„Bitte warten Sie hier!“
sagte ich zu dem Blinden und ließ ihn an einer
verkehrsgeschützten Ecke des Großstadtbahnhofs allein. – Ich
wollte ihm das Gewühl ersparen auf dem Weg zum Schalter, zur
Auskunft, zur Fahrplantafel und zum Briefkasten, in den ich
noch etwas einschmeißen wollte.
Zurückkehrend sah ich ihn
schon von weitem stehen, während die Menschen an ihm
vorbeihetzten, ein Kind ihn anstarrte, ein Gepäckkarren
einen Bogen um ihn fuhr und ein Zeitungsverkäufer nach einem
irrtümlichen und vergeblichen Angebot fast scheu wieder von
ihm wegging.
Er stand ganz still, der
Blinde, und auch ich musste ein paar Augenblicke stehen
bleiben.
Ich musste sein Gesicht
ansehen. Die Schritte um ihn her und die unbekannten Stimmen
und all die Geräusche eines lebhaften Verkehrs, die schienen
für ihn keine Bedeutung zu haben.
Er wartete. Es war ein ganz
geduldiges, vertrauendes und gesammeltes Warten.
Es war kein Zweifel auf dem
Gesicht, dass ich etwa nicht wieder kommen könnte.
Es war ein wunderbarer Schein
der Vorfreude darin; er würde bestimmt wieder an der Hand
genommen werden.
Ich kam nur langsam los vom
Anblick dieses eindrucksvoll wartenden Gesichtes mit den
geschlossenen Lidern; dann wusste ich auf einmal:
So müsste eigentlich das
Adventsgesicht der Christen aussehen.
Verfasser unbekannt
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