Vom
Schwarz am unteren Bildrand und an den Seiten
über
das Grau in der Mitte bis zum Weiß oben in der Mitte des Bildes:
ein
harter Kontrast, wenn auch mit fließenden Übergängen.
Wenn
wir auf unser Leben schauen
(oder
auch auf das zu Ende gehende Jahr)
fallen
uns vermutlich helle Abschnitte ein und dunkle,
schöne
Stunden – erfreulich, lichtvoll –
aber
auch traurige, schwere Zeiten.
Und
viele Stunden und Tage gehören einfach dem so genannten grauen Alltag
an.
Licht
fällt von oben in das Bild.
Es
dringt langsam bis auf den Grund.
Wie
von einem gewaltigen Strom wird das Dunkel an den Rand gedrängt.
Das
Licht aus der Höhe ist so stark, dass aus totem Gehölz Leben wachsen
kann.
Wie
geöffnete Arme streckt sich das grobe, tote Holz dem Licht entgegen,
wie
Hände, die sich sehnsüchtig erheben.
Es ist
als ob der leblose Baumstumpf zum Himmel flehte.
Aufgebraucht ist er, aufgebrochen, aufgespalten, hohl und leer.
Der
Baum, der einmal da stand
in all
seiner Größe und mit all seiner Pracht,
den
gibt es nicht mehr.
Gewalt
hat er erlebt.
Umgehauen wurde er oder abgesägt.
Man
sieht noch Blut am gefällten Holz.
Tot
ist er. Ohne Zukunft.
Und
doch:
der
Schatten des Todes muss dem Licht aus der Höhe weichen.
Hoffnung wächst, wo niemand es vermutet, empor zum Licht.
Durch
die gespaltene, zerklüftete Leere schiebt sich behutsam zartes Leben,
ent-faltet sich, ent-wickelt sich, blüht auf, langsam zwar, aber doch
wirklich.
Da, wo
die wärmenden Strahlen des Himmels auf den Grund vordringen,
da
entsteht Nährboden für das Gute, für Frucht;
bereit
zum Wachsen, bereit zu kraftvollem Leben.
„Seht her:
Nun
schaffe ich etwas Neues.
Schon sprosst es. Merkt ihr es nicht?"
(Jes.
43, 19)
Aus
dem Baumstumpf wächst ein Reis,
hier
im Bild von Sieger Köder eine rote Rose.
Zeichen für Verheißung, Hoffnung, Heilung.
Zeichen für Leben, Freude, Liebe, vielleicht sogar Leidenschaft.
Die
Rose spricht die Sprache der Liebe.
Hier
im Bild spricht durch sie Gott:
„Du
Mensch, ich liebe dich – mit unendlicher Liebe.
Ich
bin Mensch geworden auch für dich!
Hab
keine Angst! Ich verlasse dich niemals.
Fürchte dich nicht! Denn ich bin mit dir.“
Mag
die Nacht noch so dunkel sein, „das Licht leuchtet in der Finsternis“
(Joh 1).
Mag
der Tod scheinbar endgültig sein, die Kraft der Rose ist stärker.
Sie
wächst aus dem Tod.
Sie
überwindet den Tod.
Sie
leuchtet in der Mitte des Untergangs.
Bei
uns, in uns gibt es manches, was wie abgestorben ist, wie tot.
Bei
uns, in uns gibt es aber auch Hoffnungszeichen, Lichtblicke.
Bei
uns, in uns gibt es vieles, was sich nach dem Licht ausstreckt,
vieles, was auf Wachsen, Neuwerden, Verwandlung wartet
und
zum Leben drängt.
„Baumstumpf Isais“
nennt Sieger Köder dieses Bild.
Isai
war der Vater des Königs David.
Beim
Propheten Jesaja lesen wir:
„Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor,
ein junger Trieb aus seiner Wurzel bringt Frucht“
(11, 1).
Die
Kirche hat seit jeher „das Reis bzw. den jungen Trieb, aus dem Stamm
Isais“ mit Jesus Christus und seiner Menschwerdung in Verbindung
gebracht.
„Es
ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart…“
singen
wir in einem alten Weihnachtslied.
Zwischen den toten Armen des Baumstumpfes wächst eine Rose.
Der
Wurzelstock treibt noch einmal und blüht.
Aus
dem alten Israel kommt der Retter, der Heiland, unser Erlöser, Jesus
Christus.
ER ist
die Rose, von der der Prophet Jesaja spricht.
Heimgesucht hat uns das Licht aus der Höhe.
Du
Gott,
ein
Mensch, herabgestiegen in unsere Endlichkeit,
in
unsere Dunkelheit, in unsere Armut und Leere,
in
unsere Angst und Einsamkeit.
Du Gott,
liebendes JA,
ziehst
uns zu dir in deine Ewigkeit,
in
dein Licht, in deine Fülle, in dein Glück, in dein Reich.
Hab Dank, Herr,
dass
du zwischen Steinen der Verzweiflung und Angst
Deinen
Baum der Hoffnung grünen lässt
und
die helle Freundlichkeit der Liebe auf hohlem Stumpf.
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