6. Die Weisen sind Menschen, die in
Jerusalem auf Kontrastgestalten, Gegenbilder, entgegengesetzte Typen
treffen.
Ganz unbefangen stellen die Weisen in
Jerusalem die Frage:
„Wo ist der neugeborene König der Juden?“
Aber diese Frage erregt nicht begeisterte
Aufmerksamkeit, sondern Angst. Die Reaktion: Entsetzen statt Freude,
anstatt Jubel Verunsicherung.
Herodes und mit ihm ganz Jerusalem
erschrickt. Und eine hektische Betriebsamkeit entfaltet sich. Eiligst
werden alle Hohepriester und Schriftgelehrten (das ganze „Wissen“ des
Landes) zusammengerufen.
Was hat sich in Jerusalem abgespielt?
Die Erzählung schildert die Dinge nicht
im Detail, eher summarisch.
Aber eines ist sicher: Die Weisen treffen
in Jerusalem auf ein verständnisloses Ambiente.
Offenbar wird der krasse Gegensatz
zwischen ihnen und der dortigen politischen und religiösen Führung.
Jerusalem ist das Zentrum der politischen
Macht und der religiösen Überlieferung.
König Herodes
sowie die Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes vertreten
dieses Macht- und Religionszentrum.
Es sind Kontrastgestalten, weil es sich
um Mensch mit ganz anderen Lebensinhalten, Lebensgewohnheiten und
Lebenseinstellungen handelt.
Die Hohepriester und Schriftgelehrten
Die theologisch Sach- und Fachkundigen,
wissen zwar Bescheid, sie kennen die Messiasdogmatik und merken und
begreifen doch nichts.
Die religiösen Profis
wissen scheinbar alles ganz genau, sie wissen wo’s lang geht, aber sie
gehen nicht und suchen nicht. Sie bleiben verstockt.
Die
„Hüter der Wahrheit“
kennen sich aus in der heiligen Schrift und sind doch
ahnungslos, blind und taub. Es reißt keinen von ihnen vom Hocker. Sie
bleiben im Zitieren stecken. Das gespeicherte Wissen bleibt auf
bestürzende Weise steril. Ihnen geht kein Stern auf.
„Wegweiser“
sind sie, die den Weg selber nicht gehen.
Ihr religiöses Wissen bleibt erschreckend
folgenlos, ohne persönliche Konsequenzen.
Sie können zwar prompt Antwort geben, als
sie nach dem Geburtsort des Messias gefragt werden, aber bewegen tun sie
sich nicht.
Es scheint, der schwierigste Schritt auf
dem Weg zur Begegnung mit dem menschgewordenen Gottkönig ist gar nicht
mal die lange Reise aus dem Osten in die jüdische Hauptstadt, sondern
die letzten Kilometer von Jerusalem nach Bethlehem.
Eine schreckliche Vision von Religion tut
sich da auf:
Die richtigen Wege wissen, die Wege
Gottes zum Menschen, die Wege des Menschen zu Gott, aber selbst nicht
diese Wege gehen!
Wie kommt das? Warum bleiben die
Hohepriester und Schriftgelehrten innerlich kalt und ungerührt? Was
fehlt ihnen?
Was hindert sie, sich in Bewegung zu
setzen, hinauszugehen, nach dem Kind zu forschen, sich anrühren zu
lassen?
Ist es so etwas wie Selbstsicherheit oder
Selbstgerechtigkeit?
Haben sie ihr Urteil, ihr Weltbild und
darüber hinaus gibt es nichts?
Alles andere ist Phantasterei, im Grunde
Spinnerei, auf die man sich nicht einlässt? Das System wie man glaubt,
denkt und lebt, funktioniert doch gut. Man will keine Störung des
religiösen Betriebs.
Oder ist es Kleinkariertheit? Man traut
Gott nicht mehr zu als sich selbst.
Unmöglich, dass Gott so groß ist, dass er
klein werden könnte, dass er wirklich auf uns zuginge und ein Kind
würde?
Steckt vielleicht auch ein wenig
Herdengeist darin?
Was würden die anderen sagen, wenn man
plötzlich so abenteuerlich wäre und hinausginge zu schauen und zu
huldigen?
Diesem Verdacht, so unvernünftig zu sein,
will man sich nicht aussetzen.
Oder ist es ihr Stolz? Bilden sie sich
ein, keine Gottsuche mehr zu brauchen, weil sie über ihn schon so viel
wissen?
Oder fehlt ihnen die Demut, sich dem
Größeren zu beugen?
Fehlt die Demut als Mut, das ganz Große
zu glauben?
Zu glauben, dass Gott zu uns kommt, dass
er reines Entgegenkommen ist, bedingungslose Liebe, die den Menschen
sucht, sich seiner annimmt und erbarmt?
Aber hat man Liebe und Erbarmen überhaupt
nötig?
Ist man nicht in Ordnung? Lebt man nicht
korrekt und einwandfrei?
Oder fehlt den Hohepriestern und
Schriftgelehrten das Kindsein des Herzens?
Fehlt ihnen die Fähigkeit des Staunens,
des Sich-erschüttern-Lassens und des Aus-sich-Herausgehens, um sich
einlassen zu können auf Neues, auf IHN und Seinen Weg?
Jedenfalls, die Sterndeuter, Vertreter
der Heidenvölker, finden zum neugeborenen König der Juden, werfen sich
vor ihm nieder und glauben. Die Fachmänner des Jahweglaubens aber, die
religiöse Elite Israels erkennt den verheißenen Hirten des Volkes nicht.
Das Schicksal Jesu deutet sich schon an.
Man wird ihn ablehnen und verwerfen.
Jahrzehnte später verhöhnen die
Hohepriester, die Schriftgelehrten und Ältesten Jesus und sagen:
„Er ist doch der König von Israel! Er
soll vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben“ (Mt 27,
42).
Wir können uns fragen:
Wo gleich ich den Schriftgelehrten und
Hohepriestern?
Ist mein Glaubenswissen toter Buchstabe,
steril, ohne Konsequenzen?
Ist meine religiöse Praxis erstarrt, nur
noch Routine und Trott? Und ich gebe mich damit zufrieden?
Und Herodes?
Wir wissen: Er war diplomatisch geschickt
und wirtschaftlich tüchtig. Wenn es aber um seinen Thron ging, konnte er
zur blutrünstigen Bestie werden.
Er hört: „neugeborener König der
Juden“ und schon fürchtet er Konkurrenz. Schon sieht er seinen Thron
wackeln.
Er ruft die Sterndeuter heimlich zu sich
und läßt sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war.
Dann schickt er sie nach Bethlehem und
trägt ihnen auf, sorgfältig nachzuforschen, wo das Kind ist.
Wenn sie es gefunden haben, sollen sie
ihm Bericht erstatten, „damit“, so sagt er „auch ich hingehe
und ihm huldige“.
Aber er heuchelt nur Interesse. In
Wirklichkeit hat Herodes etwas ganz anderes im Sinn.
Herodes
ist hinterhältig, verlogen, machtbesessen.
Der Messias, die Erfüllung der tiefsten
Hoffnung des jüdischen Volkes löst bei ihm nicht Freude, sondern Furcht
und Entsetzen aus. Er hat Angst, seine Macht zu verlieren.
Herodes
ist ein ausgesprochener Ich-Mensch. Er sieht nur den eigenen Vorteil.
Seine Herrschaft gründet auf Gewalt. Um sie zu sichern, ist er zu allem
fähig. Jedes Mittel ist ihm recht. Nicht von ungefähr hat er alle
Mitglieder der eigenen Familie, die ihm gefährlich werden konnten,
umbringen lassen.
Herodes
hatte ein ausgebildetes Spitzelsystem, die sogenannten Spiculatores, die für
den Verfolgungswahn des Königs Nachrichten und Material lieferten.
Von daher passt auch die Erzählung vom
Massenmord an Kindern (Kindermord von Bethlehem) nahtlos in die
Geschichte, auch wenn sich nicht alle Details rekonstruieren lassen.
Jedenfalls, um sein Regime zu sichern,
schreckte Herodes vor nichts zurück.
Wir können uns fragen:
Wo gleiche ich Herodes?
Wieviel Herodianisches ist in mir selbst?
Wo kenne ich nur mein Ansehen, meinen
Stolz, meine Macht?
7. Weisung aus der Schrift.
Der Stern war den Weisen Wegweiser. Der
Stern allein genügte nicht. Das Lesen der Bibel, die Auskunft aus der
Schrift gibt den entscheidenden Hinweis.
Ein Bibelwort (Micha 5, 1 - 3) wird „ihrem Fuß eine Leuchte, ein Licht für ihren Pfad“ (Ps 119).
Gottes Wort erweist sich als Stern in der
Dunkelheit. Es zeigt die Richtung, gibt Orientierung, schenkt Hoffnung
und Zuversicht.
Die Sterndeuter
werden in Jerusalem zum Lesen der Heiligen Schrift geführt.
Die Bibel selber, so will die Geschichte
uns zu verstehen geben, sagt den Weisen, dass ihr Weg zum „neu
geborenen König der Juden“ nicht in Jerusalem, der großen,
prächtigen Hauptstadt endet, sondern darüber hinausführt ins kleine
Bethlehem..
Im Licht der Schrift geschieht Wandlung
möglicher Täuschung.
Im Licht der Schrift geschieht Reinigung,
Läuterung aller Vorstellungen, Bilder, Meinungen und Festlegungen.
Heiden
schenken der Verheißung Vertrauen und glauben dem Wort der Schrift. Sie
gehorchen und finden zu Jesus, dem Heiland der Welt und ehren ihn – die
Führer Israels aber nicht!
8. Es sind Menschen, die sich von Herzen
freuen können
„Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor
ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie
den Stern sahen, wurden sie mit sehr großer Freude erfüllt“.
Eine Riesenfreude, unbändig! Der
Evangelist häuft die Worte, um das Übermaß ihres Glücks zu beschreiben,
eine Freude, wie sie bei dem machthungrigen, ichsüchtigen und doch
angsterfüllten Herodes nie aufkommen konnte. Es ist das Glück des
belohnten Vertrauens. Es ist die Freude aus der erfahrenen Gewissheit,
bei allem Auf und Ab des Lebens, inmitten aller Turbulenzen und
Anfechtung dennoch geführt zu werden.
Wer es einmal an sich selbst erfahren
hat, wie nach Zeiten der Ungewissheit und Ratlosigkeit plötzlich die
Gewissheit wieder Platz greift, die Gewissheit nämlich, dass ich mit
meinem Leben auf der richtigen Spur bin, wird den Jubel verstehen, der
die Weisen erfasst, als sie ihren Stern wieder erblicken, der in
Jerusalem offensichtlich aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
Dann erreichen sie das lang ersehnte
Ziel, das mit knappen Worten beschrieben wird:
„Sie traten in das Haus und sahen das
Kind und Maria seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm.“
9. Es sind Menschen, die ihre eigenen
Wünsche und Vorstellungen verlassen können.
Zu jedem Aufbruch gehört auch das
Ankommen: Ein Künstler möchte bei seinem Publikum ankommen, ein
Bergsteiger auf dem Gipfel. Angekommen sind wir, wenn eine Sehnsucht
sich erfüllt.
Der Weg der drei Könige ist weit. Ihre
Füße werden müde, ihr Herz schwer. Aber sie halten durch – und kommen
endlich an.
Sie finden aber kein Königskind in
prächtiger Aufmachung.
Ihre Reise endet vor dem Wickelkind
Marias.
Ein kleines, hilfloses Kind, ein
erbarmungswürdiges Wesen!
Und Gott in diesem Menschenkind!
Die Weisen aus dem Morgenland setzen
nicht selbst die Bedingungen fest, unter denen sie Gott finden.
Sie lassen sich hinabführen in die
Niedrigkeit und Armut.
Und huldigen dem Säugling auf dem Schoß
einer armen Mutter.
Das Große daran:
Die Weisen erkennen in dem Kind den
Heiland, den Erlöser der Welt.
Sie werden an dem Kind nicht irre und
zweifeln nicht.
Sie stoßen sich nicht an seiner
Geringheit und Niedrigkeit, sondern verbeugen sich.
Ohne Zögern werfen sie sich nieder. Sie
verneigen sich ganz tief.
Sie erkennen und erfahren die Gegenwart
Gottes in diesem Kind.
Und schweigend huldigen sie. Sie beugen
sich herunter zu Gott, der herunterkam zu uns, aus Liebe, für uns (pro
nobis), um unseres Heiles willen (propter nostram salutem).
Gott hat es nicht nötig, groß dazustehen.
Er erscheint diskret in einem Kind, in
einfacher Form, leicht zu übersehen. Wer sich versenkt in dieses Kind, -
„in deine Lieb‘ versenken will ich mich ganz hinab“ -, wer sich
anrühren lässt, der entdeckt das Wunder, der hat eine Erscheinung des
wahren Herrn der Welt. Da geschieht Epiphanie.
Welch ein Vertrauen
ist notwendig, um auf ein Kind aus einem fremden Volk, auf ein
Ausländerkind, ein Kind armer Leute, geboren in einem Stall und in einem
Futtertrog liegend die eigene Hoffnung zu setzen?!
Gott:
nicht in Macht, sondern Ohnmacht, nicht in Herrlichkeit, sondern
Ärmlichkeit, nicht in Wonne, sondern in Windeln, nicht mit Zepter und
Krone, sondern Krippe und Kreuz. „Seht die Demut Gottes!“
(Franziskus)
Loslassen kann für uns heißen: mit den
Weisen niederfallen vor der Wahrheit, auch wenn sie uns in anderer
Gestalt entgegenkommt wie wir erwartet haben, ganz alltäglich, einfach
und schlicht, im Gewand der Armut und Erbärmlichkeit meines Lebens und
meiner Umgebung.
10. Es sind Menschen, deren Suchen und
Fragen, Sehnen und Hoffen an ein Ziel kommt und in der Anbetung zur
Vollendung gelangt.
Es sind Menschen, die IHN finden.
IHN finden, das ist es, worauf es
ankommt.
Alle Fragwürdigkeiten und Dunkelheiten,
alle Verständnislosigkeiten und Bedrohungen, alle Mühen und Gefahren
sind vergessen.
Sie finden IHN.
Und in einer wunderbaren Gebärde treten
sie vor den Herrn.
Sie sind überwältigt. Sie beten ihn an.
Das war ja das Anliegen ihrer
Reise:
„Wir sind gekommen, ihn anzubeten“,
lautete kurz und bündig ihre Antwort Herodes gegenüber.
Anbetung
ist aber nicht nur ein innerlicher Akt. Es geschieht auch nicht nur mit
dem Kopf.
Sie zeigt sich auch im Leiblichen. Der
Leib betet mit.
Gebet drängt dazu, sich auch leibhaft
auszudrücken. Der Leib wird Gebet.
Von Papst Johannes XXIII. stammt das
Wort:
„Ein Mensch ist nie größer als dann, wenn
er kniet.“
Die Weisen knien nieder, sie werfen sich
nieder. Ihr ganzes Wesen ist gesammelt in der Huldigung, in Anbetung
und Hingabe.
Jahrzehnte später fallen brutale Soldaten
vor dem mit einem Soldatenmantel bekleideten und mit Dornen gekrönten
Jesus nieder und verspotten ihn: „Heil dir, König der Juden!“
Welche Gegensätze: Sich ehrfürchtig
niederwerfen einerseits und ehrfurchtsloses Verhöhnen und Verwerfen
andererseits.
Sich niederwerfen ist eine Geste der
Demut, der Hingabe.
Augustinus
hat die humilitas, die Demut, als den Kern des
Christusgeheimnisses erklärt. Wie Recht er hat, zeigen die Weisen.
Edith Stein sagt:
„Das innerste Wesen der Liebe ist Hingabe!“
Welch anderes Ziel hat alles Suchen und
Finden Gottes als das der Anbetung und Hingabe, der devotio, der
Gottesverehrung, der Übereignung des Herzens?
Alfred Delp schrieb an Epiphanie 1945 mit
gefesselten Händen:
„Das gebeugte Knie und die hingehaltenen leeren Hände
sind die beiden Urgebärden des freien Menschen.“
Und:
„Brot ist wichtig, Freiheit ist wichtiger, am
wichtigsten aber ist die unverratene Anbetung.“
Kardinal Kurt Koch, der frühere Bischof von Basel,
schreibt:
„Anbetung ist heute ein arg unmodern
gewordenes Wort. Aber es ist nicht weniger ein arg gefährliches Wort.
Denn wer vor diesem Kind niederfällt, dem ist es verwehrt, auch noch vor
jemandem anderem niederzufallen und in die Knie zu gehen.
Die Anbetung des Kindes enthält so einen
elementaren Herrschaftswechsel: Nicht die Königsthrone in Jerusalem und
auch nicht unsere heutigen Throne und Gewalten sollen und dürfen unser
Leben, Denken und Handeln bestimmen, sondern allein das Kind in der
Krippe.“
Nach der dritten Versuchung in der Wüste sagt Jesus zum
Teufel:
„Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du
dich niederwerfen und ihm allein dienen.“
Von Theilhard de Chardin stammt das Wort:
„Je mehr der Mensch Mensch wird, umso mehr wird er von
dem Bedürfnis gepackt, anzubeten.“
Wir können uns fragen:
Die Anbetung Gottes: Welchen Stellenwert
hat sie in meinem Leben? Ob wir nicht auch darin von den Sterndeutern
lernen können? Zur Anbetung gehört immer auch der Dank.
11. Es sind Menschen, die Gaben bringen
Die Weisen kommen nicht mit leeren
Händen. Es sind schenkende Menschen. Sie holen ihre Schätze hervor.
Sie bringen Gold, Weihrauch und Myrrhe
als Gaben.
Es sind keine Geschenke für den täglichen
Bedarf. Die heilige Familie hätte in diesem Augenblick andere Dinge wohl
nötiger gehabt und besser gebrauchen können.
Gold, Weihrauch und Myrrhe
haben symbolische Bedeutung:
Gold
geben sie dem König der Welt, dem Gott-König. Es ist ein königliches
Geschenk.
Weihrauch
ist ein priesterliches Geschenk. Weihrauch geben sie dem wahren Gott.
„Wie Weihrauch steige mein Gebet zu dir auf!“
betet der Psalmist.
Weihrauch gilt in vielen Religionen als
Zeichen der Verehrung Gottes.
Myrrhe
ist eine Totengabe. Myrrhe geben sie dem Erlöser, dem, der für uns
gelitten hat, gestorben ist und begraben wurde. Es ist Sinnbild des
Leidens.
Die Weisen kommen mit Gaben. Sie bringen
das Gold ihrer Liebe, den Weihrauch ihrer Ehrfurcht, die Myrre ihrer
Schmerzen.
Doch die mitgeschleppten, gutgemeinten
Schätze, die sie darbringen, sind letztlich nichts im Vergleich zu dem,
was sie empfangen!
Letztlich sind sie selber die
Beschenkten, reich beschenkt, beschenkt mit SEINEM Licht, mit SEINEM
Heil, mit SEINER Gnade.
Wunderschön ist das ausgedrückt in einer
Weihnachtspräfation: „Einen wunderbaren Tausch
hast du vollzogen: dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch,
und wir sterbliche Menschen empfangen in Christus das göttliche Leben.“
Einmal werden wir für immer ankommen – im
Herzen Gottes, unserem ewigen Zuhause. Vieles wird uns auf dem Weg nicht
gelingen und vieles wird verloren gehen.
Gold der Liebe, Weihrauch der Sehnsucht
und Myrre der Schmerzen haben wir immer bei uns. Gott wird sie annehmen,
wenn wir bei ihm ankommen, der uns mit liebender und ewiger Sehnsucht
erwartet.
12. Es sind Menschen, die ihren Träumen
trauen
„Weil ihnen aber im Traum geboten wurde,
nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg in ihr
Land.“
Es sind feinsinnige, sensible Menschen.
Sie nehmen wahr, was um sie herum und in
ihnen vor sich geht.
Die Weisen haben eine Antenne für die
Botschaften der Nacht.
Für Träume und Visionen, die in stillen
Stunden aus der Seele aufsteigen.
Sie nehmen sie wahr. Sie trauen ihnen.
Sie folgen der Weisung, die sie im Traum bekommen haben.
Nelly Sachs hat in einem Gedicht den
Vers:
„Wenn die Propheten einbrächen / durch die Türe der Nacht
/ und ein Ohr wie eine Heimat suchten, / würdest du hören, / hättest du
ein Herz zu vergeben?“
Und: „Ihr Ungeübten, die in den
Nächten nichts lernen. Viele Engel sind euch gegeben. Aber ihr seht sie
nicht.“
13. Es sind veränderte Menschen
Die Weisen machen sich wieder auf die
Heimreise. Sie ist vermutlich nicht weniger mühevoll als die Hinreise.
Wie mag es ihnen unterwegs ergangen sein?
Wie war ihnen wohl zumute?
Worüber werden sie gesprochen haben?
Und wie sah wohl ihr weiteres Leben aus?
Wir wissen es nicht.
Nur eines ist klar:
Sie kehren nicht zurück zu den etablierten Repräsentanten der weltlichen
und religiösen Macht in Jerusalem.
Diese Straße war ihnen auf Grund
göttlicher Weisung verwehrt.
Sie war für sie, die vor dem Kind gekniet
hatten, nicht mehr gangbar.
So nehmen sie einen anderen Weg, weg von
Jerusalem, der ihnen die Flucht ermöglichte.
Charles de Foucauld sagt:
„Wenn man Jesus gesehen hat, muss man auf anderen Wegen
heimkehren, auf dem Weg der Bekehrung, nicht auf dem Weg der
Vergangenheit.“
Da kann man nicht mehr so weiter machen wie bisher, da ist man
herausgefordert, einen anderen Weg zu gehen.
Das Leben ist verwandelt. Die Weisen
können nicht mehr zurück zu Herodes, nicht mehr im Bund sein mit dem
mächtigen und grausamen Herrscher, der im Kind von Bethlehem einen
Konkurrenten sieht, der nur so tut als wolle er auch huldigen, in
Wirklichkeit aber das Kind aus der Welt schaffen will.
Die Weisen können nicht mehr die gleichen
Wege gehen, die alten Wege wie vorher. Auf einem anderen Weg ziehen sie,
„entweichen sie“ (Fridolin Stier) zurück in ihr Land.
Dürfen wir sagen: als anders gewordene?
Hat ihr Leben durch die Begegnung mit dem
Kind eine neue Dimension gewonnen?
Hat eine Veränderung stattgefunden?
Hat sich ihnen eine neue Sicht der Dinge
aufgetan?
Sie, die in der Anbetung in ein neues
Kraftfeld eingetreten sind, werden sie die Wege des Kindes gehen, vorbei
an den Auftrumpfenden und Mächtigen dieser Welt?
Wird es der Weg in der Gesinnung Jesu
sein? In seinen Spuren? Aus seinem Geist? Entsprechend seiner Art und
Haltung?
Der Weg des Kind gewordenen Gottes ist
der Weg der Liebe, nicht des Hasses, der Weg des Friedens, nicht der
Gewalt, der Weg des Verzeihens und nicht des Vergeltens.
Nicht Herrschen um jeden Preis, sondern
Dienen; nicht geizen und gieren, sondern empfangen und schenken.
Nur die Liebe kann die Welt verwandeln,
so ohnmächtig diese Liebe auch erscheint.
Den Schöpfer des Alls haben die Weisen
gefunden und ihn gesehen als Mensch, als Kind. In der Begegnung mit ihm,
im stillen Knien und Schauen und Staunen, im Sich-Hinneigen und
Sich-ihm-Hingeben, IHM, der sich aus Liebe für uns hingegeben hat,
geschieht „Verwandlung“.
Erschienen ist die Güte und Menschenliebe
Gottes – in diesem Kind.
Seine Liebe will unsere Liebe wecken.
Seine Liebe ruft unsere Liebe.
Ob die Weisen ahnen, dass dieses Kind einmal sagen wird:
„Ich bin der Weg“ und dass an seinem Kreuz tatsächlich einmal die
Inschrift stehen wird: „König der Juden“?
Es ist wie bei den Jüngern nach dem
Taborerlebnis.
Die Weisen müssen zurück in ihren Alltag,
in ihr Leben.
Die Erfahrungen von Gottes Nähe sind
vorübergehend.
Wir spüren nicht immer seine Gegenwart.
Aber wir dürfen vertrauen, dass er bei
uns bleibt und alle Wege mit uns geht, bis wir ihn endgültig finden und
immer bei ihm sind im Licht seiner Herrlichkeit.
Ich stelle mir vor, dass ihr Rückweg
geprägt ist von Dankbarkeit und Freude und vor allem von einem tiefen
Glauben an das Wunder von Bethlehem.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich kann Ihnen und mir nur wünschen, dass
wir eine Sehnsucht spüren in unserem Herzen, ihr Raum geben, immer
wieder aufbrechen und unterwegs bleiben, sei es auch noch so
beschwerlich. IHN suchen, um IHN zu finden und IHM zu begegnen.
Wir können ihm täglich begegnen in seinem
Wort und Sakrament, aber auch mitten in unserem Alltag, in der Begegnung
mit den Menschen, im Bruder in der Schwester, in der Schönheit der
Schöpfung.
Ignatius sagt: „In allem können
wir Gott finden.“
Von Annette Feigs gibt es diesbezüglich
folgenden Text:
„Überall dort, wo wir Schönheit
entdecken, leuchtet sein Licht.
Überall dort, wo wir Freude erleben, wird
sein Hauch spürbar.
Überall dort, wo wir einander zuhören,
wirkt sein Geist.
Überall dort, wo wir uns um das Du
bemühen, trägt uns seine Kraft.
Überall dort, wo wir liebevoll
miteinander umgehen, lässt er sich finden.“
Und Rudolf Pesch schreibt:
„Im Lächeln des Kindes, im Blick des
geliebten Menschen, im dankbaren Auge des Beschenkten, im
sorgendurchfurchten Gesicht des Kranken - in jeder liebenden Bewegung
des Herzens, in jedem Dank, jedem Du leuchtet uns das Bild Christi auf;
es geschieht Epiphanie.“
Und vielleicht geht es uns dann auch hier
und da wie den Weisen, dass wir angerührt und überwältigt sind. Und
alles ist gut, alles ist geborgen. Gott führt und leitet. IHM kann man
vertrauen. Das macht Mut und gibt Hoffnung. Dann kann man getrost
weiterziehen, vielleicht auch „auf anderen Wegen“.
Schluss
Es sind symbolische Gestalten,
exemplarische Menschen, jene Sterndeuter aus dem Osten. Sie sind
einem Zeichen gefolgt und sind nun selber für uns zu einem Zeichen
geworden.
Und so ist in diesem Evangelium von mir
und von dir die Rede, von unserer Reise zu Gott, von unserer
Erlösungsbedürftigkeit, von unserer Sehnsucht nach Sinn und Ziel und
Glück, von unseren Wegen und Mühen, von unserem Suchen, Fragen und
Finden und von unserem Stern.
Mögen Sie, die Weisen aus dem Morgenland,
diese königlichen Menschen, uns mit ihrem leidenschaftlichen Suchen und
Fragen anstecken und zu immer neuem Aufbrechen und
Christus-entgegen-Gehen ermutigen. Dann hat unser Leben ein Ziel und
einen Sinn und wir können es vertrauensvoll wagen.
Die Weisen sagen uns auch:
Halte dich nicht bei den Mächtigen dieser
Erde auf und bei den Schriftgelehrten, die blind und taub sind für die
Wunder Gottes! - Geh deinen eigenen Weg! Suche weiter! Frage aufrichtig
und ernsthaft! Blicke dabei auf zu deinem Stern! So wirst du zu dem
gelangen, der dich rettet. Und dein Herz wird erfüllt sein von Freude,
einer Freude, wie nur Gott sie geben kann.
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