geistliche Impulse

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Bildmeditation

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Der betende Mose

(Bildmeditation zu einem Holzschnitt von Walter Habdank) 

 

I.             HINFÜHRUNG:

Nach dem Auszug aus Ägypten, auf dem mühevollen und entbehrungsreichen Weg zum Sinai, stellt sich für die Israeliten wiederholt die Frage: „Ist der HERR in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17, 7). – Eben haben sie die Krise um das Wasser überstanden (Ex 17, 1 - 7), da droht bei ihrem Rastplatz in Refidim auch schon der nächste Konflikt in Form einer militärischen Auseinandersetzung mit den Amalekitern.

Josua, der zweite Führer neben Mose, führte die Männer Israels in den Kampf. Aber den Sieg errang nicht er, sondern Mose, der auf dem Berg vom Morgen bis zum Abend die Hände zum Gebet erhoben hielt.

 

Der biblische Text dazu und auch zum Bild von W. Habdank findet sich im Buch Exodus 17, 8 - 13  = 1. Lesung, 29. So. C

 

„Wenn Mose seine Hand empor hielt, siegte Israel, wenn er aber seine Hand sinken ließ, siegte Amalek. Doch Mose wurden die Hände schwer. Aaron und Hur stützten ihm die Hände, auf jeder Seite einer. So blieben seine Hände erhoben, bis die Sonne unterging.“

 

 

II.           BILDBETRACHTUNG

Mose auf dem Berg, betend, die Hände flehend erhebend, während in der Ebene der Kampf tobt.

Mose scheint ganz ermattet zu sein, unsäglich müde, körperlich und seelisch erschöpft. Die Knie wanken. Er bricht fast zusammen. Ein Bild namenloser Ohnmacht.

Und doch hält er aus, hält Ausschau, macht weiter – für sein Volk, das ihn braucht – bitte um Hilfe, um Beistand, um den Sieg gegenüber den Feinden, dass Gott heraushilft aus der Gefahr, dass er befreit aus der Bedrängnis, dass er rettet in der Not.

 

Er selbst braucht Hilfe. Zwei Gefährten – der eine rechts, der andere links – stützen seine Arme. Sie stehen hinter ihm. Sie spüren, dass er nicht mehr kann. Sie sehen, wie schwach er ist.

Sie wissen aber auch um die Kraft der ausgebreiteten Arme und der erhobenen Hände, wissen, dass es auf ihn, Mose, ankommt, dass alles von ihm und seinem Ausgerichtet- Sein auf Gott abhängt. Es geht um Sieg und Niederlage, um Leben und Tod.

Wenn Mose seine Hände sinken lässt, ist Amalek im Vorteil, solange er sie erhoben hat, siegt Israel. (Der Kampf ging um Wasserstellen und Weideplätze)

 

Seine Hände sehen aus wie kahle Äste, die weit ausgreifend in den Himmel hinaufwachsen. Aber die Hände sind nicht nur leer und kahl, sie sind auch offen, flehend, verlangend und sehnsuchtsvoll. Sie sind bereit, Verheißenes zu empfangen und Gottes Hilfe und seinen Segen gleichsam von oben herabzuziehen. Die Arme sind nach oben ausgestreckt als suchten sie die entgegenkommende Hand des HERRN.

 

Er tut es für die anderen, für seine Brüder. Er tut es stellvertretend, solidarisch. – Das Geheimnis des „Für euch“, der Stellvertretung, der Fürsprache.

 

Von sich aus würde Mose längst schlapp machen, aufhören, resignierend die Arme sinken lassen – gelingt es ihm doch kaum noch, sich aufrecht zu halten.

Er hängt zwischen den beiden Gefährten, die ihm kräftig unter die Arme greifen, die ihn stützen, ist abhängig von ihnen, braucht sie, so wie sein Volk sich sozusagen auf ihn stützt und ihn braucht im Kampf, der in der Ebene hin und her tobt.

 

Der schwache, fast zusammenbrechende und wie ein Schild vorgeschobene Mose ist der Halt – für alle.

 

Nicht Truppenstärke, nicht Kampfkraft, nicht ausgeklügelte Strategie, nicht Gewalt, nicht Tüchtigkeit, nicht Größe und Zahl entscheidet, sondern Gott. Er kommt seinem Volk zu Hilfe.

Er handelt durch Schwache, Ohnmächtige, wenige, durch einen – für alle.

 

Man braucht sich nur ein Kreuz hinter diesem hängenden Mose vorzustellen, dann ist es der Mann auf Golgota, der gequält, hingerichtet für sein Volk stirbt. Doch ihm schenkt Gott den Sieg.

 

Es braucht unseren ganzen Einsatz einerseits, aber es braucht auch unsere volle Ausrichtung auf Gott andererseits.

„Kampf und Kontemplation“ (Roger Schutz).

 

Gott braucht Stellvertreter. Gott handelt durch Stellvertreter – auch heute. Und es braucht in Not und Gefahr Helfer, Unterstützer, Menschen, die für uns da sind, die spüren, wenn unsere Kräfte schwinden, die uns unter die Arme greifen, die Halt geben, beistehen und mittragen, einmal und immer wieder.

 

 

III.         BESINNUNGSFRAGEN UND WEITERFÜHRENDE TEXTE UND GEDANKEN 

  • Wann habe ich in Leid und Bedrängnis einen Menschen als Stütze erfahren, oder sein Gebet, sein Hoffen und Glauben?

  • Von wem weiß ich mich gehalten und getragen?

  • Wen trage ich mit im Gebet?

  • Kenne ich auch das Gebet für die Kirche, das Volk Gottes auf seinem Weg durch die Wüste – wie Mose für Israel gebetet hat?

„Allein den Betern kann es noch gelingen,

Das Schert ob unsern Häuptern aufzuhalten

Und dieser Welt den richtenden Gewalten

Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

 

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:

Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,

Was sie erneuern, über Nacht veralten,

Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

 

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt.

Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,

Indes im Dom die Beter sich verhüllen,

 

Bis Gott aus unsern Opfer Segen wirkt

Und in den Tiefen, die kein Aug entschleiert,

Die trocknen Brunnen sich mit Leben füllen.“

(Reinhold Schneider)

 

In einem Kirchenlied beten und singen wir:

„Wir sind im Kampfe Tag und Nacht.

O Herr, nimm gnädig uns in acht

und steh uns an der der Seite.“

 

Manchmal – wenn wir mit unserem Latein am Ende sind, wenn wir uns hilflos und ohnmächtig fühlen, wenn wir nichts mehr tun können, sagen wir: „Da hilft nur noch beten!“

 

Manchmal werden wir aber auch müde im Beten, im Bitten, im Glauben und Vertrauen, weil wir den Erfolg nicht sehen, weil Fragen und Zweifel uns lähmen, weil Anfechtung und Dunkelheit uns bedrohen. Wo ist Gott? Hört er unser Rufen? Wo bleibt seine Hilfe?

 

Der Glaube sagt uns, dass Gott immer da ist, dass er für mich da ist, dass wir nie umsonst rufen. Wann und wie Gott hilft, wie er unser Beten erhört, das ist seine Sache, das gilt es ihm zu überlassen. „Nicht wie ich will, sondern wie du willst.“

 

Auf diese Weise gelangen wir zu einer sehr reinen und tiefen Form der Selbstlosigkeit und Hingabe: zu einem echten und vorbehalt­losen Sich-lassen, Sich-hineingeben in den unbegreiflichen und geheimnisvollen Willen des göttlichen Vaters, der uns kennt und um uns weiß, dem wir uns anvertrauen können und bei dem wir uns geborgen wissen dürfen.

 

„Gelassen ist ein Mensch, der sein Ego losgelassen und sich in Gott hinein ergeben hat, der ruhig geworden ist in seinem Herzen, weil er sich in den göttlichen Grund hinein hat fallen lassen.“

                                                                                  Anselm Grün

 

Jes 49, 14 - 15:

Zion sagt: Der Herr hat mich verlassen, Gott hat mich vergessen.

Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: Ich vergesse dich nicht.“