„TU ES PETRUS ET SUPER HANC PETRUM AEDIFICABO ECCLESIAM MEAM“
– so steht es in mannshohen Buchstaben in der Kuppel des Petersdomes.
„Du
bist Petrus. Und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Als katholische Christen denken wir bei
diesen Worten an die Einsetzung des Papstamtes und an die Zusage Jesu,
dass die Kirche nicht untergehen wird.
Und gewiss kann uns dieses Wort Jesu an
Petrus in allen Stürmen, die der Kirche von außen und innen drohen,
Ermutigung und Halt sein.
Aber es geht im heutigen Evangelium gar
nicht ausschließlich und in erster Linie um den Primat des Petrus und
damit des Bischofs von Rom. Damit ist unser Evangelium längst nicht
ausgeschöpft.
Der
meines Erachtens wichtigste Satz des Evangeliums steht vorher. Es ist
das Bekenntnis des Petrus zu Jesus:
„Du
bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Jesus
selbst hat dieses Bekenntnis provoziert durch zwei Fragen.
Die erste
ist allgemein gestellt:
„Für wen halten die Leute den Menschensohn?“
Also: Was
denkt und spricht man über mich?
Wer bin
ich nach Meinung der Leute?
Die
zweite Frage richtet Jesus direkt an die Jünger:
„Ihr
aber, für wen haltet ihr mich?“
Petrus
macht sich – wie bei anderen Gelegenheiten auch – zum Sprecher aller und
legt das großartige Bekenntnis ab:
„Du
bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Die
Frage: „Für wen haltet ihr mich?“ ist mit der Antwort des Petrus
nicht erledigt!
Es geht –
wie immer im Evangelium – je neu um uns selbst!
Was halten wir von Jesus? Was halte ich
von ihm? Wer ist er für mich?
Wir sind gefragt! Was bedeutet Jesus dir
und mir im täglichen Leben?
Merken Sie, wie da die Frage ganz
persönlich wird?
Stellen
Sie sich vor, ich hätte beim Vortragen des Evangeliums an dieser Stelle,
bei dieser Frage Halt gemacht.
Und dann
hätte ich Sie eingeladen in einer Zeit der Stille darüber nachzudenken,
was Sie von Jesus halten, wer er für sie ist.
Und dann
wäre ich mit einem Mikrophon zu Ihnen gekommen. Was hätten Sie
geantwortet?
Was
bedeutet Ihnen Jesus? Wer ist er für Sie ganz persönlich?
Blenden
wir zurück:
Damals
gingen die Meinungen, wer Jesus sei weit auseinander.
Es gab
vielfältige, ganz unterschiedliche Ansichten und Urteile über ihn.
Er erregte Aufsehen.
Er redete und handelte anders als die
maßgeblichen Führer.
Er tat Zeichen und Wunder.
Viele vermuteten in ihm etwas
Außergewöhnliches und ganz Besonderes.
Andere ärgerten sich über ihn.
Denn er brachte Unruhe und Verwirrung
unter die Leute.
Er untergrub die Macht und das Ansehen
religiöser und politischer Autoritäten. Er stellte Fragen und stellte in
Frage.
Er setzte sich über heiligste
Überlieferungen und Vorschriften hinweg.
Für manche war er ein Rebell, ein
Aufrührer, ein Gotteslästerer.
Die meisten meinten aber doch, einer der
großen Propheten (wie z. B. Elija oder Johannes der Täufer) sei wieder
gekommen.
Wie
lauten heute die Urteile über Jesus?
Auch
heute sind die Meinungen breit gefächert!
Für die
einen ist er ein edler Mensch, vielleicht der beste aller Menschen, die
je gelebt haben, der Inbegriff echten Menschseins, Vorbild wahrer
Humanität.
Andere
sehen in ihm einen gütigen Lehrer und Helfer, einen Idealisten.
Für
wieder andere ist er ein revolutionärer Typ, ein Kämpfer für
Veränderungen, eine Art Sozialreformer.
Groß ist
heute auch die Versuchung, ihn auf eine Stufe mit anderen
Religionsstiftern zu stellen, einem Mohammed oder Buddha etwa.
Manche
deuten ihn als Weisen von der Art eines Sokrates, der für seine
Gewissensüberzeugung in den Tod ging.
Natürlich
ist es schon sehr viel, wenn Menschen in Jesus ein Vorbild sehen. Es ist
gut, wenn man sich auf seine Güte und Menschenfreundlichkeit besinnt.
Aber ist
das der ganze Jesus? Was haben wir von ihm begriffen, wenn wir ihn nur
„interessant“ finden, wenn wir von ihm „fasziniert“ sind
oder uns seine Großherzigkeit und Menschlichkeit anspricht? Und damit
hat sich’s.
Wenn es
bei Interesse und Bewunderung bleibt, im übrigen wir aber nicht selbst
von ihm berührt werden, dann muss das nicht viel bedeuten, dann braucht
das noch lange keine Auswirkungen auf unser Leben zu haben. Dann bleibt
die Gestalt Jesu im Unverbindlichen und für meine persönliche
Lebensgestaltung belanglos.
„IHR
ABER FÜR WEN HALTET IHR MICH?“
Das ist eine Frage, die ein eindeutiges
Bekenntnis fordert, eine Entscheidung. Hier gibt es kein Ausweichen.
Gefragt sind auch nicht vergleichende
Antworten mit anderen Größen der Weltgeschichte, die man nach Belieben
bewundern und ablehnen kann.
Jesus Frage zielt auch nicht nach
Glaubenswahrheiten, Katechismussätzen o.ä., sondern er fragt nach der
Einstellung der Jünger zu ihm. Es geht um die persönliche Beziehung zu
ihm.
Ein Missionar aus Indien wurde
einmal gefragt: „Wie steht es denn bei euch mit Gandhi?“ Er
sagte: „Wie bei euch im Westen mit Jesus
Christus! Er wird zitiert, verehrt, aber nicht ernst genommen.“
Liebe Mitchristen!
Nehmen wir, die wir uns als Christen
bezeichnen, ihn ernst, von dem wir den Namen haben?
Dann kann er für uns nicht bloß ein
idealer Mensch sein.
Dann geht es nicht nur um
Vorbildfunktion, sondern dann sehen wir in ihm Gott selbst am Werk.
Dann ist er nicht mehr nur irgendein Bote
Gottes, sondern wir glauben, dass in ihm Gott selbst zu uns gekommen ist
und einer von uns geworden ist, um uns zu erlösen.
In ihm begegnen wir nicht nur einem
Religionsstifter oder einer bewundernswerten und verehrungswürdigen
großen Gestalt der Geschichte. In ihm begegnen wir dem lebendigen Gott.
„Du bist Christus, der Sohn des
lebendigen Gottes!“
Und wir dürfen als österliche Menschen
hinzufügen:
„Du bist unser Friede, unser Heiland
und Erlöser.“
WER IST JESUS FÜR UNS? FÜR WEN HALTEN WIR
IHN?
Anscheinend halten wir viel von ihm.
Denn wir gehen Sonntag für Sonntag in die
Kirche, vielleicht auch noch öfter oder sogar täglich.
Wir beten zu ihm und beten ihn an. Wir
hören sein Wort und feiern Eucharistie, das Mahl der Liebe.
Wir bekennen uns zu ihm, dem
„Gott von
Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ (Credo).
Wir singen:
„Du allein bist der
Heilige, du allein der Herr, du allein der Höchste, Jesus Christus“
(Gloria).
Wir bringen die Einzigartigkeit Jesu zum
Ausdruck, das, was ihn von allen anderen unterscheidet.
Ist das, was wir beten und singen nur
Leerformel, Worthülse?
Ist das, was wir feiern nur gedankenlose
Routine?
Oder merkt man unserem Leben an, dass wir
uns zu Christus bekennen?
Wird in unserem Alltag, in unserem
Verhalten sichtbar, dass wir seinen Namen tragen?
FÜR WEN HALTET IHR MICH?
Mit dem Mund ist die Antwort schnell
gegeben. Leicht singen sich das Gloria und das Credo.
Aber ist das Bekenntnis auch durch mein
Leben gedeckt, durch mein Verhalten im Alltag?
Rechne ich da mit Gott? Kommt Gott da
vor?
Hat er das Sagen oder rangiert er unter
„ferner liefen“?
Höre ich auf sein Wort? Gebe ich seinem
Willen Vorfahrt?
Hat also das Bekenntnis zu Jesus Christus
Auswirkung auf das tägliche Leben und Miteinander?
Oder ist es nur Lippenbekenntnis?
„Dieses Volk verehrt mich mit den
Lippen, aber ihr Herz ist weit weg von mir“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Fragen wir uns selbst noch einmal:
Ist Jesus für uns, für mich der
„Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“?
Ist mein Glaube an ihn mehr als
Verehrung?
Prägt und bestimmt er mein Leben?
Lasse ich mich von ihm leiten und führen?
Ist er Maß gebend auch in meinem Alltag?
Versuch ich meine Glauben an Jesus
Christus – so gut ich kann – in den alltäglichen Gegebenheiten und
Umständen unter Beweis zu stellen?
Wir sind ausgegangen von der Frage Jesu:
„Ihr aber, für wen halten ihr
mich?“
Und wir haben gefragt:
Wer ist Jesus für uns? Für wen halten
wir ihn?
Eine Frage war auch, ob im Alltag
sichtbar wird, was wir von ihm bekennen und dass wir uns zu ihm
bekennen? Wie zeigt sich das? Und ob man uns das anmerkt.
Wir können zum Schluss noch einen Schritt
weitergehen und die Frage Jesu noch direkter hören.
Ich kann sie ganz persönlich an mich
gerichtet vernehmen.
Jesus fragt mich und er fragt dich: WER
BIN ICH FÜR DICH?
„WER IST
JESUS FÜR MICH?“
Ist er
für mich mein Freund, mein Vertrauter?
Ist er
für mich der Weg, auf dem ich gehe?
Ist er
für mich die Wahrheit, die ich glaube?
Ist er
für mich der Weinstock, ohne den ich keine Zukunft habe?
Ist er
für mich das Leben und erfüllt mich mit Freude?
Ist er
meine Hoffnung, mein Licht?
Ist er
mein Halt, meine Stärke, meine Zuversicht?
Ist er
für mich die Mitte und das Ziel meines Lebens?
WER IST
JESUS FÜR MICH?
Von
Lothar Zenetti stammt das Wortspiel, aber es ist mehr als ein Wortspiel,
es ist eine tiefe Aussage, ein knappes, aber inhaltsreiches Bekenntnis,
eine Glaubenserfahrung:
„WER
JESUS FÜR MICH IST? – EINER, DER FÜR MICH IST!
WAS ICH VON JESUS HALTE? –
DASS ER MICH HÄLT!“
Ich
persönlich finde meinen Glauben an Jesus Christus in folgendem fast 1000
Jahre altem Gebet, einem Hymnus im Stundengebet der Kirche, sehr schön
ausgedrückt.
Ich kann
es auswendig und bete es gern:
„Christus, göttlicher Herr,
dich
liebt, wer nur Kraft hat zu lieben,
unbewusst, wer dich nicht kennt,
sehnsuchtsvoll, wer um dich weiß.
Christus, du bist meine Hoffnung,
mein
Friede, mein Glück, all mein Leben.
Christus, dir neigt sich mein Geist,
Christus, dich bete ich an.
Christus, an dir halt ich fest
mit
der ganzen Kraft meiner Seele.
Dich,
Herr, lieb ich allein,
suche
dich, folge dir nach.“
Erzbischof Alphanus von Salerno
(1015 -
1085) |