Auf den
ersten Blick ein ungewöhnliches Bild. Es trägt den Titel „Die
Knotenlöserin“ und nimmt ein Motiv auf, das wir auch bei einem
gleichnamigen Gemälde aus der Barockzeit in Augsburg finden.
Wir sehen
Maria. Sie steht mit beiden Füßen auf unserer Erde, die auch heute auf
vielfache Weise verdunkelt ist – wie damals zur Zeit eines Herodes,
Kajafas und Pilatus. Das Schwarz der Trauer
und
des Leids umfängt dieses Bild.
Auf der
rechten Seite schieben sich oben und unten dämonische Fratzen ins Bild,
versprühen ihr Gift und flößen Angst und Furcht ein. In der Mitte
befindet sich das Wort „Ausschwitz“ und die Toten darüber wecken
Erinnerungen an die Leichenberge an diesem Ort des Grauens. Darunter
steht das Wort „Gulag“ und weckt düstere Erinnerungen an das
kommunistische Gewaltregime in Russland mit seinen Internierungslagern.
Der Paragraph 218 verweist auf die Abreibung und die Jahreszahl 1915
mahnt an den Ersten Weltkrieg.
Auf der
linken Seite zeigt eine von Millionen verzweifelter Mütter ihr
verhungertes Kind. Darüber ein Gefangener hinter Fenstergittern und
brennende Balken, Symbole der Unfreiheit, der Gewalt, des Terrors und
der Vernichtung.
Über die
ganze Welt (Erdkugel), auf der Maria mit bloßen Füßen steht, zieht sich
gefährlicher und verletzender Stacheldraht.
Mitten in
diesem Dunkel, mitten in den Gefahren und Nöten der Zeit steht Maria.
Ihr Leben war wahrlich auch nicht auf Rosen gebettet: kein Zuhause bei
der Geburt, die Flucht ins Ausland, nach Ägypten, die schmerzliche Suche
nach dem Zwölfjährigen in Jerusalem, die Auseinandersetzungen um ihren
Sohn, die Ablehnung Jesu in Nazareth und dann die zunehmenden Konflikte
mit der religiösen und politischen Führung, schließlich seine
Verurteilung zum Tod, der Kreuzweg und das elende Sterben am Kreuz. Ja,
im Leben der Mutter Jesu gab es viele „Knoten“, viele Verwicklungen,
Verletzungen, Ängste und Enttäuschungen.
Wir sehen
auf dem Bild Maria aber zugleich in hellem Licht stehen. Es fällt von
oben herab. Maria im Lichtstrom Gottes. Sterne, Hoffnungslichter in der
Nacht, umgeben sie. Sie ist voller Gnade. Das heißt: Sie hat sich nicht
herausreißen lassen aus dem Grundvertrauen, aus der Gewissheit, dass
Gott da ist, dass er gut ist, dass er um alles weiß, dass er weiß, warum
alles so sein musste und wozu es gut ist. Sie traut Gott zu, dass alles,
auch das Leid und das Böse, einen letzten Sinn hat – auch wenn wir ihn
nicht sehen, nicht erkennen und nicht verstehen – und dass Gott alles
Verkehrte des Lebens einmal richtig machen, alle Verkettungen lösen und
alle Verknotungen entwirren kann.
Für
Maria haben sich die Knoten des Lebens gelöst, wenn sie schlussendlich
singen kann: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die geringen, Die Hungernden, die Zukurzgekommenen erfüllt er
mit seinen Gütern. Gott hat auf mich geringen Menschen geschaut. Sein Ja
zu mir macht mich groß.“
Gewiss
hat Maria das nicht gleich so leicht und locker bekennen können. Sie hat
zuerst die dunklen Seiten ihrer Lebensgeschichte durchstehen,
durchglauben und durchbeten müssen, um dann im Nachhinein doch sagen zu
können, dass Gott in ihrem Leben Unmögliches möglich gemacht und alles
zum Guten gefügt hat.
Gewiss
gibt es auch in unserem Leben „Verknotungen“ oder wir haben sie schon
zur Genüge erfahren und kennengelernt, Verknotungen verschiedenster Art,
z.B. Beziehungsprobleme, berufliche Schwierigkeiten, Krankheiten,
Verlusterfahrungen, Trauer, Enttäuschung… Wer von uns hat nicht so
manchen „Knopf“ und „Knoten“ in seinem Herzen? Wer spürt nicht immer
wieder die ganz schmerzlich die Stacheln böser Worte, der menschlichen
Ablehnung und Gleichgültigkeit. In dieser Erfahrung steht Maria uns
besonders nahe. Sie ist es die helfen kann, lösen, entwirren, glätten.
Das Band,
das Maria auf unserem Bild in Händen hält, hat auf der einen Seite viele
Knoten. Maria ist gerade dabei, einen großen Knoten aufzulösen. Er ist
schon ganz locker und am Aufgehen. Auf der anderen Seite, sobald das
Band durch ihre Hände gegangen ist, fällt es leicht und frei, ganz
gelöst und glatt nach unten. Maria entwirrt, was verschlungen ist. Sie
löst die Knoten einen nach dem anderen.
In einem alten Mariengebet heißt es:
„Du bist mächtig, uns aus
Nöten und Gefahren zu erretten, denn wo Menschen Hilf gebricht, mangelt
doch die deine nicht.“
Und weiter: „Hilf, Maria, es ist Zeit, hilf, Mutter der
Barmherzigkeit.“
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