I.
HINFÜHRUNG:
Nach dem Auszug aus
Ägypten, auf dem mühevollen und entbehrungsreichen
Weg zum Sinai, stellt sich für die Israeliten
wiederholt die Frage: „Ist der HERR in unserer
Mitte oder nicht?“ (Ex 17, 7). – Eben haben sie
die Krise um das Wasser überstanden (Ex 17, 1 - 7),
da droht bei ihrem Rastplatz in Refidim auch schon
der nächste Konflikt in Form einer militärischen
Auseinandersetzung mit den Amalekitern.
Josua, der zweite
Führer neben Mose, führte die Männer Israels in den
Kampf. Aber den Sieg errang nicht er, sondern Mose,
der auf dem Berg vom Morgen bis zum Abend die Hände
zum Gebet erhoben hielt.
Der biblische Text
dazu und auch zum Bild von W. Habdank findet sich im
Buch Exodus 17, 8 - 13 = 1. Lesung, 29. Sonntag
im Lesejahr C
„Wenn Mose seine
Hand empor hielt, siegte Israel, wenn er aber seine
Hand sinken ließ, siegte Amalek. Doch Mose wurden
die Hände schwer. Aaron und Hur stützten ihm die
Hände, auf jeder Seite einer. So blieben seine Hände
erhoben, bis die Sonne unterging.“
II.
BILDBETRACHTUNG
Mose auf dem Berg,
betend, die Hände flehend erhebend, während in der
Ebene der Kampf tobt.
Mose scheint ganz
ermattet zu sein, unsäglich müde, körperlich und
seelisch erschöpft. Die Knie wanken. Er bricht fast
zusammen. Ein Bild namenloser Ohnmacht.
Und
doch hält er aus, hält Ausschau, macht weiter – für
sein Volk, das ihn braucht – bitte um Hilfe, um
Beistand, um den Sieg gegenüber den Feinden, dass
Gott heraushilft aus der Gefahr, dass er befreit aus
der Bedrängnis, dass er rettet in der Not.
Er selbst braucht
Hilfe. Zwei Gefährten – der eine rechts, der andere
links – stützen seine Arme. Sie stehen hinter ihm.
Sie spüren, dass er nicht mehr kann. Sie sehen, wie
schwach er ist.
Sie wissen aber auch
um die Kraft der ausgebreiteten Arme und der
erhobenen Hände, wissen, dass es auf ihn, Mose,
ankommt, dass alles von ihm und seinem Ausgerichtet-
Sein auf Gott abhängt. Es geht um Sieg und
Niederlage, um Leben und Tod.
Wenn Mose seine Hände
sinken lässt, ist Amalek im Vorteil, solange er sie
erhoben hat, siegt Israel. (Der Kampf ging um
Wasserstellen und Weideplätze)
Seine Hände sehen aus
wie kahle Äste, die weit ausgreifend in den Himmel
hinaufwachsen. Aber die Hände sind nicht nur leer
und kahl, sie sind auch offen, flehend, verlangend
und sehnsuchtsvoll. Sie sind bereit, Verheißenes zu
empfangen und Gottes Hilfe und seinen Segen
gleichsam von oben herabzuziehen. Die Arme sind nach
oben ausgestreckt als suchten sie die
entgegenkommende Hand des HERRN.
Er tut es für die
anderen, für seine Brüder. Er tut es
stellvertretend, solidarisch. – Das Geheimnis des
„Für euch“, der Stellvertretung, der Fürsprache.
Von sich aus würde
Mose längst schlapp machen, aufhören, resignierend
die Arme sinken lassen – gelingt es ihm doch kaum
noch, sich aufrecht zu halten.
Er hängt zwischen den
beiden Gefährten, die ihm kräftig unter die Arme
greifen, die ihn stützen, ist abhängig von ihnen,
braucht sie, so wie sein Volk sich sozusagen auf ihn
stützt und ihn braucht im Kampf, der in der Ebene
hin und her tobt.
Der schwache, fast
zusammenbrechende und wie ein Schild vorgeschobene
Mose ist der Halt – für alle.
Nicht Truppenstärke,
nicht Kampfkraft, nicht ausgeklügelte Strategie,
nicht Gewalt, nicht Tüchtigkeit, nicht Größe und
Zahl entscheidet, sondern Gott. Er kommt seinem Volk
zu Hilfe.
Er handelt durch
Schwache, Ohnmächtige, wenige, durch einen – für
alle.
Man braucht sich nur
ein Kreuz hinter diesem hängenden Mose vorzustellen,
dann ist es der Mann auf Golgota, der gequält,
hingerichtet für sein Volk stirbt. Doch ihm schenkt
Gott den Sieg.
Es braucht unseren
ganzen Einsatz einerseits, aber es braucht auch
unsere volle Ausrichtung auf Gott andererseits.
„Kampf und
Kontemplation“ (Roger
Schutz).
Gott braucht
Stellvertreter. Gott handelt durch Stellvertreter –
auch heute. Und es braucht in Not und Gefahr Helfer,
Unterstützer, Menschen, die für uns da sind, die
spüren, wenn unsere Kräfte schwinden, die uns unter
die Arme greifen, die Halt geben, beistehen und
mittragen, einmal und immer wieder.
III.
BESINNUNGSFRAGEN UND
WEITERFÜHRENDE TEXTE UND GEDANKEN
-
Wann habe ich in
Leid und Bedrängnis einen Menschen als Stütze
erfahren, oder sein Gebet, sein Hoffen und
Glauben?
-
Von wem weiß ich
mich gehalten und getragen?
-
Wen trage ich mit im Gebet?
-
Kenne ich auch das Gebet für die Kirche, das
Volk Gottes auf seinem Weg durch die Wüste – wie
Mose für Israel gebetet hat?
„Allein den Betern
kann es noch gelingen,
Das Schert ob unsern
Häuptern aufzuhalten
Und dieser Welt den
richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt
Leben abzuringen.
Denn Täter werden
nie den Himmel zwingen:
Was sie vereinen,
wird sich wieder spalten,
Was sie erneuern,
über Nacht veralten,
Und was sie stiften,
Not und Unheil bringen.
Jetzt ist die Zeit,
da sich das Heil verbirgt.
Und Menschenhochmut
auf dem Markte feiert,
Indes im Dom die
Beter sich verhüllen,
Bis Gott aus unsern
Opfer Segen wirkt
Und in den Tiefen,
die kein Aug entschleiert,
Die trocknen Brunnen
sich mit Leben füllen.“
Reinhold Schneider
In einem Kirchenlied
beten und singen wir:
„Wir sind im Kampfe
Tag und Nacht.
O Herr, nimm gnädig
uns in acht
und steh uns an der
der Seite.“
Manchmal
– wenn wir mit unserem Latein am Ende sind, wenn wir
uns hilflos und ohnmächtig fühlen, wenn wir nichts
mehr tun können, sagen wir: „Da hilft nur noch
beten!“
Manchmal
werden wir aber auch müde im Beten, im Bitten, im
Glauben und Vertrauen, weil wir den Erfolg nicht
sehen, weil Fragen und Zweifel uns lähmen, weil
Anfechtung und Dunkelheit uns bedrohen. Wo ist Gott?
Hört er unser Rufen? Wo bleibt seine Hilfe?
Der
Glaube sagt uns,
dass Gott immer da ist, dass er für mich da ist,
dass wir nie umsonst rufen. Wann und wie Gott hilft,
wie er unser Beten erhört, das ist seine Sache, das
gilt es ihm zu überlassen. „Nicht wie ich will, sondern wie du willst.“
Auf
diese Weise
gelangen wir zu einer sehr reinen und tiefen Form
der Selbstlosigkeit und Hingabe: zu einem echten und
vorbehaltlosen Sich-lassen, Sich-hineingeben in den
unbegreiflichen und geheimnisvollen Willen des
göttlichen Vaters, der uns kennt und um uns weiß,
dem wir uns anvertrauen können und bei dem wir uns
geborgen wissen dürfen.
„Gelassen ist ein
Mensch, der sein Ego losgelassen und sich in Gott
hinein ergeben hat, der ruhig geworden ist in seinem
Herzen, weil er sich in den göttlichen Grund hinein
hat fallen lassen.“
Anselm Grün
Jes
49, 14 - 15:
Zion sagt: Der Herr
hat mich verlassen, Gott hat mich vergessen.
Kann denn eine Frau
ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen
Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: Ich
vergesse dich nicht.
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