Albert
Einstein hat einmal gesagt:
„Das
Problem unserer Zeit ist das Herz.“
Unsere Zeit ist geprägt vom forschenden
Denken, von der kalten berechnenden Vernunft. Es fehlt an Herz und
Herzlichkeit.
Nicht das Herz ist Trumpf in unserer
Gesellschaft, sondern die Ellenbogen. Grausam herzlos geht es da
manchmal zu.
Wird unsere Gesellschaft nicht immer
kälter, immer gnadenloser, immer unbarmherziger?
Ja:
„Das Problem unserer Zeit ist das Herz.“
Kein Wunder, dass in einer Welt, die oft
so herzlos erscheint, die Menschen nach nichts mehr fragen als nach
Herzlichkeit und sich nach Menschen in ihrer Nähe sehnen, die ein Herz
haben, d. h. nach Liebe und Geduld, Verständnis und Güte.
Papst Johannes Paul II.
hat seine zweite Enzyklika dem Thema Barmherzigkeit
gewidmet. Und wie oft hat er in seinen Ansprachen und Predigten eine
„Zivilisation der Liebe“ und eine „Kultur des Erbarmens“
eingefordert.
Gegen Ende seines Pontifikates hat er den
„Sonntag der Barmherzigkeit“ eingeführt.
Papst Johannes Paul II.
macht in der besagten Enzyklika die bedeutende Aussage: „Das Wesen
Gottes ist Barmherzigkeit.“
Gott hat nicht nur Erbarmen. Gott ist
Erbarmen.
Hat Gott sich in der Tat nicht immer
wieder den Menschen so gezeigt barmherzig und gnädig?
Ist er ihnen nicht immer wieder neu
entgegengekommen, voll Güte und Liebe?
Hat er nicht immer wieder seine Hand
ausgestreckt?
Hat er mit dem Volk Israel nicht immer
wieder sein Heil angeboten und seinen Bund erneuert?
„Der Herr ist gütig, ewig währt
seine Huld, von Geschlecht zu Geschlecht seine Treue“,
heißt es im Psalm 100.
Papst Benedikt XVI. sagt:
„Barmherzigkeit ist der innere Kern der Botschaft des Evangeliums.
Sie ist der Name Gottes selbst, das Gesicht, mit dem er sich im Alten
Bund und dann vollkommen in Jesus Christus geoffenbart hat.“ In ihm
ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erschienen. Gottes
erbarmende Liebe hat in Jesus Christus gleichsam Hand und Fuß bekommen.
Die Menschen, die Jesus begegnet
sind, haben etwas gespürt von der rettenden,
heilenden und sich erbarmenden Liebe Gottes:
Maria Magdalena, der Zöllner Zachäus, die
Ehebrecherin, Bartimäus, der blinde Bettler und der Schächer am Kreuz.
Aber auch die Menschenmenge:
„Mich erbarmt des Volkes. Drei Tage harren sie schon bei mir aus und
haben nichts zu essen.“ Und ein anderes Mal heißt es:
„Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit
ihnen, den sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“
Christus hat und geliebt und sich für
uns hingegeben.
Jesu ausgestreckte Arme am Kreuz sind
Zeichen seiner Liebe. Sein durchbohrtes Herz ist Zeichen seiner Liebe.
Heute, einen Tag nach dem Herz-Jesu-Fest,
feiern wir das Herz Mariens. Wir ehren Maria als die Mutter der
göttlichen Barmherzigkeit. Wir feiern Gott, der Maria erwählt hat, die
Mutter seiner barmherzigen Liebe zu werden.
Als Maria das göttliche Kind unter ihrem
Herzen ihre Cousine Elisabeth besuchte, da stimmte Maria das Magnifikat
an. Sie preist die großen Taten der Liebe Gottes. Das Magnifikat der
Gottesmutter ist ein Danklied auf die Barmherzigkeit Gottes.
„Er erbarmt sich von Geschlecht
zu Geschlecht“ heißt es da und weiter:
„Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an
sein Erbarmen.
Maria selbst wurde, nachdem sie ihr FIAT
gesprochen hatte, Tor der Barmherzigkeit Gottes. In einem Lied singen
wir: „Selige Pforte war sie dem Worte als es vom Throne der
göttlichen Macht Gnade und Rettung den Menschen gebracht“. Maria,
Tür, Tor der Barmherzigkeit Gottes, die in Jesus auf die Erde kam und
unter uns gewohnt hat.
In vielen Lieder und Gebeten
wird Maria „Mutter der Barmherzigkeit“ genannt und als solche
angerufen. Zum Beispiel im „Salve Regina“: „Sei gegrüßt, o Königin,
Mutter der Barmherzigkeit“.
Dort heißt es auch: „Wende deine
barmherzigen Augen uns zu.“ Oder in dem Gebet: „Hilf, Maria, es
ist Zeit, hilf, Mutter der Barmherzigkeit.“ In einem Lied singen
wir: „O Mutter der Barmherzigkeit, den Mantel
über uns ausbreit.“
Meines Erachtens ist eines der schönsten
und zutreffendsten Bilder für die Barmherzigkeit der Gottesmutter die
Schutzmantelmadonna. Da suchen Frauen und Männer, Kinder und Greise,
Niedrige und Hochgestellte bei Maria Schutz. Sie suchen Zuflucht bei
ihr. Bei Maria erfahren Sicherheit und Geborgenheit.
Es ist als ob sie beten und bezeugen:
„Du bist mächtig uns aus Nöten und
Gefahren zu erretten. Denn wo Menschen Hilf gebricht, mangelt doch die
deine nicht! Zeige, dass du Mutter bist, wo die Not am größten ist. Hilf
Maria, es ist Zeit, hilf, Mutter der Barmherzigkeit.“
In einer Vision der heiligen Birgitta von
Schweden sagt Maria:
„Barmherzig macht mich die
Barmherzigkeit Gottes.“
Maria
hat auf besondere und einzigartige Weise – wie sonst niemand – die
Barmherzigkeit Gottes erkannt und erfahren. Das lässt sie selbst von
Herzen gütig sein, barmherzig, ihr Herz bei den Armen haben.
Maria
kann uns zeigen, was Barmherzigkeit bedeutet und wie man sie übt.
Denken wir nur an ihre Rolle bei
der Hochzeit zu Kana. Maria erkennt als erste den Mangel, die
Notsituation. Und sie kümmert sich. Sie wendet sich an Jesus und macht
ihn auf die Not der Brautleute aufmerksam. Zu den Dienern sagt sie voll
Vertrauen: „Was er euch sagt das tut!“
So sieht Maria auch,
was uns fehlt, was uns bedrückt, was uns Not macht. Und wir dürfen mit
all dem zu ihr kommen. Sie öffnet weit ihr mitleidvolles Herz. Sie sinnt
auf Hilfe, auf Rettung. Maria will unser Bestes. Sie will alles zum
Guten wenden. Sie tritt ein für uns bei ihrem Sohn. Viel, ganz viel
vermag die mütterliche Fürsprache Mariens.
Von der Barmherzigkeit Mariens
künden zahlreiche Titel, z.B.:
Maria, Heil der Kranken; Maria, Zuflucht
der Sünder; Maria, Trösterin der Betrübten; Maria, Hilfe der Christen;
Maria, Mutter des guten Rates; Maria, Mutter der Immerwährenden Hilfe,
um nur einige zu nennen.
Aber auch „Maria zu den Ketten“
gehört dazu.
Auch die Kettenlöserin von Zell ist ein
Ausdruck der Barmherzigkeit der Gottesmutter. Hier – wie in anderen
Wallfahrtsorten – suchen Menschen in vielfältigem Leid die besondere
Nähe Mariens. Sie kommen voll gläubigem Vertrauen, weil sie wissen – und
viele Gebetserhörungen bezeugen es ja auch – dass Maria ein Herz hat,
ein Herz, das mitfühlt, ein Herz, das Anteil nimmt. Sie suchen Trost und
Hilfe bei Maria, der Mutter der Barmherzigkeit, der Mutter mit dem
gütigen Herzen.
„Barmherzig macht mich die
Barmherzigkeit Gottes“, hat Maria zur heiligen
Birgitta gesagt. Ob uns die Barmherzigkeit Jesu und seiner Mutter auch
barmherzig macht? Oder suchen die Menschen bei uns ein liebevolles Herz
vergeblich?
Prüfstein
einer jeden Herz-Jesu und Herz-Mariä-Verehrung ist die Liebe, die Liebe,
die wir im Alltag üben, das Verständnis, das wir aufbringen, die
Barmherzigkeit, die wir dem anderen erweisen, die Geduld, die wir haben,
die Vergebung, die wir schenken.
Frömmigkeit, auch die Herz-Jesu- und
Herz-Mariä-Frömmigkeit, muss sich in der Liebe kundtun, sich in der Güte
beweisen und in der Barmherzigkeit wirksam werden. Gefragt ist echtes
mitmenschliches Engagement und authentische Solidarität.
Der frühere Prior von Taize, Roger
Schutz, hat einmal gesagt:
„Am Abend unseres Lebens wird es die
Liebe sein, nach der wir beurteilt werden, die Liebe, die wir allmählich
in uns haben wachsen und sich entfalten lassen: in Barmherzigkeit für
jeden Menschen.“ |