Da ging der Samaritan ein
zweites Mal nach Jericho, fand einen zweiten Verwundeten,
las ein zweites Mal auf. Ging ein drittes, ein viertes, ein
fünftes Mal den gleichen Weg und fand jedes Mal einen
Verwundeten. Er ging hundertmal und fand hundertmal. Ging
tausendmal und fand tausendmal … Und immer an der gleichen
Stelle. Als er zum 2333. Male von Jerusalem nach Jericho
ging, dachte er bei sich: Es liegt bestimmt wieder einer da
… und stolperte darüber …, holte dann, wie üblich, den
üblichen Vorrat aus der Satteltasche und begann mit üblicher
Sorge, diesen neuesten, 2333. Verwundeten übungsgemäß zu
salben und zu wickeln. Um ihn abschließend – weil Übung den
Meister macht – mit einem einzigen Ruck auf den Esel zu
verladen …, der auch sofort davonlief, in üblicher Richtung
auf die Herberge. Und dort auch richtig ankam, der Esel mit
dem Verwundeten …, diesmal bloß zu zweit, ohne den
Samaritaner. Der Samaritaner war nämlich in der Wüste
geblieben, um dort zunächst einmal ein Räubernest
auszuspionieren … Als er über seinen 2333. Verwundeten
stolperte, war ihm nämlich plötzlich die Erleuchtung
gekommen …, dass es eine bessere Qualität von Barmherzigkeit
sein, sich vorsorglich und zwar resolut, mit dem Räubernest
zu befassen, statt nachträglich Heftpflaster auszuteilen …
Er merkte sich das Rezept. Und war von da ab mit immer
weniger Arbeit ein immer besserer und noch besserer
barmherziger Samaritan …
Ernst Schnydrig
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