Exerzitien mit P. Pius

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O Heiland, reiß die Himmel auf

(Meditation zu einem Bild von Beate Heinen) 

Menschen unterwegs. Alle in eine Richtung. Von links nach rechts, unaufhaltsam, leicht gebückt. Ein Strom von Menschen – wie von einem Sog gezogen. Frauen, Männer, Kinder, namenlos, ohne Gesicht, hintereinander, nebeneinander – wie auf der Flucht. Vielleicht auch vorbei aneinander – zur nächsten Aufgabe, zum nächsten Ziel, zum nächsten Erfolg. Jede geht ihren, jeder geht seinen Weg.

 

Das Bild zeigt nur einen Ausschnitt aus der Schar der Menschen, die vorüberziehen. – Ist so unser Leben, getrieben, eilend, hastend, geschäftig? Die Augen stur nach vorn. Nur nicht nach rechts oder links schauen! Jeder für sich. Jeder mit sich selbst beschäftigt. Ohne Aufmerken, ohne Achtsamkeit für den anderen.

Ist so unser Leben? Ein verschwommenes Nebeneinanderher?

Jeder macht sein Ding. Alltägliche Unrast, alltäglicher Trott, alltägliche Gleichgültigkeit.

 

Aber da sind auch Farben zu sehen, durchaus vielfältig: rot, blau, grün, lila... Sie kennzeichnen die Menschen als ganz verschieden, mit je eigener Geschichte, mit je eigenem Schicksal und Leben. Die Farbigkeit der gehetzten Menschen lässt ahnen, dass jeder Einzelne in der großen Menge einmalig ist, kostbar, geliebt.

Und doch liegt alles irgendwie unter einem Grauschleier. Das Individuelle und Einzigartige geht in der Masse unter, hat keine Konturen, keine eindeutige Gestalt.

 

Mitten durch die Menschenmenge geht ein Riss, in voller Länge – wie ein Blitz, von oben nach unten. Ein heilsamer Riss. Der Strom der Vorüberziehenden wird unterbrochen. Licht bricht herein, golden, leuchtend. Menschen werden erkennbar. Sie stechen aus dem trostlosen Einerlei heraus. Gesichter sind zu sehen. Eine Familie: Vater, Mutter und Kind, mit warmen Farben gemalt.

Die Mutter trägt das Kind behutsam auf ihrem Arm. Das Kind schmiegt sich an die Mutter. Der Vater legt schützend seine Arme um beide. Sein Blick geht sorgend zu der Frau und dem schlafenden Kind. Sie scheinen eingebettet, aufgehoben wie in eine schützende Höhle. Da ist Ruhe und Sicherheit

 

Ein Spalt breit Weihnachten. Maria und das schlafende Jesus-Kind. Josef, der hütet und birgt. Ein Spalt breit Menschwerdung, nur ein Spalt breit, aber doch deutlich, leuchtend und klar.

 

Da, wo solche Liebe, solche Geborgenheit – mitten im Getriebe, mitten in Gleichgültigkeit – erfahrbar wird, auch heute, auch in unserem Leben, da ist Weihnachten, da wird Gott immer wieder neu Mensch.

 

Eine Utopie? Ist denn die Welt menschlicher geworden seit diesem Riss? Müsste nicht der gold-gelbe Strahl alles Dunkel vertreiben? Müssten nicht mehr Menschen sich von dem Lichtstrahl berühren, treffen und erleuchten lassen, heraustreten aus der gestaltlosen Masse und sich nicht weiter treiben lassen vom Strom der Vorüberziehenden? Müssten nicht noch mehr Menschen auf einander zugehen, sich einander zuwenden, sich gegenseitig stützen, Liebe und Geborgenheit schenken?

 

Weihnachten bedeutet: Gott ist eingebrochen in unsere Welt. Sein Licht, sein Friede, seine Liebe haben Hand und Fuß bekommen, haben Menschen erfasst, durchdrungen und erfüllt: Jesus, Maria und Josef.

 

Es liegt an uns, den Spalt breiter und weiter werden zu lassen. Es liegt an uns, die Menschwerdung weitergehen zu lassen.

Dazu braucht’s oft gar nicht viel. Manchmal reicht es schon, den Kopf einmal ein bisschen zur Seite zu drehen und nach dem Menschen neben mir zu schauen, ihn wahrzunehmen, achtsam und hilfsbereit.

 

Josef – noch halb im Schatten – hält inne, wendet sich um. Er schenkt – gegen den Strom stehend – Aufmerksamkeit, gewährt Schutz und Geborgenheit.

Wo Menschen so für andere da sind, treu zueinander stehen, Verantwortung übernehmen, da leuchtet das Licht des Himmels hinein in unsere Wirklichkeit. Der Himmel reißt auf. Das Reich Gottes ist nahe. Himmel und Erde berühren sich.

 

Maria – mit feinen, klaren Konturen gezeichnet – ist in die gleiche Richtung gewandt wie alle anderen und sticht doch deutlich heraus. – Sie blickt ernst. Ahnt sie, was ihr Sohn auf sich nehmen wird? Ahnt sie, was auf sie selbst zukommt? Aber sie weiß und vertraut: Gottes Güte hat kein Ende und seine Treue hört nicht auf. – Maria sieht uns an, dich und mich. Ermutigend, liebevoll, fragend, auffordernd…?

 

Und das Kind? Das ist die große Herausforderung an uns. Der da kommt, um die Welt zu retten, er schläft. So geborgen, so sicher, so fest, weil es Menschen gibt, die auf ihn achten. Menschen mit aufmerksamen, sorgenden Gesichtern. Voll Liebe. Menschen mit großen schützenden Händen.

 

Die Künstlerin Beate Heinen hat dem Bild den Titel gegeben: „O Heiland reiß die Himmel auf!“ – Man kann es auf dem Bild buchstäblich sehen: diesen heilsamen, lichtvollen Riss!

Gott hat wahr gemacht, was Menschen seit uralten Zeiten erfleht und ersehnt haben. Er hat den Himmel geöffnet. Gold schimmert hindurch. Gold als Zeichen für das Göttliche, das Ewige. Gott hat sein Licht auf dieser Erde erscheinen lassen. Er ist einer von uns geworden im Kind von Bethlehem, im Mann aus Nazareth.

 

Josef und Maria mit dem Kind sind vom Licht berührt. Sie hat der goldene Schein getroffen. Wenn dieses Kind erwachsen ist, wird es von sich sagen: „Ich bin das Licht der Welt!“ Und weiter: „Wer an mich glaubt, wandelt nicht in der Finsternis. Er wird das Licht des Lebens haben.“ – Aber stimmt nicht auch das: dass die Menschen – zumindest scheint es oft so – „die Finsternis mehr lieben als das Licht“?

 

„O Heiland reiß die Himmel auf!“ – So fängt auch ein bekanntes Adventslied an. Der Jesuitenpater Friedrich Spee hat es im 30-jährigen Krieg, als die Pest ganz schlimm wütete, gedichtet. Und darin die dringende Bitte: „O Sonn, geh auf! Ohn‘ deinen Schein in Finsternis wir alle sein.“

 

Stellen wir uns in das Licht dieser Sonne, die Christus ist! Lassen wir uns von seinem Licht und von seiner Liebe bescheinen. Lassen wir uns davon umhüllen, wärmen und erleuchten. Nehmen wir es in uns auf!

 

Und lassen wir Licht und Liebe durch uns hindurchscheinen in unsere Umgebung. Damit auch andere Menschen davon berührt und erfasst, davon durchdrungen und erfüllt werden, auf dass es heller und wärmer wird unter uns.

 

„Im Strom der Zeit.

Du ziehst mit uns.

Wir sind wie Flüchtende, Vertriebene.

Auch Du warst ein Flüchtling.

Wir suchen Heimat, Geborgenheit, Liebe.

Suchst nicht auch Du Heimat in uns,

in jedem von uns?

Willst du nicht, dass in uns der Himmel aufreißt

Und Du selbst hindurchscheinen kannst?

 

O Heiland, reiß die Himmel auf!“

 

Beate Heinen

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