Was
machen die Apostel, die Jünger Jesu, nach der Himmelfahrt?
Jesus hatte ihnen ja seine Gegenwart zugesagt:
„Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Und er hatte ihnen den Heiligen Geist
versprochen, den Tröster, den Beistand. Sie sollten sich nicht allein
gelassen fühlen.
Und
er hatte sie in seine Sendung mit hinein genommen:
„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“
„Ihr
sollt meine Zeugen sein bis an die Grenzen der Erde!“
Jesus
hatte sie ja schon einmal ausgesandt in die Städte und Dörfer, zu zwei
und zwei. Damals sollten sie bewusst nicht zu den Heiden gehen, sondern
zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Jetzt ist ihre Sendung
nicht mehr beschränkt auf Israel. Sie ist groß, sie ist weltweit.
Der
Auftrag, den die Apostel vom Auferstandenen bekommen haben, hat
universalen Charakter: „Geht in alle Welt!“
Das
Heilswerk, das Jesus begonnen hat, sollen die Apostel weiterführen. Ihr
Leben soll fortan ganz in diesem Dienst stehen. „Macht
alle Menschen zu meinen Jüngern...!“
Wie
verhalten sich die Apostel? Wie reagieren sie auf diesen umfangreichen,
universalen Sendungsauftrag?
-
Hätten sie nicht resignieren und auseinanderlaufen
können
angesichts dieser riesengroßen Aufgabe? „Geht zu allen Völkern!“
Ist das nicht eine Überforderung?
Wie sollen sie das fertigbringen,
diese kleine Schar, Leute ohne Welterfahrung, ohne entsprechende
Ausbildung, ohne Examen und Pastoralprüfungen, ohne Fremdsprachen zu
können, ohne machtvolle Beziehungen zu haben? Sie sollen eine Welt
bewegen? Aufgaben, denen man sich nicht gewachsen fühlt, können ja
auch ängstigen und lähmen. – Ja, die Jünger hätten resignieren und
auseinanderlaufen können.
-
Eine andere Möglichkeit wäre gewesen,
dass sich die Jünger nach den
umwerfenden und unglaublichen Erfahrungen mit Jesus, voller Elan ins
Zeug gelegt und mit Begeisterung sich gleich hineingestürzt hätten
in ihre Sendung, in ihren Auftrag, dass sie sofort und voll Eifer
losgezogen wären, nach dem Motto: Es ist viel zu tun, auf, packen
wir’s an, ran an die Arbeit, die Aufgaben drängen: verkündigen,
missionieren, Menschen bekehren, Caritas organisieren, Gemeinden
gründen, Ämter verteilen, Kirche aufbauen! Nur keine Zeit verlieren!
-
Die Apostel hätten auch, wie wir es wohl getan
hätten,
zunächst einmal eine Krisensitzung abhalten können, eine Synode
einberufen, dann eine Sondersynode; schließlich Kommissionen bilden,
um zu diskutieren, wie es denn nun weitergehen soll, was zu machen
sei, welche Strategie die beste sei und welche Art von Werbefeldzug
für die Sache Jesu wohl am wirksamsten und Erfolg versprechendsten.
Wie
verhalten sich die Jünger? Wie reagieren sie tatsächlich?
Die
Lesung aus der Apostelgeschichte sagt es uns:
Sie gehen
nach Jerusalem, dorthin, wo Jesus vor seinem Leiden und Sterben
das letzte Abendmahl gehalten hat, in das Obergemach, wo er ihnen
dann nach seinem Tod durch verschlossene Türen hindurch erschienen ist,
wo sie ihm, dem Auferstandenen begegnet sind, wo sie mit
Freude erfahren haben: er lebt und hat Sünde und Tod besiegt.
Dorthin gehen sie und verharren einmütig im Gebet.
-
kein Resignieren, kein Aufgeben, kein
Auseinanderlaufen angesichts der großen Aufgabe.
-
auch keine hektische Betriebsamkeit, kein
überstürzter Aktionismus, kein blindes Losstürmen und
Herumfuhrwerken.
-
auch kein Krisenmanagement, keine
Strategiediskussionen, keine Planungskonferenzen.
„Sie
verharren einmütig im Gebet.“
Die
Jünger Jesu setzen vor die Aktion die Meditation.
Vor der
Sendung kommt die Sammlung, vor dem Tun das Gebet, vor der Mission die
Kontemplation, vor dem Handeln das Händefalten, vor dem beherzten
Zupacken das Erheben des Herzens.
„Sie verharren einmütig im Gebet.“
Lukas sagt nicht einfach:
„Sie beteten“, sondern „sie verharrten einmütig im Gebet“.
„Verharren“ hat etwas mit durchhalten, mit aushalten zu tun.
Beharrlich dran bleiben. Sie verharren im Gebet. Sie beten ganz
intensiv, wach, geduldig und ausdauernd.
Und
„einmütig“. Mehrmals taucht in der Apostelgeschichte dieses Wort
auf. Ein-mütig, eines Mutes, einträchtig! Ohne diese Einmütigkeit, ohne
diesen Zusammenhalt wären die ersten Christen schnell am Ende gewesen.
Der eine Mut nährt sich nicht von endlosen Debatten und Diskussionen,
sondern von einer ganz anderen Kraftquelle, nämlich der des Gebetes.
Die
Jünger Jesu sind sich eins in der Erkenntnis, dass sie das Wesentliche
nicht machen können, dass es ihnen von oben geschenkt werden muss.
Im
gemeinsamen Gebet aber wächst eine Verbundenheit. In die hinein kann
dann der Pfingstgeist wirken, der Atem Gottes, wie eine kräftige Flamme.
Lukas erwähnt auch die Frauen.
Sie gehören ganz selbstverständlich zur vorpfingstlichen Urgemeinde.
Besonders
hervorgehoben wird Maria. Ohne ihr Ja-Wort, ohne ihr Mitwirken, hätte
Jesus sein Werk nicht schaffen können.
Ich
bin überzeugt: Sie, die Mutter Jesu, hat ganz entschieden zur
Einmütigkeit im Gebet beigetragen. Sie hat ja in der stillen Kammer von
Nazareth die Herabkunft des Heiligen Geistes schon einmal erlebt:
„Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft
des Höchsten wird dich überschatten...“
Liebe
Mitchristen!
Man redet
heute viel davon, dass die Kirche sich modernisieren müsse. Sie müsse
demokratischer werden. Strukturen müssten geändert und neue Formen
gefunden werden. Die Kirche müsse besser für ihre Sache werben, sie
müsse sich besser verkaufen.
Das mag
richtig sein. – Doch manchmal scheint mir, dass man den zweiten Schritt
vor dem ersten machen möchte.
Gewiss,
es geht nicht ohne Sitzungen und Konferenzen. Es geht auch nicht ganz
ohne Verwaltung. Beratungen müssen sein, Organisation muss sein. Es
braucht Besprechungen und Entscheidungen. Ganz klar! Es gibt in der Tat
ein Problemstau in unserer Kirche heute. In vielen Bereichen besteht
Handlungsbedarf.
Doch der
erste Schritt am Beginn der Kirchengeschichte war das Gebet, das
Sich-öffnen auf Gott hin. Ich glaube, dass darum auch der zweite Schritt
so gut gelungen ist. Voll Eifer, tapfer und unerschrocken sind sie
hinausgegangen in alle Welt, haben keine Mühen gescheut, haben viele
Strapazen auf sich genommen, haben Kopf und Kragen riskiert für die
Sache Jesu und nicht wenige haben ihr Blut vergossen als Zeugen des
Glaubens.
Wir wünschen uns die Kraft der jungen Kirche,
ihren Mut, ihre Hoffnung, die Aufbruchsstimmung von damals, die
Glaubensoffensive der ersten Christen, ihre Begeisterung und den
missionarischen Schwung. Wir wünschen uns eine neue, mitreißende
Verkündigung des Evangeliums, eine tiefgreifende, am Glauben
orientierte, spirituelle Erneuerung, die nicht nur einzelne, sondern die
Kirche insgesamt erfasst.
Vergessen wir aber nicht:
Damals gingen Tage des Gebetes voraus, Tage der Sammlung und Stille, des
Wartens, des Sich-Öffnens für den verheißenen Hl. Geist. Große Dinge
bereiten sich immer in der Stille.
Wir können lernen:
Erstwichtig ist das Gebet. Es hat Vorrang. Dem Gebet, dem Gottesdienst
sollen wir nichts vorziehen.
Gott kann
nur dann durch uns in die Welt hinein wirken, wenn wir uns seinem Geist
öffnen. Und das geschieht vornehmlich im Gebet.
Lothar Zenetti hat unter der Überschrift „Pfarrgemeinderat“
einmal
folgendes geschrieben:
„Von Programmen sprachen wir und Tagesordnungspunkten,
von Aktionen sprachen wir und von Sofortmaßnahmen, von Modellen sprachen
wir und neuen Perspektiven, von Problemen sprachen wir und
Meinungsäußerungen, von Strukturen sprachen wir und von
Gemeindebildung. Von Jesus Christus sprachen wir nicht. So hing er
still am Kreuz von Oberammergau.“
Fragen
wir einmal, jede und jeder sich selbst:
Auf
Kosten wovon vermindern wir immer wieder die Zeit für das Gebet, für die
Stille, die Schriftlesung, die Meditation, den Gottesdienst?
Ist es
nicht unsere hektische Betriebsamkeit? Ist es nicht unser ruheloser
Aktivismus? – Wir sind ständig auf Trab, in action, eingespannt und
darum angespannt. Wir sind total in Anspruch und in Beschlag genommen
von vielen Pflichten, Aufgaben und Terminen. Jede Minute ist verplant.
Oft über den Feierabend hinaus. Auch das Wochenende ist belegt. Da muss
man dieses noch und jenes.
Und was bleibt auf der Strecke?
Die Besinnung, das Gebet, das Ausruhen bei Gott, das Atemholen der
Seele. Das kommt zu kurz. Da wird am schnellsten abgezwackt oder es
fällt ganz aus.
Verstehen Sie mich nicht falsch:
Aktion gehört unbedingt zur Nachfolge Christi. Keine Frage! Nur sie muss
vorher im Gebet, im Hören auf Gottes Wort ihren Grund gefunden haben. Es
geht um die Reihenfolge und die Rangfolge.
Das zeigen uns die Apostel im Obergemach von Jerusalem:
Meditation kommt vor Aktion, Empfangen kommt vor Geben, Sammlung vor
Sendung.
Was wir
glaubend, hörend, betend empfangen, ist wichtiger als das, was wir
selbst produzieren, schaffen und machen.
Wir sind eingeladen,
uns auszustrecken nach oben, uns zu öffnen für die Gaben Gottes, für
seinen Leben spendenden Geist.
Wir sind eingeladen,
uns erfüllen und durchdringen zu lassen von Gottes Freude und Frieden,
von seinem Licht und seiner Kraft, von seiner Gnade und seinem Segen.
Wir sind eingeladen,
uns von Gott beschenken und lieben zu lassen. |