„Johannes
XXIII. war kein großer Redner. Er war kein großer Diplomat, kein großer
Sprachenkenner, kein großer Gelehrter, kein großer Jurist, ja er war im
Grunde auch kein großer Theologe. Er war nicht das, was man einen großen
Geist‘ nennt“, schrieb ein großer Bewunderer dieses Papstes, Hans
Küng, am 7. Juni 1963 in der „Weltwoche“, kurz nach dessen Tod am
3.6.1963.
Vier
Jahre, sieben Monate und sieben Tage hatte Johannes XXIII. das Petrusamt
ausgefüllt. Am 28. Oktober 1958 wurde er mit 77 Jahren gewählt und galt
zunächst nur als „Kompromisskandidat“, als nicht ganz ernst genommener
„Übergangspapst“. Und doch war er der, der kommen musste – wie ein Blitz
hinein in die Kirchengeschichte –, um der Kirche neue Ausstrahlungskraft
und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Sein kurzes Pontifikat war
geschichtsträchtig. Dieser Mann war groß, gerade weil er nicht „groß“ im
weltlichen Sinn war. „In diesen Tagen“ ist der Gedenktag dieses Heiligen
– sinnigerweise nicht sein Todesdatum, sondern der Tag der Eröffnung des
II. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962. Diese Versammlung, quasi
spontan einberufen, verdankt sich seinem Geistesblitz. Johannes XXIII.
war angstfrei aus Glauben und ermutigte die Kirche, ihre
Abwehrschlachten, ihr Besitzstandsdenken aufzugeben und ihre innere
Erneuerung anzugehen, die Kirche behutsam anzupassen an die veränderten
Bedingungen der Zeit.
Angelo Giuseppe Roncalli war Bauernsohn, er stammte aus einem Bergdorf
in der von der Pandemie so heimgesuchten Provinz Bergamo. In Bergamo
ging er ins Seminar; dort wurde er Lehrer der Theologie, bevor er die
Diplomatenlaufbahn in Bulgarien, der Türkei und Griechenland, später in
Frankreich einschlug. Dieser tiefgläubige und demütige Papst, der wie
ein großer Pfarrer der Welt wirkte, war selbst nie Gemeindeseelsorger
und wurde erst mit 72 Jahren als Patriarch von Venedig Diözesanbischof.
Nach den Pius-Päpsten gab er dem einsamen Spitzenamt ein neues,
menschliches Gesicht: mit unkonventionellen Auftritten, „welterwärmenden“
Gesten und einer natürlichen Herzlichkeit. Hinter seiner Gutmütigkeit
standen Tatkraft und der klare Wille, die Kirche aus dem Getto in den
Dialog mit den Suchenden, den Irrenden, den „Anderen“ zu führen. Sein
Motto ist angelehnt an Jes 28, 16: „Wer glaubt, der braucht nicht zu
fliehen.“ „Wer glaubt, der zittert nicht.“ Und: „Mir
scheint, ich sei ein leerer Sack, den der Heilige Geist unversehens mit
Kraft füllte.“
Kurt Josef Wecker
in: Die Botschaft heute 8/2020, S. 306 |