Die Hauptfeste der
Christenheit haben wir in diesem Kirchenjahr schon alle
gefeiert: Weihnachten, Ostern und Pfingsten.
Wir haben dabei der großen
Heilstaten Gottes in Jesus Christus gedacht: Er ist für uns
Mensch geworden; er hat den Tod besiegt; er hat den Heiligen
Geist gesandt.
Heute, am Oktavtag von
Pfingsten, kommt noch einmal ein großes Fest hinzu: das
Hochfest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.
Dankbar preisen wir unseren
Gott, der sich uns Menschen zugewandt hat als unser Vater,
als unser Erlöser und als die Kraft aus der Höhe. Dabei ist
es gut, sich bewusst zu sein, dass Gott letztlich für uns
Menschen ein großes Geheimnis bleibt.
Allerdings gibt es viele
Versuche, sich dem unfassbaren und unauslotbaren Geheimnis
der göttlichen Dreifaltigkeit zu nähern und es zur Sprache
zu bringen.
Weit mehr als alle
wortreichen Erklärungsversuche sind es Bilder und Symbole,
die uns helfen können, etwas vom göttlichen Mysterium der
Heiligen Dreifaltigkeit zu erahnen.
Eines der ehrfürchtigsten
Bilder geht auf eine Vision der hl. Hildegard von Bingen
zurück.
Als
Miniatur schmückt es die berühmte Schrift „Scivias“ („Wisse
die Wege“), das eines der Hauptwerke der großen Mystikerin
ist, enthalten im Ruppertsberger Codex.
Wenn man sich das Bild vor
Augen hält und es anschaut, dann geht der Blick vermutlich
zuerst auf die Menschengestalt im Zentrum.
Es ist Jesus Christus, von
dem wir im Credo bekennen:
„Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott
vom wahren Gott…eines Wesens mit dem Vater.“
Aber auch: „Für uns Menschen und zu
unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch
angenommen aus der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“
Christus, der Menschensohn,
trägt auf dem Bild eine Tunika. Er ist mit schwarzen Haaren
und bartlos gezeichnet. Seine Gestalt ist wie in blaues
Licht getaucht.
Es fällt auf, dass er uns
zugewandt ist. Genau diese Zuwendung gehört zum Wesen
Gottes: Seine Zugewandtheit zu uns, seine Nähe, seine Liebe.
Die Hände sind offen, nicht abwehrend, sondern segnend.
Außerdem kann man den
Eindruck haben, dass diese Menschengestalt im Zentrum des
Bildes ebenso einen Mann wie eine Frau sein könnte: Gott ist
„Mensch“ geworden – nicht in erster Linie „Mann“.
Umfangen ist diese
Menschengestalt von zwei Kreisen bzw. Ringen: Der äußere –
silberfarben leuchtend – symbolisiert Gott-Vater. Dieses
Licht des Vaters überstrahlt den gesamten Kosmos. Der blaue
Himmel wird durch dieses Licht erleuchtet und zugleich
überlappt dieser Lichtkreis auch den mit Blütenmotiven
geschmückten Rahmen.
Sodann fällt auf, dass das
silberfarbene Licht zugleich die Menschengestalt in der
Mitte ganz umfängt, denn ein schmaler Rand zieht sich aus
dem silberweißen Lichtring ganz um die saphirblaue
Menschengestalt.
Der äußere Ring umgibt in
seinem Inneren eine rot-gelb-golden schimmernde Fläche. Sie
symbolisiert den Heiligen Geist. Auch er ist – wie Gott Vater –
unfassbar und hat keine menschliche Gestalt. Die hat allein
Jesus Christus. Er ist das Bild, das einzige Bild vom Vater,
das wir haben.
Gott: das Licht. Der Geist:
das Feuer. Der Sohn die Menschengestalt.
Wie der Lichtkreis außen, so
ist auch die feurige Zone innen von kreisförmigen
Wellenlinien durchzogen, was ein Hinweis dafür sein mag,
dass Gott in sich nicht statisch ist, vielmehr erfüllt ist
von Bewegung. Strömendes Licht erfüllt ihn. Licht und Liebe
verbindet Vater, Sohn und Geist, strömt in ihm, fließt über
und ergießt sich über den Menschen.
Auch dafür steht wohl die
Menschengestalt in der Mitte: Gott bleibt nicht in sich
selbst abgeschlossen, sondern übersteigt sich selbst in der
Liebe, die das innere Leben der Dreifaltigkeit ist und die
ER, Jesus Christus – aus sich schöpfend – den Menschen
schenkt.
Was ist der Mensch? Das Bild
gibt die Antwort: Er trägt Christus verborgen in sich, ist
umflossen vom Feuer des Heiligen Geistes und geborgen im
großen silberweißen Ring des göttlichen Lichtes vom Vater.
Ein letzter Gedanke, zu dem
die Miniatur des dreieinen und zugleich dreifaltigen Gottes
anregt:
Im Blick auf die
Menschwerdung Gotte in Jesus Christus vergessen wir leicht,
dass Gott unser Menschsein unendlich übersteigt, dass ER der
ganz andere ist und bleibt.
So sehr wir auch durch sein
Menschsein erfahren, was unser Menschsein bedeutet, welche
Konsequenzen sich daraus ergeben und welche Würde jedem
Menschen innewohnt – ebenso sehr dürfen und müssen wir uns
vor der Herrlichkeit Gottes tief verneigen.
Gott hat sich fürwahr in
Jesus Christus erschlossen; dennoch kann auch die klügste
Theologie IHN nicht wirklich fassen und begreifen.
So sollten wir mit dem
Lieddichter Paul Gerhardt beten:
„Und weil ich nun nichts
weiter kann, bleib ich anbetend stehen.“ |