Auf den ersten Blick ein vertrautes
Weihnachtsbild:
Das
Jesuskind in der Mitte. Darum herum die drei Könige in königlich, roten
Gewändern und mit Kronen auf ihrem Kopf.
Das Kind breitet die Arme aus als wolle
es einen umarmen.
Doch dann fallen einige Besonderheiten
auf.
Nicht nur dass Maria und Josef und Ochs
und Esel fehlen.
Auch eine Krippe gibt es nicht.
Immerhin ein Stern funkelt am oberen
Bildrand.
Bei genauem Hinschauen erkennt man, dass
die drei Könige ganz seltsame Gaben bringen.
Nicht Gold, Weihrauch und Myrrhe,
sondern:
Der
König unten links
– wohl auch der jüngste:
Er reicht dem Kind ein Blatt Papier.
Das Blatt erweist sich als ein Zeugnis,
Zeugnis seines Lebens.
Darunter steht: „ungenügend“.
Ein hartes Urteil! Von wem gesprochen?
Von anderen? Von ihm selbst?
„Ungenügend“.
Das Soll nicht erfüllt.
Die Leistung nicht erbracht.
Das Ziel nicht erreicht.
Versagen auf der ganzen Linie.
Das macht stumm. Da verschlägt es einem
die Sprache.
Das Gesicht dieses Königs schaut leer
aus.
Der
zweite König,
mittleren Alters, auf der rechten Seite,
hält dem Kind einen zerbrochenen Becher
hin.
Das Gefäß, mit dem er seinen tiefen Durst
löschen könnte,
mit dem er, wenn es heil und ganz wäre,
auch andere
laben könnte,
ist zerbrochen.
Zerbrochene Lebensträume,
zerbrochene Hoffnungen,
zerbrochene Beziehungen.
So viel Bruchstückhaftes!
Wie viel Kaputtes, Scherben,
Verletzungen…!
Das alles bringt er und gibt er dem Kind.
Der
dritte König
oben – der älteste der drei –
legt vor dem Kind seine Maske ab.
Hinter der zufriedenen, lächelnden Maske
erscheint ein graues, trauriges, leidendes Gesicht.
Dass er es wagt seine Maske, seine
Lebenslüge abzunehmen.
Und das als König!
Aber vor dem Kind braucht er keine Maske.
Er muss sich nicht verstellen und
verstecken.
Vor dem Kind kann er sich zeigen und darf
er sein, wie er ist:
geachtet, angenommen und geliebt – trotz
allem.
Ungewöhnliche Geschenke.
Kostbares, Wertvolles zu geben, wäre wohl
einfach.
Doch die Könige bringen das dar
und geben es hin und geben es IHM,
was in ihrem Leben nicht gut war, nicht
genügend, nicht gelungen,
was nicht geklappt hat und was schief
gelaufen ist.
Schwäche zeigen, Fehler zugeben, Versagen
eingestehen,
fällt gewöhnlich nicht leicht.
Das kennen wir aus dem eigenen Leben.
Am ehesten gelingt es uns wohl vor einem
Kind.
Das Kind auf dem Bild – klein, nackt,
verletzlich,
breitet seine kleinen Arme aus – wie
gekreuzigt.
„Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde
ich alle an mich ziehen.“
„Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und
beladen seid!“
Mühselig und beladen, übermüdet und
überbürdet sind die drei Könige,
in denen wir uns selber sehen und
wiederfinden können.
Nicht immer sind wir gut drauf.
Nicht immer ist alles im grünen Bereich.
Keine heile Welt.
Längst nicht immer zufrieden, geschweige
denn glücklich.
Oft bedrückt, niedergeschlagen, saftlos,
kraftlos, lustlos,
ganz unten, am Boden zerstört, müde,
schwach, ausgebrannt, leer, am Ende.
Gott kommt als Kind.
Darin liegt das Geheimnis von
Weihnachten.
Gott kommt als Kind,
wehrlos, ohnmächtig,
mit ausgebreiteten Armen.
Gott kommt als Kind
und nimmt uns an
in unserer Schwachheit und
Unvollkommenheit.
Gott kommt als Kind
und sagt ja zu uns, ein großes Ja, ohne
Wenn und Aber.
Ist das nicht großartig? Ist das nicht
wunderbar?
Gott liebt unsere Armut, nicht unseren
Glanz,
unsere Sehnsucht, nicht unsere Erfolge.
Wie haben einen Erlöser: Jesus.
Wir brauchen uns nicht wie Münchhausen am
eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.
Wir müssen uns nicht selbst
erlösen.
Aus Gnade sind wir gerettet.
Zu IHM dürfen wir kommen, so wie wir
sind,
mit unseren Fehlern und Schwächen,
mit unseren Brüchen und Versagen,
mit unseren Grenzen und mit unserer
Schuld.
Alles Ungenügende, alles Zerbrochene,
alle Fassade und allen Schein
brauchen wir nicht zu verstecken und zu
verschweigen.
Wir dürfen alles, ohne Scheu und Scham,
IHM übergeben, IHM anvertrauen, in SEINE
Hände legen.
Seine Hände sind gute Hände und heilende
Hände.
Dazu ist er gekommen,
um all dies, um uns an- und aufzunehmen –
und in seinem Leben Leiden und Sterben zu
erlösen.
Du,
Gott mit offenen Armen!
Nimm alles von mir, was mich von dir
trennt.
Gib alles mir, was mich zu dir hinführt.
Nimm mich an und wandle mich.
Sei du mein ganzer Reichtum.
Und hilf mir,
selbst mit offenen Armen zu leben.
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