Exerzitien mit P. Pius

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"SENDE DEINEN GEIST"

(Bildmeditation zum Pfingstbild des "Westfälischen Meisters") 

 

Eine ungewohnte Darstellung der Sendung des Heiligen Geistes ist dieses Pfingstbild, das um 1380 von einem unbekannten „Westfälischen Meister“ in Osnabrück geschaffen wurde und das im Wallraf-Richartz-Museum in Köln aufbewahrt wird.

 

Ungewohnt und eigenartig: Keine Spur vom Brausen eines gewaltigen Sturmes, kein Getöse, kein Aufspringen verschlossener Türen, keine vom Himmel fallende Flammen, keine Ekstase, kein Entzücken, kein Reden in fremden Sprachen, auch keine bestürzte, staunende oder gar hingerissene Menschenmenge, wie man das nach dem Pfingstbericht in der Apostelgeschichte (Kapitel 2) erwarten könnte.

 

Im Gegenteil: Dieses Bild strahlt Ruhe aus.

Es ist geprägt von Sammlung und stiller Erwartung.

 

Die zwölf Apostel, angeführt von Maria (oben links) und Johannes (oben rechts) sitzen betend – die Hände gefaltet – nicht in einem verschlossenen Raum (Abendmahlssaal/Obergemach), sondern auf einer Rasenbank im Freien. Sie sind versammelt rings um einen runden Tisch. Links von Maria sitzt wohl Petrus. Von einem Apostel sehen wir nur den Rücken. Alle sind eng zusammengerückt und einander zugewandt.

 

Auffallend sind die vielen Rundformen um eine alles ordnende Mitte (wie bei einem Mandala). Der äußeren Kreisform der Bank folgt nach innen die „Runde“ der Versammelten, deren Köpfe allesamt von einem kreisförmigen Heiligenschein umgeben sind, wodurch noch einmal die Tisch-Runde betont wird.

 

Ein Detail ist besonders bemerkenswert:

 

Oben zwischen Maria und Johannes ist der geschlossene Apostelkreis durchbrochen. Da ist eine Lücke, eine freie Stelle. Da ist sozusagen noch ein Platz frei. Ist es der von Jesus? Er ist ja nach seiner Auffahrt in den Himmel nicht mehr so wie vorher leibhaft unter den Seinen gegenwärtig. Aber er hat ihnen versprochen, dennoch auf neue Weise bei ihnen zu sein und bei ihnen zu bleiben. Er hat ihnen den Heiligen Geist verheißen.

 

Und tatsächlich: An dem leeren Christusplatz ist im Gold des Hintergrunds eine Taube zu erkennen, Symbol für den Heiligen Geist.

Durch den Spalt kommt von oben der Heilige Geist in Taubengestalt in den Kreis, im Schnabel eine weiße Scheibe, eine Hostie, haltend.

Eine kühne Idee: Die Geist-Taube bringt das heilige Brot, den Leib Christi.

Im Geheimnis der Eucharistie ist der Herr weiterhin gegenwärtig. Er schenkt sich im Brot des Lebens.

 

Der Heilige Geist ist es, der die Gegenwart Christi in der Eucharistie bewirkt.

Der Heilige Geist ist es auch, der die Kirche eint.

 

Es ist sicher kein Zufall, dass die Geist-Taube gerade zwischen Maria und „dem Jünger, den Jesus liebte“ dargestellt ist, zwischen denen, die auch unter dem Kreuz Jesu standen.

Der Heilige Geist, der auf Maria herabgekommen ist und sie überschattet hat, dieser Heilige Geist ist der Geist der Liebe, der alle verbindet, zusammenhält, der alle eint.

 

Auch in der Mitte des Tisches ist eine weiße, runde Scheibe zu sehen.

Ist es eine Patene, auf die die Hostie gelegt wird?

Oder ist es sogar ebenfalls eine hell leuchtende Hostie?

Das weiße Rund wirkt wie die Nabe eines Rades. Wie Speichen gehen rote Strahlen davon aus, Geist-Strahlen. Sie führen zum Mund jedes einzelnen Tischgenossen in der Runde.

 

Noch etwas fällt auf:

Jeder der hier Versammelten ist auf den anderen hingeordnet. Es ist ein Aufschauen, ein Einander-Anschauen, ein Hinhören und Zuhören.

Die Menschen auf diesem Bild sind füreinander Auge und Ohr. Und gleichzeitig schauen und hören sie betend auf Gott.

Eine Verbindung und Verbrüderung voller Harmonie, die noch durch die wunderschönen Farben der faltenreichen Gewänder unterstrichen und gesteigert wird.

 

Alle geben sie, alle empfangen sie.

Intensive Kommunikation findet satt,

Kommunion mit Christus und untereinander.

 

Alle, so unterschiedlich sie auch sind, haben ihren Platz in dieser Gemeinschaft. Alle sind vereint um den runden Tisch: Ältere und Jüngere, Männer und die Frau, verschiedene Namen, Charaktere und Gesichter.

Auch der für Judas hinzu gewählte Apostel Matthias ist dabei. Alle haben sich einmütig im Gebet versammelt zusammen mit Maria, der Mutter Jesu (vgl. Apg 1, 13f.).

 

Dieses Pfingstbild weist nicht auf den dramatischen Anfang hin, sondern auf den Grund und die Mitte der Kirche und ihres Glaubens: auf das Geheimnis der Eucharistie, in der Tod und Auferstehung Jesu gefeiert und im Zeichen des Brotes Einheit und Gemeinschaft mit ihm und untereinander geschenkt werden.

 

Und dies alles durch das Wirken und die Gabe des Heiligen Geistes, wie es auch in unseren eucharistischen Hochgebeten deutlich zum Ausdruck kommt, wenn es z.B. heißt: „Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseren Herrn Jesus Christus.“

Oder auch: „Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut. Und lass uns eins werden durch den Heiligen Geist.“

Und nochmals ruft die Kirche den Geist, diesmal über die Gemeinde selbst: „Erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus.“

 

Nichts anderes will uns dieses Pfingstbild vor Augen stellen:

Jesus ist in der Eucharistie durch die Kraft und im Wirken des Heiligen Geistes unter uns gegenwärtig und schenkt uns so die Gemeinschaft mit ihm und untereinander.

 

Darin sieht also der unbekannte Künstler das eigentliche Pfingstwunder: nicht in Feuerzungen, nicht im Brausen und Stürmen, nicht im Sprachwunder, sondern in der geistgewirkten Versammlung der Jünger, die sich von nun an fortsetzt in der Gemeinschaft aller, die an Jesus glauben und im Gebet und Mahl mit ihm vereint sind.

Im eucharistischen Gebet und Mahl aber werden schon jetzt Himmel und Erde miteinander verbunden und wir erhalten einen „Vorgeschmack“ auf das, was wir erhoffen dürfen, wenn wir einst „zu Tische sitzen in seinem Reich“.

 

Die geheimnisvolle Ruhe und Stille, die dieses Pfingstbild ausstrahlt, berührt einen.

Und doch kann diese Gemeinschaft nicht immer zusammensitzen. Der Kreis wird und muss sich auch wieder öffnen. Die Feier der Eucharistie ist nicht nur Sammlung, sondern auch Auftrag und Mission. Sie ist Sendung nach außen zu den Menschen, die hungern und dürsten, fragen und suchen.

 

Zeugen sind gesucht für Gottes Wirken in einer Welt, die immer mehr aus dem Zentrum gerät und die Gottesmitte verliert.

Zeugen sind gesucht, die ihre Kraft aus der Mitte des Todes und der Auferstehung Jesu schöpfen. Und so immer mehr lebendiger Leib Christi werden – mitten in der Welt.

 

„Empfangt, was ihr seid: Leib Christi!

Seid, was ihr empfangt: Leib Christi!“

 

Am Ende jeder Messfeier steht der Ruf: „Ite missa est!“

Ite = Geht! Brecht auf! Macht euch auf den Weg!

Missa est = Ihr seid gesendet in die Welt, für die Welt!

 

Dennoch, eines müssen wir immer wieder tun:

Uns sammeln, versammeln, zusammenkommen, uns dem Wort und Geist Gottes öffnen, dem Geist Raum geben, das Wort aufnehmen, annehmen, die heilige Gabe empfangen, anbeten, uns von Gottes Geist und Gottes Wort beleben, beseelen lassen, uns davon inspirieren und motivieren lassen, Kraft schöpfen, um dann weitergeben zu können, was wir selbst empfangen haben.

 

Gebet:

Komm, Heiliger Geist, durchdringe uns, erfülle uns, wandle uns! Komm und schaff uns neu!

Komm heiliger Geist, führ uns zusammen, verbinde uns!

Komm und mach uns eins in dir!

Komm, Heiliger Geist, sende uns, leite uns, wirke durch uns!

Komm und hilf, dass unseren Worten Taten folgen!

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