Exerzitien mit P. Pius

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Die Sterndeuter - Epiphanie (Mt 2, 1 - 12)

II. Teil

 

6. Die Weisen sind Menschen, die in Jerusalem auf Kontrastgestalten, Gegenbilder, entgegengesetzte Typen treffen.

 

Ganz unbefangen stellen die Weisen in Jerusalem die Frage:

„Wo ist der neugeborene König der Juden?“

Aber diese Frage erregt nicht begeisterte Aufmerksamkeit, sondern Angst. Die Reaktion: Entsetzen statt Freude, anstatt Jubel Verunsicherung.

Herodes und mit ihm ganz Jerusalem erschrickt. Und eine hektische Betriebsamkeit entfaltet sich. Eiligst werden alle Hohepriester und Schriftgelehrten (das ganze „Wissen“ des Landes) zusammengerufen.

 

Was hat sich in Jerusalem abgespielt?

Die Erzählung schildert die Dinge nicht im Detail, eher summarisch.

Aber eines ist sicher: Die Weisen treffen in Jerusalem auf ein verständnisloses Ambiente.

Offenbar wird der krasse Gegensatz zwischen ihnen und der dortigen politischen und religiösen Führung.

 

Jerusalem ist das Zentrum der politischen Macht und der religiösen Überlieferung.

König Herodes sowie die Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes vertreten dieses Macht- und Religionszentrum.

Es sind Kontrastgestalten, weil es sich um Mensch mit ganz anderen Lebensinhalten, Lebensgewohnheiten und Lebenseinstellungen handelt.

 

Die Hohepriester und Schriftgelehrten

Die theologisch Sach- und Fachkundigen, wissen zwar Bescheid, sie kennen die Messiasdogmatik und merken und begreifen doch nichts.

Die religiösen Profis wissen scheinbar alles ganz genau, sie wissen wo’s lang geht, aber sie gehen nicht und suchen nicht. Sie bleiben verstockt.

Die „Hüter der Wahrheit“ kennen sich aus in der heiligen Schrift und sind doch ahnungslos, blind und taub. Es reißt keinen von ihnen vom Hocker. Sie bleiben im Zitieren stecken. Das gespeicherte Wissen bleibt auf bestürzende Weise steril. Ihnen geht kein Stern auf.

„Wegweiser“ sind sie, die den Weg selber nicht gehen.

Ihr religiöses Wissen bleibt erschreckend folgenlos, ohne persönliche Konsequenzen.

Sie können zwar prompt Antwort geben, als sie nach dem Geburtsort des Messias gefragt werden, aber bewegen tun sie sich nicht.

Es scheint, der schwierigste Schritt auf dem Weg zur Begegnung mit dem menschgewordenen Gottkönig ist gar nicht mal die lange Reise aus dem Osten in die jüdische Hauptstadt, sondern die letzten Kilometer von Jerusalem nach Bethlehem.

 

Eine schreckliche Vision von Religion tut sich da auf:

Die richtigen Wege wissen, die Wege Gottes zum Menschen, die Wege des Menschen zu Gott, aber selbst nicht diese Wege gehen!

Wie kommt das? Warum bleiben die Hohepriester und Schriftgelehrten innerlich kalt und ungerührt? Was fehlt ihnen?

Was hindert sie, sich in Bewegung zu setzen, hinauszugehen, nach dem Kind zu forschen, sich anrühren zu lassen?

 

Ist es so etwas wie Selbstsicherheit oder Selbstgerechtigkeit?

Haben sie ihr Urteil, ihr Weltbild und darüber hinaus gibt es nichts?

Alles andere ist Phantasterei, im Grunde Spinnerei, auf die man sich nicht einlässt? Das System wie man glaubt, denkt und lebt, funktioniert doch gut. Man will keine Störung des religiösen Betriebs.

Oder ist es Kleinkariertheit? Man traut Gott nicht mehr zu als sich selbst.

Unmöglich, dass Gott so groß ist, dass er klein werden könnte, dass er wirklich auf uns zuginge und ein Kind würde?

Steckt vielleicht auch ein wenig Herdengeist darin?

Was würden die anderen sagen, wenn man plötzlich so abenteuerlich wäre und hinausginge zu schauen und zu huldigen?

Diesem Verdacht, so unvernünftig zu sein, will man sich nicht aussetzen.

Oder ist es ihr Stolz? Bilden sie sich ein, keine Gottsuche mehr zu brauchen, weil sie über ihn schon so viel wissen?

 

Oder fehlt ihnen die Demut, sich dem Größeren zu beugen?

Fehlt die Demut als Mut, das ganz Große zu glauben?

Zu glauben, dass Gott zu uns kommt, dass er reines Entgegenkommen ist, bedingungslose Liebe, die den Menschen sucht, sich seiner annimmt und erbarmt?

Aber hat man Liebe und Erbarmen überhaupt nötig?

Ist man nicht in Ordnung? Lebt man nicht korrekt und einwandfrei?

 

Oder fehlt den Hohepriestern und Schriftgelehrten das Kindsein des Herzens?

Fehlt ihnen die Fähigkeit des Staunens, des Sich-erschüttern-Lassens und des Aus-sich-Herausgehens, um sich einlassen zu können auf Neues, auf IHN und Seinen Weg?

 

Jedenfalls, die Sterndeuter, Vertreter der Heidenvölker, finden zum neugeborenen König der Juden, werfen sich vor ihm nieder und glauben. Die Fachmänner des Jahweglaubens aber, die religiöse Elite Israels erkennt den verheißenen Hirten des Volkes nicht.

 

Das Schicksal Jesu deutet sich schon an.

Man wird ihn ablehnen und verwerfen.

Jahrzehnte später verhöhnen die Hohepriester, die Schriftgelehrten und Ältesten Jesus und sagen:

„Er ist doch der König von Israel! Er soll vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben“ (Mt 27, 42).

 

Wir können uns fragen:

Wo gleich ich den Schriftgelehrten und Hohepriestern?

Ist mein Glaubenswissen toter Buchstabe, steril, ohne Konsequenzen?

Ist meine religiöse Praxis erstarrt, nur noch Routine und Trott? Und ich gebe mich damit zufrieden?

 

Und Herodes?

Wir wissen: Er war diplomatisch geschickt und wirtschaftlich tüchtig. Wenn es aber um seinen Thron ging, konnte er zur blutrünstigen Bestie werden.

Er hört: „neugeborener König der Juden“ und schon fürchtet er Konkurrenz. Schon sieht er seinen Thron wackeln.

 

Er ruft die Sterndeuter heimlich zu sich und läßt sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war.

Dann schickt er sie nach Bethlehem und trägt ihnen auf, sorgfältig nachzuforschen, wo das Kind ist.

Wenn sie es gefunden haben, sollen sie ihm Bericht erstatten, „damit“, so sagt er „auch ich hingehe und ihm huldige“.

Aber er heuchelt nur Interesse. In Wirklichkeit hat Herodes etwas ganz anderes im Sinn.

Herodes ist hinterhältig, verlogen, machtbesessen.

 

Der Messias, die Erfüllung der tiefsten Hoffnung des jüdischen Volkes löst bei ihm nicht Freude, sondern Furcht und Entsetzen aus. Er hat Angst, seine Macht zu verlieren.

Herodes ist ein ausgesprochener Ich-Mensch. Er sieht nur den eigenen Vorteil. Seine Herrschaft gründet auf Gewalt. Um sie zu sichern, ist er zu allem fähig. Jedes Mittel ist ihm recht. Nicht von ungefähr hat er alle Mitglieder der eigenen Familie, die ihm gefährlich werden konnten, umbringen lassen.

 

Herodes hatte ein ausgebildetes Spitzelsystem, die sogenannten Spiculatores, die für den Verfolgungswahn des Königs Nachrichten und Material lieferten.

Von daher passt auch die Erzählung vom Massenmord an Kindern (Kindermord von Bethlehem) nahtlos in die Geschichte, auch wenn sich nicht alle Details rekonstruieren lassen.

Jedenfalls, um sein Regime zu sichern, schreckte Herodes vor nichts zurück.

Wir können uns fragen:

Wo gleiche ich Herodes?

Wieviel Herodianisches ist in mir selbst?

Wo kenne ich nur mein Ansehen, meinen Stolz, meine Macht?

 

7. Weisung aus der Schrift.

Der Stern war den Weisen Wegweiser. Der Stern allein genügte nicht. Das Lesen der Bibel, die Auskunft aus der Schrift gibt den entscheidenden Hinweis.

Ein Bibelwort (Micha 5, 1 -  3) wird „ihrem Fuß eine Leuchte, ein Licht für ihren Pfad“ (Ps 119).

Gottes Wort erweist sich als Stern in der Dunkelheit. Es zeigt die Richtung, gibt Orientierung, schenkt Hoffnung und Zuversicht.

 

Die Sterndeuter werden in Jerusalem zum Lesen der Heiligen Schrift geführt.

Die Bibel selber, so will die Geschichte uns zu verstehen geben, sagt den Weisen, dass ihr Weg zum „neu geborenen König der Juden“ nicht in Jerusalem, der großen, prächtigen Hauptstadt endet, sondern darüber hinausführt ins kleine Bethlehem..

Im Licht der Schrift geschieht Wandlung möglicher Täuschung.

Im Licht der Schrift geschieht Reinigung, Läuterung aller Vorstellungen, Bilder, Meinungen und Festlegungen.

 

Heiden schenken der Verheißung Vertrauen und glauben dem Wort der Schrift. Sie gehorchen und finden zu Jesus, dem Heiland der Welt und ehren ihn – die Führer Israels aber nicht!

 

8. Es sind Menschen, die sich von Herzen freuen können

„Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie mit sehr großer Freude erfüllt“.

Eine Riesenfreude, unbändig! Der Evangelist häuft die Worte, um das Übermaß ihres Glücks zu beschreiben, eine Freude, wie sie bei dem machthungrigen, ichsüchtigen und doch angsterfüllten Herodes nie aufkommen konnte. Es ist das Glück des belohnten Vertrauens. Es ist die Freude aus der erfahrenen Gewissheit, bei allem Auf und Ab des Lebens, inmitten aller Turbulenzen und Anfechtung dennoch geführt zu werden.

 

Wer es einmal an sich selbst erfahren hat, wie nach Zeiten der Ungewissheit und Ratlosigkeit plötzlich die Gewissheit wieder Platz greift, die Gewissheit nämlich, dass ich mit meinem Leben auf der richtigen Spur bin, wird den Jubel verstehen, der die Weisen erfasst, als sie ihren Stern wieder erblicken, der in Jerusalem offensichtlich aus ihrem Blickfeld verschwunden war.

Dann erreichen sie das lang ersehnte Ziel, das mit knappen Worten beschrieben wird:

„Sie traten in das Haus und sahen das Kind und Maria seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm.“

 

9. Es sind Menschen, die ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen verlassen können.

Zu jedem Aufbruch gehört auch das Ankommen: Ein Künstler möchte bei seinem Publikum ankommen, ein Bergsteiger auf dem Gipfel. Angekommen sind wir, wenn eine Sehnsucht sich erfüllt.

 

Der Weg der drei Könige ist weit. Ihre Füße werden müde, ihr Herz schwer. Aber sie halten durch – und kommen endlich an.

Sie finden aber kein Königskind in prächtiger Aufmachung.

Ihre Reise endet vor dem Wickelkind Marias.

Ein kleines, hilfloses Kind, ein erbarmungswürdiges Wesen!

Und Gott in diesem Menschenkind!

 

Die Weisen aus dem Morgenland setzen nicht selbst die Bedingungen fest, unter denen sie Gott finden.

Sie lassen sich hinabführen in die Niedrigkeit und Armut.

Und huldigen dem Säugling auf dem Schoß einer armen Mutter.

 

Das Große daran:

Die Weisen erkennen in dem Kind den Heiland, den Erlöser der Welt.

Sie werden an dem Kind nicht irre und zweifeln nicht.

Sie stoßen sich nicht an seiner Geringheit und Niedrigkeit, sondern verbeugen sich.

Ohne Zögern werfen sie sich nieder. Sie verneigen sich ganz tief.

Sie erkennen und erfahren die Gegenwart Gottes in diesem Kind.

Und schweigend huldigen sie. Sie beugen sich herunter zu Gott, der herunterkam zu uns, aus Liebe, für uns (pro nobis), um unseres Heiles willen (propter nostram salutem).

 

Gott hat es nicht nötig, groß dazustehen.

Er erscheint diskret in einem Kind, in einfacher Form, leicht zu übersehen. Wer sich versenkt in dieses Kind, - „in deine Lieb‘ versenken will ich mich ganz hinab“ -, wer sich anrühren lässt, der entdeckt das Wunder, der hat eine Erscheinung des wahren Herrn der Welt. Da geschieht Epiphanie.

 

Welch ein Vertrauen ist notwendig, um auf ein Kind aus einem fremden Volk, auf ein Ausländerkind, ein Kind armer Leute, geboren in einem Stall und in einem Futtertrog liegend die eigene Hoffnung zu setzen?!

Gott: nicht in Macht, sondern Ohnmacht, nicht in Herrlichkeit, sondern Ärmlichkeit, nicht in Wonne, sondern in Windeln, nicht mit Zepter und Krone, sondern Krippe und Kreuz. „Seht die Demut Gottes!“ (Franziskus)

 

Loslassen kann für uns heißen: mit den Weisen niederfallen vor der Wahrheit, auch wenn sie uns in anderer Gestalt entgegenkommt wie wir erwartet haben, ganz alltäglich, einfach und schlicht, im Gewand der Armut und Erbärmlichkeit meines Lebens und meiner Umgebung.

 

10. Es sind Menschen, deren Suchen und Fragen, Sehnen und Hoffen an ein Ziel kommt und in der Anbetung zur Vollendung gelangt.

Es sind Menschen, die IHN finden.

IHN finden, das ist es, worauf es ankommt.

Alle Fragwürdigkeiten und Dunkelheiten, alle Verständnislosigkeiten und Bedrohungen, alle Mühen und Gefahren sind vergessen.

Sie finden IHN.

Und in einer wunderbaren Gebärde treten sie vor den Herrn.

Sie sind überwältigt. Sie beten ihn an.

 

Das war ja das Anliegen ihrer Reise:

„Wir sind gekommen, ihn anzubeten“, lautete kurz und bündig ihre Antwort Herodes gegenüber.

Anbetung ist aber nicht nur ein innerlicher Akt. Es geschieht auch nicht nur mit dem Kopf.

Sie zeigt sich auch im Leiblichen. Der Leib betet mit.

Gebet drängt dazu, sich auch leibhaft auszudrücken. Der Leib wird Gebet.

Von Papst Johannes XXIII. stammt das Wort:

„Ein Mensch ist nie größer als dann, wenn er kniet.“

Die Weisen knien nieder, sie werfen sich nieder. Ihr ganzes Wesen ist gesammelt in der Huldigung, in Anbetung und Hingabe.

 

Jahrzehnte später fallen brutale Soldaten vor dem mit einem Soldatenmantel bekleideten und mit Dornen gekrönten Jesus nieder und verspotten ihn: „Heil dir, König der Juden!“

Welche Gegensätze: Sich ehrfürchtig niederwerfen einerseits und ehrfurchtsloses Verhöhnen und Verwerfen andererseits.

 

Sich niederwerfen ist eine Geste der Demut, der Hingabe.

Augustinus hat die humilitas, die Demut, als den Kern des Christusgeheimnisses erklärt. Wie Recht er hat, zeigen die Weisen.

Edith Stein sagt: „Das innerste Wesen der Liebe ist Hingabe!“

Welch anderes Ziel hat alles Suchen und Finden Gottes als das der Anbetung und Hingabe, der devotio, der Gottesverehrung, der Übereignung des Herzens?

 

Alfred Delp schrieb an Epiphanie 1945 mit gefesselten Händen:

„Das gebeugte Knie und die hingehaltenen leeren Hände sind die beiden Urgebärden des freien Menschen.“

Und: „Brot ist wichtig, Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber ist die unverratene Anbetung.“

 

Kardinal Kurt Koch, der frühere Bischof von Basel, schreibt:

„Anbetung ist heute ein arg unmodern gewordenes Wort. Aber es ist nicht weniger ein arg gefährliches Wort. Denn wer vor diesem Kind niederfällt, dem ist es verwehrt, auch noch vor jemandem anderem niederzufallen und in die Knie zu gehen.

Die Anbetung des Kindes enthält so einen elementaren Herrschaftswechsel: Nicht die Königsthrone in Jerusalem und auch nicht unsere heutigen Throne und Gewalten sollen und dürfen unser Leben, Denken und Handeln bestimmen, sondern allein das Kind in der Krippe.“

 

Nach der dritten Versuchung in der Wüste sagt Jesus zum Teufel:

„Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“

 

Von Theilhard de Chardin stammt das Wort:

„Je mehr der Mensch Mensch wird, umso mehr wird er von dem Bedürfnis gepackt, anzubeten.“

 

Wir können uns fragen:

Die Anbetung Gottes: Welchen Stellenwert hat sie in meinem Leben? Ob wir nicht auch darin von den Sterndeutern lernen können? Zur Anbetung gehört immer auch der Dank.

 

11. Es sind Menschen, die Gaben bringen

Die Weisen kommen nicht mit leeren Händen. Es sind schenkende Menschen. Sie holen ihre Schätze hervor.

Sie bringen Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben.

Es sind keine Geschenke für den täglichen Bedarf. Die heilige Familie hätte in diesem Augenblick andere Dinge wohl nötiger gehabt und besser gebrauchen können.

 

Gold, Weihrauch und Myrrhe haben symbolische Bedeutung:

Gold geben sie dem König der Welt, dem Gott-König. Es ist ein königliches Geschenk.

Weihrauch ist ein priesterliches Geschenk. Weihrauch geben sie dem wahren Gott.

„Wie Weihrauch steige mein Gebet zu dir auf!“ betet der Psalmist.

Weihrauch gilt in vielen Religionen als Zeichen der Verehrung Gottes.

Myrrhe ist eine Totengabe. Myrrhe geben sie dem Erlöser, dem, der für uns gelitten hat, gestorben ist und begraben wurde. Es ist Sinnbild des Leidens.

 

Die Weisen kommen mit Gaben. Sie bringen das Gold ihrer Liebe, den Weihrauch ihrer Ehrfurcht, die Myrre ihrer Schmerzen.

Doch die mitgeschleppten, gutgemeinten Schätze, die sie darbringen, sind letztlich nichts im Vergleich zu dem, was sie empfangen!

Letztlich sind sie selber die Beschenkten, reich beschenkt, beschenkt mit SEINEM Licht, mit SEINEM Heil, mit SEINER Gnade.

 

Wunderschön ist das ausgedrückt in einer Weihnachtspräfation: „Einen wunderbaren Tausch hast du vollzogen: dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch, und wir sterbliche Menschen empfangen in Christus das göttliche Leben.“

 

Einmal werden wir für immer ankommen – im Herzen Gottes, unserem ewigen Zuhause. Vieles wird uns auf dem Weg nicht gelingen und vieles wird verloren gehen.

Gold der Liebe, Weihrauch der Sehnsucht und Myrre der Schmerzen haben wir immer bei uns. Gott wird sie annehmen, wenn wir bei ihm ankommen, der uns mit liebender und ewiger Sehnsucht erwartet.

 

12. Es sind Menschen, die ihren Träumen trauen

„Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg in ihr Land.“

 

Es sind feinsinnige, sensible Menschen.

Sie nehmen wahr, was um sie herum und in ihnen vor sich geht.

Die Weisen haben eine Antenne für die Botschaften der Nacht.

Für Träume und Visionen, die in stillen Stunden aus der Seele aufsteigen.

Sie nehmen sie wahr. Sie trauen ihnen. Sie folgen der Weisung, die sie im Traum bekommen haben.

 

Nelly Sachs hat in einem Gedicht den Vers:

„Wenn die Propheten einbrächen / durch die Türe der Nacht / und ein Ohr wie eine Heimat suchten, / würdest du hören, / hättest du ein Herz zu vergeben?“ Und: „Ihr Ungeübten, die in den Nächten nichts lernen. Viele Engel sind euch gegeben. Aber ihr seht sie nicht.“

 

13. Es sind veränderte Menschen

Die Weisen machen sich wieder auf die Heimreise. Sie ist vermutlich nicht weniger mühevoll als die Hinreise.

Wie mag es ihnen unterwegs ergangen sein?

Wie war ihnen wohl zumute?

Worüber werden sie gesprochen haben?

Und wie sah wohl ihr weiteres Leben aus? Wir wissen es nicht.

 

Nur eines ist klar: Sie kehren nicht zurück zu den etablierten Repräsentanten der weltlichen und religiösen Macht in Jerusalem.

Diese Straße war ihnen auf Grund göttlicher Weisung verwehrt.

Sie war für sie, die vor dem Kind gekniet hatten, nicht mehr gangbar.

So nehmen sie einen anderen Weg, weg von Jerusalem, der ihnen die Flucht ermöglichte.

 

Charles de Foucauld sagt:

„Wenn man Jesus gesehen hat, muss man auf anderen Wegen heimkehren, auf dem Weg der Bekeh­rung, nicht auf dem Weg der Vergangenheit.“ Da kann man nicht mehr so weiter machen wie bisher, da ist man herausgefordert, einen anderen Weg zu gehen.

 

Das Leben ist verwandelt. Die Weisen können nicht mehr zurück zu Herodes, nicht mehr im Bund sein mit dem mächtigen und grausamen Herrscher, der im Kind von Bethlehem einen Konkurrenten sieht, der nur so tut als wolle er auch huldigen, in Wirklichkeit aber das Kind aus der Welt schaffen will.

 

Die Weisen können nicht mehr die gleichen Wege gehen, die alten Wege wie vorher. Auf einem anderen Weg ziehen sie, „entweichen sie“ (Fridolin Stier) zurück in ihr Land.

 

Dürfen wir sagen: als anders gewordene?

Hat ihr Leben durch die Begegnung mit dem Kind eine neue Dimension gewonnen?

Hat eine Veränderung stattgefunden?

Hat sich ihnen eine neue Sicht der Dinge aufgetan?

Sie, die in der Anbetung in ein neues Kraftfeld eingetreten sind, werden sie die Wege des Kindes gehen, vorbei an den Auftrumpfenden und Mächtigen dieser Welt?

Wird es der Weg in der Gesinnung Jesu sein? In seinen Spuren? Aus seinem Geist? Entsprechend seiner Art und Haltung?

 

Der Weg des Kind gewordenen Gottes ist der Weg der Liebe, nicht des Hasses, der Weg des Friedens, nicht der Gewalt, der Weg des Verzeihens und nicht des Vergeltens.

Nicht Herrschen um jeden Preis, sondern Dienen; nicht geizen und gieren, sondern empfangen und schenken.

Nur die Liebe kann die Welt verwandeln, so ohnmächtig diese Liebe auch erscheint.

 

Den Schöpfer des Alls haben die Weisen gefunden und ihn gesehen als Mensch, als Kind. In der Begegnung mit ihm, im stillen Knien und Schauen und Staunen, im Sich-Hinneigen und Sich-ihm-Hingeben, IHM, der sich aus Liebe für uns hingegeben hat, geschieht „Verwandlung“.

Erschienen ist die Güte und Menschenliebe Gottes – in diesem Kind.

Seine Liebe will unsere Liebe wecken. Seine Liebe ruft unsere Liebe.

 

Ob die Weisen ahnen, dass dieses Kind einmal sagen wird: „Ich bin der Weg“ und dass an seinem Kreuz tatsächlich einmal die Inschrift stehen wird: „König der Juden“?

 

Es ist wie bei den Jüngern nach dem Taborerlebnis.

Die Weisen müssen zurück in ihren Alltag, in ihr Leben.

Die Erfahrungen von Gottes Nähe sind vorübergehend.

Wir spüren nicht immer seine Gegenwart.

Aber wir dürfen vertrauen, dass er bei uns bleibt und alle Wege mit uns geht, bis wir ihn endgültig finden und immer bei ihm sind im Licht seiner Herrlichkeit.

Ich stelle mir vor, dass ihr Rückweg geprägt ist von Dankbarkeit und Freude und vor allem von einem tiefen Glauben an das Wunder von Bethlehem.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

ich kann Ihnen und mir nur wünschen, dass wir eine Sehnsucht spüren in unserem Herzen, ihr Raum geben, immer wieder aufbrechen und unterwegs bleiben, sei es auch noch so beschwerlich. IHN suchen, um IHN zu finden und IHM zu begegnen.

 

Wir können ihm täglich begegnen in seinem Wort und Sakrament, aber auch mitten in unserem Alltag, in der Begegnung mit den Menschen, im Bruder in der Schwester, in der Schönheit der Schöpfung.

Ignatius sagt: „In allem können wir Gott finden.“

 

Von Annette Feigs gibt es diesbezüglich folgenden Text:

„Überall dort, wo wir Schönheit entdecken, leuchtet sein Licht.

Überall dort, wo wir Freude erleben, wird sein Hauch spürbar.

Überall dort, wo wir einander zuhören, wirkt sein Geist.

Überall dort, wo wir uns um das Du bemühen, trägt uns seine Kraft.

Überall dort, wo wir liebevoll miteinander umgehen, lässt er sich finden.“

 

Und Rudolf Pesch schreibt:

„Im Lächeln des Kindes, im Blick des geliebten Menschen, im dankbaren Auge des Beschenkten, im sorgendurchfurchten Gesicht des Kranken - in jeder liebenden Bewegung des Herzens, in jedem Dank, jedem Du leuchtet uns das Bild Christi auf; es geschieht Epiphanie.“

 

Und vielleicht geht es uns dann auch hier und da wie den Weisen, dass wir angerührt und überwältigt sind. Und alles ist gut, alles ist geborgen. Gott führt und leitet. IHM kann man vertrauen. Das macht Mut und gibt Hoffnung. Dann kann man getrost weiterziehen, vielleicht auch „auf anderen Wegen“.

 

Schluss

Es sind symbolische Gestalten, exemplarische Menschen, jene Sterndeuter aus dem Osten. Sie sind einem Zeichen gefolgt und sind nun selber für uns zu einem Zeichen geworden.

 

Und so ist in diesem Evangelium von mir und von dir die Rede, von unserer Reise zu Gott, von unserer Erlösungsbedürftigkeit, von unserer Sehnsucht nach Sinn und Ziel und Glück, von unseren Wegen und Mühen, von unserem Suchen, Fragen und Finden und von unserem Stern.

 

Mögen Sie, die Weisen aus dem Morgenland, diese königlichen Menschen, uns mit ihrem leidenschaftlichen Suchen und Fragen anstecken und zu immer neuem Aufbrechen und Christus-entgegen-Gehen ermutigen. Dann hat unser Leben ein Ziel und einen Sinn und wir können es vertrauensvoll wagen.

 

Die Weisen sagen uns auch:

Halte dich nicht bei den Mächtigen dieser Erde auf und bei den Schriftgelehrten, die blind und taub sind für die Wunder Gottes! - Geh deinen eigenen Weg! Suche weiter! Frage aufrichtig und ernsthaft! Blicke dabei auf zu deinem Stern! So wirst du zu dem gelangen, der dich rettet. Und dein Herz wird erfüllt sein von Freude, einer Freude, wie nur Gott sie geben kann. 

 

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