Exerzitien mit P. Pius

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Seliger Paul Josef Nardini (27. Januar)

(Pfarrer, Sozialreformer, Ordensgründer)

 

 

Die Wiege von Paul Josef Nardini stand in der Pfalz. Er wurde am 25. Juli 1821 in Germersheim geboren. Die Pfalz war zu Beginn des 19. Jahrhunderts einer der ärmsten Landstriche Deutschlands.

Nardini selbst wächst in äußerst einfachen und sehr ärmlichen Verhältnissen auf. Noch während der Schwangerschaft der Mutter macht sich der Vater auf und davon. Eine Großtante und ihr Ehemann aus Vincenza (Italien) nehmen ihn bei sich auf.

Von daher auch der Familienname „Nardini“.

 

In der Schule ist Paul Josef sehr lernfreudig. Schon mit 12 Jahren hat er den Wunsch, Priester zu werden. Nach langem Ringen gibt der Pflegevater die Zustimmung zur Berufung seines Stiefsohnes.

Er darf die Lateinschule in Germersheim besuchen. Als der Pflegevater gestorben war, bringen gute Menschen das Schulgeld für das Gymnasium auf. Schließlich findet er Aufnahme im bischöflichen Konvikt in Speyer. Danach studiert er an der Universität in München und promoviert zum Doktor der Theologie.

 

Am 22. August 1846 erhält Nardini im Speyerer Dom die Priesterweihe. Zwei Tage später wird er Stadtkaplan von Frankenthal. Allerdings kann er die Stelle wegen gesundheitlicher Probleme erst am 3. Oktober antreten. Nach nur zwei Monaten wird Nardini zum Präfekt im bischöflichen Konvikt in Speyer ernannt. Man hoffte auch, dass sich dort seine Gesundheit stabilisieren würde. Nardini besaß die Gabe der Rede. Immer wieder wurde er in die umliegenden Pfarreien als Prediger geholt.

 

Im April 1850 wird Nardini die Seelsorge in der Pfarrei Geinsheim übertragen. Sein Vorgänger hatte die Pfarrei völlig vernachlässigt. Schon nach wenigen Monaten hat Nardini – man weiß nicht wie – die Pfarrei erneuert und völlig verwandelt. Als die Pfarrstelle schließlich für vakant erklärt wird, bewirbt sich Nardini um deren Verleihung.

Mit Schreiben vom 1. März 1851 wenden sich alle 122 Mütter und weitere 170 Frauen von Geinsheim an den Bischof mit der Bitte, „dass ihnen der Seelsorger Herr Nardini gelassen werde“. Weiter heißt es in diesem Brief: „Wir haben ihn als einen guten Hirten erkannt, und er kann wie der Heiland sagen: Ich kenne meine Schafe und sie kennen mich. Ich rufe sie bei meinem Namen, und sie folgen meiner Stimme. – Und wir sind ihr schon bisher gefolgt. Unsere Männer sind ganz umgeändert, unsere Kinder sind neu geboren, wir alle haben jetzt das rechte Licht erhalten. – Ein Samenkorn ist ausgestreut, und damit dieses seiner himmlischen Ernte entgegen reife, bitten wir Sie alle fußfällig, nicht um Gold und Silber, nur um uns den bisherigen Sämann zu lassen.“

 

Die Bitte der Frauen blieb jedoch ohne Erfolg, aus folgendem Grund: Der Pfarrer von Pirmasens war im Jahr zuvor durch Revolutionäre schwer misshandelt worden und war nach Lothringen geflohen. Während die Freischärler das Pfarrhaus stürmten, Türen und Fenster einschlugen und die Möbel auf die Straße warfen, hatten sie gerufen: „So müssen die Köpfe der Paffen fliegen!“

 

Dem Pfarrer war nach all diesen Geschehnissen die Rückkehr nach Primasens nicht zuzumuten. Ihm wird nun die Pfarrei Geinsheim verliehen. Deren bisheriger Seelsorger Paul Josef Nardini kommt im Mai 1851 nach Pirmasens als Pfarrer einer Diasporapfarrei. Hier findet der junge Priester schlimme seelsorgliche und äußerst schwierige soziale Verhältnisse vor.

Nardini lernt vor allem die großen sozialen Missstände der Bevölkerung kennen, deren Großteil seinen Unterhalt in der Schuhfabrikation verdiente.

Es sind vor allem die Frauen und Mütter, die als „fahrende Händler“ in den Sommermonaten hausierend die Produkte zu verkaufen suchten, welche in den Wintermonaten in Handarbeit angefertigt wurden.

Niedrige Löhne und vor allem die Abwesenheit der Mütter von ihren Familien bewirken eine Auflösung der Familienbande.

Alte und Kranke bleiben unversorgt. Die Kinder, sich selbst überlassen, erhalten weder Schule noch Erziehung noch das tägliche Brot und verwahrlosen zwangsläufig. Hinzu kommen immer wieder Missernten, Hungersnöte und Epidemien.

 

Nardini erkennt mit scharfem Blick die gesellschaftlichen und religiösen Probleme solcher sozialen Missstände, zumal er selbst in seiner Kindheit Verlassenheit und Entbehrung erdulden musste.

Er erkennt auch, dass die kommunalen und staatlichen Stellen nicht organisiert und gerüstet waren, um Abhilfe zu schaffen.

So wird Nardini zum Sozialreformer, dem es darum geht, aus Liebe zu den Schwachen und Armen, Not zu lindern und die schlimmen sozialen Verhältnisse zum Besseren zu wenden.

Schon zu Lebzeiten nennt man ihn „Vater der Armen“.

 

Nardini will jedoch nicht einfach nur die Lebensqualität der Menschen heben. Es geht ihm um den ganzen Menschen mit Leib und Seele. Er sieht, dass die geistige Armut ebenso groß ist wie die leibliche. Er sieht in den Armen Gottes Ebenbild und bekämpft die Armut, damit die Armen sich selbst als Ebenbild Gottes erkennen können.

 

Er spürt: In den Armen klopft Jesus selbst an sein Herz. Er erkennt auch, dass es mit einer individuellen, situationsorientierten Hilfe für die Armen nicht getan ist. Es geht ihm auf, dass sich strukturell etwas ändern muss. Es braucht eine gemeinschaftlich organisierte, kontinuierliche, stabile Hilfe, um nach und nach – auch durch Schulbildung und landwirtschaftliche oder handwerkliche Ausbildung – die Ursachen der Armut auszuräumen.

 

Da es Paul Josef Nardini besonders um die Fürsorge für Arme, Kranke und Kinder geht, scheint es ihm hilfreich Ordensschwestern hinzuzuziehen. Er bekommt auch vier Schwestern aus Niederbronn im Elsass. Da diese jedoch von den Behörden als „Französinnen“ behandelt werden und ständig von der Ausweisung bedroht sind, reift in ihm der Plan, eine eigene Schwesternkongregation zu gründen. Die drückende Not der Bevölkerung und besonders eine gefährliche Typhusepidemie, die ausgebrochen war, forcieren die Angelegenheit und drängen Nardini zu handeln.

 

Am 2. März 1855 ist es soweit: Nardini kleidet zwei junge Frauen ein, gibt ihnen Schwesternnamen und nennt sie „Arme Franziskanerinnen von der Heiligen Familie“. Am Ende des Jahres sind es bereits 24 Schwestern. Als Nardini sieben Jahre später stirbt, sind es 235 Schwestern.

 

Da die Mehrzahl der Schwestern aus dem altbayrischen Raum stammte, verlegte die Ordensgemeinschaft 1869 ihren Hauptsitz von Pirmasens nach Mallersdorf und wird seitdem „Mallersdorfer Schwestern“ genannt. Sie wirken heute nicht nur in Deutschland, sondern auch in Rumänien und Südafrika.

 

Nardini selbst führte ein Leben in äußerster Armut und Bedürfnislosigkeit nach dem Vorbild des heiligen Franz von Assisi, dessen Drittem Orden er beigetreten war. Seine Briefe zeugen von einem unerschütterlichen Gottvertrauen auch in schwierigsten Situationen, von Mut und vollem Einsatz, wo es um die Belange der Kirche, der Gläubigen und seiner Ordensschwestern ging, und von Geduld und demütiger Bescheidenheit, wenn es um ihn selbst ging.

 

Wenngleich sein soziales und karitative Apostolat und die spirituelle Betreuung seiner Schwestern ihn täglich bis zur Erschöpfung in Anspruch nahmen, widmete sich Nardini dennoch mit gleichem Eifer und gleicher Unermüdlichkeit der Verkündigung des Glaubens in Predigt, Katechese und Religionsunterricht.

 

Zu Beginn des Jahres 1862 war Nardini am Ende seiner Kräfte.

Eine Schwester, die eines Abends vor Müdigkeit in der Kapelle eingeschlafen und versehentlich eingeschlossen worden war, berichtet kurz vor seinem Tod: „Eines Nachts, als alle im Haus längst schliefen, ging Nardini in die Sakristei, zog Chorrock und Stola an, schloss die Kapelle auf, schritt zum Altar, zündete die Kerzen an und öffnete den Tabernakel. Dann warf er sich vor dem Tabernakel auf die Knie, breitete die Arme aus und betete mit lauter Stimme: ‚Mein Heiland, nimm mein Leben, nur schone meine kleine Herde‘. Immer wieder, immer inniger betete er so. Lange verharrte er so vor dem Allerheiligsten.“

 

Dieses nächtliche Ereignis lässt uns in sein Innerstes schauen.

Nardini hatte die Gesinnung Jesu, des guten Hirten, der sein Leben hingibt für seine Schafe (vgl. Joh 10, 11). Er nannte Jesus einmal „Brennpunkt meines Herzens“. Und: „Es mag mich anziehen, was da will, von IHM soll mich nichts ablenken.“

 

Das Geheimnis der Eucharistie nahm in Nardinis persönlichen Leben wie in seiner Seelsorge den ersten Platz ein. Er legte großen Wert auf die würdige Feier der heiligen Messe, führte die Gläubigen zur eucharistischen Anbetung und holte sich bei Jesus Weisung und Kraft für seinen aufopferungsvollen Dienst.

 

Die Feste des Kirchenjahres wurden bei ihm mit einer spirituellen Intensität vorbereitet, die viele Menschen zum Glauben zurückführte, und mit einer Feierlichkeit begangen, welche die Gläubigen der ganzen Umgebung anzog.

In wenigen Jahren machte er aus einer völlig daniederliegenden Pfarrei geradezu einen Wallfahrtsort, der in der ganzen Diözese bekannt wurde durch die erhabene Festlichkeit der Gottesdienste, die innige Frömmigkeit der eucharistischen Anbetung und die heilende, einfühlsame und doch entschiedene Art, wie Nardini das Bußsakrament spendete.

 

In allem war er durchdrungen von einer tiefen, unerschütterlichen und geradezu mystischen Freundschaft und Einheit mit Christus, von einer kindlichen Frömmigkeit zur Heiligen Familie und von einer selbstverständlichen Liebe zur Kirche.

 

Mitte Januar 1862 erkrankte Nardini an einer Lungenentzündung. Am 27. Januar starb er, noch keine 41 Jahre alt. Er starb mit der Anrufung der Heiligen Familie auf den Lippen: „Jesus, Maria, Josef“. Den letzten Namen vermochte er allerdings nicht mehr zu Ende zu sprechen.

 

Als man ihn drei Tage später zu Grabe trug, waren sich alle bewusst, dass sie einen heiligmäßigen Priester bestatteten. Mit staatlicher und kirchlicher Genehmigung wurde deshalb sein Leichnam nicht auf dem Friedhof, sondern in der Kapelle seiner „Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie“ vor dem Altar beigesetzt.

 

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, besonders der Mallersdorfer Schwestern und zahlreicher Priester des Bistums Speyer hat Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising, am 22. Oktober 2006 – im Auftrag von Papst Benedikt XVI. – Paul Josef Nardini im Dom zu Speyer selig gesprochen.

 

Die Kirche kennt drei Grundvollzüge oder Grunddienste: Martyria (Verkündigung), Liturgia (Gottesdienst) und Diakonia (Caritas).

Paul Josef Nardini hat die drei Grunddienste in einer nicht nur für die damalige Zeit einmaligen, sondern in einer für alle Zeiten exemplarischen Weise ausgeübt, miteinander verbunden und sich in ihnen aufgezehrt.

Sein priesterliches Wirken setzt Maßstäbe und zeigt zugleich die Mittel und Wege auf für die auch in unserer Zeit so dringliche Erneuerung unserer Pfarrgemeinden hinsichtlich Weitergabe des Glaubens, Feier und Verehrung der Eucharistie und tätiger Nächstenliebe.

 

Nardinis Lebenszeit war kurz. In allem aber drängte ihn – als Pfarrer, Sozialreformen und Ordensgründer – die Liebe Christi entsprechend dem Wort des heiligen Paulus „Caritas Christi urget nos“. Zu Deutsch: „Die Liebe Christi drängt uns“ (vgl. 2 Kor 5, 14).

Dies ist heute noch der Leitspruch der Mallersdorfer Schwestern.

 

Nardinis Spiritualität wurzelte in einer personalen Liebe zu Christus. Schon als Zwanzigjähriger schrieb er in sein Tagebuch: „Nichts soll mich von Jesus scheiden, weder Freude noch Leid, weder Angst noch Qual. Ihm will ich anhangen in demütigem Gehorsam, tiefer Selbstverleugnung und brennender Liebe.“

 

Ein anderes Wort von ihm lautet: „Liebe ist unser Leben. Liebe ist unsere Bestimmung. Liebe ist das Einzige, was Gott von uns fordert.“

 

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