EVANGELIUM
Du bist der Christus Gottes. Der Menschensohn muss vieles erleiden
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
18 betete
Jesus für sich allein und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen
halten mich die Leute?
19 Sie
antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elíja; wieder andere
sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.
20 Da
sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den
Christus Gottes.
21 Doch
er befahl ihnen und wies sie an, es niemandem zu sagen.
22 Und
er sagte: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den
Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am
dritten Tage auferweckt werden.
23 Zu
allen sagte er: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst,
nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
24 Denn
wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um
meinetwillen verliert, der wird es retten.
In einem Kommentar zum
soeben gehörten Evangelium heißt es: „Das Evangelium beginnt mit
dem Messiasbekenntnis des Petrus.“
Aber stimmt das? – Womit
beginnt das Evangelium? Haben Sie es noch im Ohr? – Es beginnt damit,
dass Jesus betet. Das wird oft übersehen oder für unbedeutend gehalten.
Doch gerade der Evangelist Lukas zeigt uns Jesus gern und oft im Gebet.
Sehen Sie, zur
Nachfolge Christi – und um Nachfolge geht es in diesem Evangelium –
gehört nicht nur das Handeln, sondern auch das Händefalten, nicht nur
die Aktion, sondern auch die Meditation, nicht nur die Arbeit, sondern
auch das Gebet.
Das Gebet Jesu wird
in dieser Situation – es ist direkt nach der Speisung der Fünftausend –
nicht so sehr ein Reden mit Gott gewesen sein, obwohl wir es gern als
Zwiegespräch mit dem Vater bezeichnen, sondern es wird wohl eher und
mehr ein Innehalten und Stillwerden gewesen sein, ein Hören nach innen,
ein Lauschen auf das, was Gott will.
Wir wissen ja:
Jesus hat sich immer wieder zurückgezogen, die Stille gesucht und die
Gebetseinsamkeit, um sich seiner Sendung zu vergewissern. Auch er hat
immer wieder um seine Berufung und seinen Weg gerungen, um sich selbst
und seiner Sendung treu zu sein.
Auch jetzt – nach
der wunderbaren Brotvermehrung – bestand ja erneut die Gefahr, dass die
Menschen, weil sie satt geworden sind, ihn unbedingt zum König machen
wollen. Eine teuflische Versuchung! Denn Jesu wollte ja kein Brotkönig
sein, kein vordergründiger Heilsversprechen und Glückbringer. Außerdem
weiß er sich ja in die Welt gesandt, nicht um zu herrschen, sondern um
zu dienen. Er weiß sich in die Welt gesandt, um zu suchen, was verloren
war und zu heilen, was verwundet ist.
Der Evangelist Lukas
betont, dass die Jünger dabei waren, als Jesus betete. Sie waren bei
ihm, mit ihm. Sie haben ihn beim Beten erlebt. Sie haben sein Beten
erlebt. – Bei einer ähnlichen Gelegenheit bitten die Jünger Jesus:
„Herr, lehre uns beten!“ – Diesmal erwachsen – aus dem Raum des
Gebetes – für Jesus selbst wichtige Fragen, die er an die Seinen
richtet. Die erste ist ganz allgemein gehalten: „Für wen halten mich
die Leute?“
Nun, warum fragt Jesus
das?
Hat Jesus sich denn darum
gekümmert, was andere von ihm denken, wie andere ihn sehen und was
andere von ihm halten?
Überhaupt nicht. Im
Gegenteil: Er durchbricht und enttäuscht immer wieder Erwartungen. Er
überschreitet Grenzen, setzt sich über Tabus hinweg und verärgert auch
solche, die ihm wohlgesonnen sind. Seine Einstellung, die Art wie er
lebte und sich verhielt, z.B. Essen mit Zöllner und Sündern, sein Umgang
mit Frauen, die Heilungen auch am Sabbat oder dass er Sünden vergibt,
was Gott allein zusteht, das bringt viele gegen ihn auf.
„Für wen halten mich
die Menschen?“ Warum frägt Jesus das?
Vielleicht will Jesus
sehen und in Erfahrung bringen, ob und wieweit es ihm auf seinem Weg
bisher gelungen ist, das Geheimnis, das sich in ihm verbirgt,
transparent zu machen, ob und wieweit es ihm gelungen ist, durchscheinen
zu lassen und verständlich zu machen, wer er ist, was es mit ihm auf
sich hat und worum es ihm geht.
Dann hat Jesus aber
eine zweite Frage. Nicht mehr nur, was denken die Leute von mir, wer
bin ich in ihren Augen, sondern nun ganz direkt und ganz persönlich an
seine Jünger gerichtet: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ –
Sehen Sie: Das ist die entscheidende Frage, sozusagen die
Gretchenfrage: Wer bin ich für euch? Was bedeute ich euch? Bin ich
relevant für euch und euer Leben? Ist da eine Beziehung, ist da
Verbundenheit zwischen mir und dir? Haben meine Worte und mein Beispiel
Einfluss auf dich?
Wer bin ich für euch?
Diese Frage ist überzeitlich. Sie gilt auch heute. Das ist eine
Grundfrage für jeden Christen. Jesus stellt sie auch uns. Er stellt sie
mir und dir: Wer bin ich für dich?
-
Ist Jesus für mich der
Weg, auf dem ich gehe?
-
Ist er für mich die
Wahrheit, an die ich glaube?
-
Ist er für mich der
Weinstock, ohne den ich keine Zukunft habe?
-
Ist er für mich das
Licht, das mich erleuchtet?
-
Ist er die Kraft, die
mich erfüllt?
-
Ist da eine Beziehung
zwischen mir und ihm, nicht nur oberflächlich, nicht nur sporadisch,
sondern eine tiefe, innere Verbundenheit?
-
Ist Jesus für mich
mein Freund, mein Vertrauter?
„Ihr aber, für wen
haltet ihr mich“, auf diese Frage gibt Petrus im Evangelium eine
ganz großartige Antwort. Er bekennt: „Du bist der Messias Gottes“.
Das ist ein Glaubensbekenntnis. Denn Petrus sagt damit: Du kommst von
Gott. Du bist der Retter, du bist der Erlöser, auf den Israel wartet. In
dir ist Gott mit seinem ganzen Heil in der Welt erschienen. Auf dich
setzen wir all unsere Hoffnung.
Aber dann geschieht
etwas Sonderbares. Jesus gebietet, darüber zu schweigen. Er erteilt
ein Redeverbot. Warum das? Warum soll die Welt nicht wissen, dass er der
Messias ist?
Nun, Jesus hat seine
Gründe. Er will keinen falschen Messiaserwartungen Nahrung geben.
Er ist gekommen, um die Menschen zu erlösen, um sie wieder zu Gott
zurückzuführen. Er will ihnen den Shalom, das Heil und den Frieden
Gottes, schenken. Aber er ist nicht da, um ihnen jeden Tag den
Brotschrank aufzufüllen. Er will nicht der Nationalheld sein, der die
verhasste Besatzungsmacht der Römer aus dem Land schmeißt, kein
politischer Messias, kein Befreiungskämpfer. Das alles will und wird
Jesus nicht liefern. Also bitte keine falschen Erwartungen! Retter ja,
aber in einem viel größeren Sinn und auf eine ganz andere Weise, als die
Menschen sich das vorstellen.
Und damit die
Jünger – und sicher auch wir – uns keinen falschen Hoffnungen hingeben,
deshalb fügt der Evangelist gleich dieses harte Wort vom Kreuztragen
hinzu: „Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst und nehme
täglich sein Kreuz auf sich.“
Wirklich harte Worte.
Sein Kreuz auf sich nehmen.
Beten wir nicht oft genug
zum Herrn, dass er ein Kreuz von uns nimmt, dass er uns vor einem Übel
bewahrt, dass er uns vor Schlimmem, vor Gefahr und Not, verschont? Und
jetzt sollen wir das Kreuz auch noch auf uns nehmen – und ihm folgen?
Was könnte mit „Kreuz
tragen“ gemeint sein? Ich denke, auf keinen Fall geht es um Leid um
des Leidens willen, Leiden nicht als Selbstzweck. Und auch nicht um
„Opfer“, mit denen man sich was verdienen will. Wir brauchen uns das
Kreuz nicht suchen. Wir brauchen uns kein Kreuz zu zimmern. Das Kreuz
ist einfach da. Es begegnet uns in vielerlei Weise. Es hat viele Namen.
Es gibt kein Leben ohne
Leid. Den einen begleitet es ein ganzes Leben lang, beim anderen
schleicht es sich heimlich ein, einen dritten trifft es überfallartig. –
Oft besteht das Kreuz, vor allem jenes, dass wir Jesu Worten zu Folge
„täglich“ auf uns nehmen sollen, oft besteht es tatsächlich einfach aus
den Herausforderungen und Zumutungen des Alltags den täglichen Sorgen
und Pflichten und Aufgaben, vor denen wir nicht fliehen, die wir nicht
scheuen, sondern denen wir uns stellen und die wir in Verantwortung
annehmen und auf uns nehmen.
Auch das gehört zum
täglichen Kreuz tragen, dass wir nicht gedankenlos und egoistisch
nur an uns selbst denken und nur für uns selbst leben, sondern auch das
Wohl der anderen und das Wohl der Gemeinschaft im Blick haben – und dann
tun, was getan werden kann und muss – auch wenn etwas anderes vielleicht
viel verlockender und „lustiger“ wäre und mehr Spaß machen würde. Zum
täglichen Kreuz-Tragen gehört also auch Selbstüberwindung, Geduld und
Treue und die liebevolle Zuwendung zu den Mitmenschen.
Manchmal mag das
Kreuz auch darin bestehen, den anderen zu ertragen, die Lästige, die mir
auf den Wecker geht, den Unsympathischen, der mir überhaupt nicht liegt,
die Unausstehliche, die mich piesackt und quält. Was tun? Wir können
Segen hinschicken. Wir können für diese Menschen beten.
Was könnte mit
„täglichem Kreuz“ noch gemeint sein?
Gibt es nicht so vieles,
was immer wieder querkommt, was uns gegen den Strich geht, was unser
Leben durchkreuzt, was Hoffnungen und Pläne zunichtemacht, und was ganz
arg zusetzen und belasten kann: eine Krankheit, ein Unglücksfall, ein
Schicksalsschlag, der Verlust eines lieben Menschen, Trennung, aber auch
die Gebrechen des Alters, Einsamkeit, Ohnmacht, Misserfolg,
Enttäuschung, Verkennung und Missachtung, Missverständnisse und
Konflikte und die alltäglichen menschlichen Ärgernisse.
Ja-Sagen zum Kreuz,
zum unvermeidlich Schweren und Harten, sofern wir es nicht ändern
können, wo das jemand fertigbringt, da hat das Leid bereits ein Stück
weit seine Bitterkeit verloren. Wer sich dagegen sträubt, macht es oft
doppelt so schwer. Wer davor flieht, bekommt später oft noch ein
größeres.
Manchmal schielen
wir auch auf das Kreuz des anderen, weil wir meinen es sei angenehmer
und leichter. Aber bei genauem Hinsehen merken wir: dem ist nicht so.
Wie sehr kann man sich da täuschen!
Der Herr nimmt die
Kreuze nicht weg, wie wir das so gerne hätten. Auch wenn wir noch so
viel darum beten. – Aber er macht uns Mut, unser Kreuz zu tragen, indem
er uns vorangeht mit seinem Kreuz. Und: indem er uns unter
unserem Kreuz nicht allein lässt.
Von Kardinal Faulhaber
stammt das Wort: „Nah beim Kreuz, ist nah bei Gott“.
Noch etwas: Kreuz
und Leid haben in unserem Leben nicht das letzte Wort, auch nicht die
Dunkelheit und der Tod, sondern Hoffnung und Licht, Auferstehung und
Leben. Leben in seinem Leben, Leben in seinem Glück, Leben in der
Geborgenheit und Vollendung bei Gott.
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