserem
Leben ein Profil?
Die Botschaft Jesu kann uns auf diese Frage heute und in den kommenden
Wochen der Fastenzeit einige Antworten geben.
Wolfgang Raible
in: Die Botschaft heute 12/2019, Seite
514
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