Jeder
Fahrschüler kennt das Andreaskreuz. Er sieht es und weiß: Aha,
Bahnübergang!
Ob die
Fahrschüler aber auch wissen, woher dieses Verkehrszeichen seinen Namen
hat?
Und ob
sie bei dem Namen Andreas an den Apostel denken, dessen Fest wir heute
feiern?
Andreas
war einer der Zwölf. Sein Bruder war Simon Petrus.
Wie
dieser stammte er aus Betsaida und war von Beruf Fischer.
Dem
Evangelium am Festtag (Mt 4, 18 - 22) zufolge rief Jesus die beiden in
seine Nachfolge, als sie gerade am See von Galiläa die Netze auswarfen:
„Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“
Dann
heißt es: „Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“
Kein
Zögern, kein Erst-Noch, kein Aber. Sie hören Jesu Ruf und folgen prompt.
Anders
als Matthäus schildert das Johannesevangelium den Weg des Andreas zu
Jesus. Dort erfahren wir (Joh 1, 35 - 42), dass Andreas zuerst Jünger
Johannes des Täufers war.
Das
zeigt, dass er ein Suchender war, ein Mann voll des Glaubens und der
Hoffnung. Voll Sehnsucht erwartete er den kommenden Retter, den
verheißenen Messias.
Eines
Tages nimmt er wahr, wie Johannes der Täufer auf den vorübergehenden
Jesus hinweist und ihn als „das Lamm Gottes“ bezeichnet. Da löst
er sich von seinem bisherigen Meister und geht zusammen mit einem
anderen Jünger hinter Jesus her.
Jesus fragt die beiden:
„Was sucht ihr?“ Sie antworten mit einer
Gegenfrage: „Meister, wo wohnst du?“ Jesus lädt sie ein: „Kommt und seht!“
Dann berichtet der Evangelist:
„Da gingen sie
mit und sahen, wo er wohnte und blieben jenen Tag bei ihm.“
Andreas
erlebte also kostbare Augenblicke enger Vertrautheit mit Jesus. „Es
war um die zehnte Stunde“. Diese Stunde ist Andreas unvergesslich
geblieben. Gnadenstunde, Sternstunde.
Die
Erzählung geht weiter mit einer bedeutsamen Anmerkung:
„Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer der beiden, die das
Wort des Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren.“
Andreas
ist also der Erstgenannte unter den Aposteln.
Und er
ist nach dem, was er mit Jesus erlebt hat, „Feuer und Flamme“.
Als er
seinen Bruder Simon trifft, erzählt er ihm ganz begeistert davon und
gibt Zeugnis: „Wir haben den Messias gefunden.“
Und der
Evangelist ergänzt und erklärt: „Messias heißt übersetzt: der
Gesalbte (Christus)“.
Und dann
kommt der wunderschöne und bedeutungsvolle Satz: „Und er führte ihn
zu Jesus“ (vgl. Joh 1, 41 - 42).
Andreas
teilte seine Freude, den Glücksfund seines Lebens, seinem Bruder mit.
Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über.
Der
Berufene wird selbst zum Rufenden. Hier schon spüren wir den
missionarischen Geist, von dem der heilige Andreas beseelt war.
In den
Evangelien findet Andreas bei drei weiteren Ereignissen Erwähnung, durch
die wir diesen Apostel noch besser kennenlernen können.
Das
erste ist die Brotvermehrung in Galiläa.
Die Lage
schien schwierig, ja aussichtslos. Woher so viele Brote nehmen, um die
Tausenden zu sättigen?
Da meldet
sich Andreas zu Wort. Seiner Aufmerksamkeit war es nicht entgangen, dass
da ein kleiner Junge anwesend war, der fünf Brote und zwei Fische hatte.
Er weist Jesus darauf hin, macht jedoch selbst sofort einen Rückzieher:
„Was ist das für so viele?“
Andreas
ist nüchtern und realistisch genug, um einzusehen, wie weit man mit fünf
Broten und zwei Fischen kommen würde und dass das vorne und hinten nicht
reicht, um alle satt zu machen.
Jesus
jedoch macht aus dem Wenigen viel. Es reicht für alle.
Ja, beim
Einsammeln der Reste bleiben zwölf Körbe voll übrig.
Das
zweite Ereignis geschah in Jerusalem.
Als sie
aus der Stadt herausgingen, machte einer der Jünger Jesus auf den
Anblick der gewaltigen Mauern aufmerksam, die den Tempel trugen. Die
Antwort des Meisters war überraschend: Er sagte, dass von jenen Mauern
kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Da befragte ihn Andreas,
zusammen mit Petrus, Jakobus und Johannes: „Sag uns, wann wird das
geschehen, und an welchen Zeichen wird man erkennen, dass das Ende von
all dem bevorsteht?“ (Mk 13,1 - 4).
Als
Antwort auf diese Frage hielt Jesus eine wichtige Rede über die
Zerstörung Jerusalems und über das Ende der Welt und forderte seine
Jünger auf, die Zeichen der Zeit aufmerksam zu lesen und immer wachsam
zu bleiben.
Aus
dieser Begebenheit können wir schließen, dass wir keine Angst zu haben
brauchen, Jesus Fragen zu stellen, dass wir jedoch gleichzeitig bereit
sein sollen, die Lehren, die er uns erteilt, anzunehmen, auch die
überraschenden und schwierigen.
Andreas kommt noch ein drittes Mal in den Evangelien vor.
Der
Schauplatz ist wiederum Jerusalem, kurz vor der Passion.
Zum
Paschafest waren – so berichtet Johannes – auch einige Griechen in die
heilige Stadt gekommen, um am Paschafest den Gott Israels anzubeten. Sie
äußern den Wunsch, Jesus zu sehen.
Andreas
und Philippus, die beiden Apostel mit den griechischen Namen, fungieren
als Dolmetscher und Vermittler dieser kleinen Gruppe von Fremden bei
Jesus.
Jesus
sagt den beiden Jüngern und durch sie den griechischen Pilgern, aber
auch uns: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn
verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht
in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt,
bringt es reiche Frucht“ (Joh 12, 23 - 24).
Den
griechischen Pilgern, aber auch den Jüngern werden wohl diese Worte
rätselhaft geklungen haben.
Was
will Jesus damit sagen?
Papst Benedikt XVI. formuliert es einmal so:
„Mit meinem (Jesu) Tod, der mit dem Fallen eines Weizenkornes in die
Erde vergleichbar ist, wird die Stunde meiner Verherrlichung kommen.
Von
meinem Tod am Kreuz wird große Fruchtbarkeit ausgehen:
Das
‚tote Weizenkorn’ – Symbol für mich als den Gekreuzigten – wird in der
Auferstehung zum Brot des Lebens für die Welt werden. Es wird Licht für
die Völker und Kulturen sein.“
Sehr alte Überlieferungen
sehen in Andreas, der den Griechen dieses Wort übermittelt hat, nicht
nur den Dolmetscher einiger Griechen bei der eben erwähnten Begegnung
mit Jesus, sondern sie betrachten ihn als Apostel der Griechen auch in
den Jahren, die auf das Pfingstereignis folgten.
Sie
lassen uns wissen, dass er für den Rest seines Lebens Verkünder und
Sprachrohr Jesu für die griechische Welt war.
Er konnte
nicht schweigen über das, was er mit Jesus erlebt hatte. Er nahm weite
Wege der Mission auf sich: bis nach Byzanz und ans schwarze Meer, um
seinem Herrn Jesus Christus zu verkünden und Menschen zu ihm zu führen.
Petrus,
sein Bruder, gelangte von Jerusalem über Antiochia nach Rom, um hier
seine universale Sendung auszuüben.
Andreas
hingegen war der Apostel der griechischen Welt.
So
erscheinen sie im Leben und im Tod als wirkliche Brüder.
Was für
die römischen Christen Petrus ist, das ist für die Ostkirchen Andreas.
Und das
kommt symbolisch zum Ausdruck in der besonderen Beziehung der
Bischofssitze von Rom und Konstantinopel, die sich als Schwesternkirchen
verstehen.
Um diese
Beziehung zu unterstreichen, hat Papst Paul VI. im Jahre 1964 die
berühmte Reliquie des heiligen Andreas, die bis dahin in der Vatikanischen
Basilika aufbewahrt worden war, dem orthodoxen Metropoliten der Stadt
Patras in Griechenland zurückgegeben, wo der Überlieferung nach der
Apostel Andreas am 30. November im Jahre 60 am schrägen Kreuz den Tod
erlitt.
In jener
großen Stunde seines Martyriums – so die Legende – habe Andreas gebeten,
an ein Kreuz gehängt zu werden, das der Form nach anders ist als das
Kreuz Jesu.
So starb
er an einem x-förmigen Kreuz, das heißt an einem Kreuz mit zwei diagonal
verlaufenden Balken, das deshalb auch „Andreaskreuz“ genannt
wird.
In der
griechischen Sprache ist das X das Zeichen für Christus, der
Anfangsbuchstabe dieses Hoheitstitels.
Der
Apostel Andreas macht uns darauf aufmerksam, dass auch im Kreuz, im
Leid, in der größten Not Christus selbst gegenwärtig ist.
Einem
antiken Bericht vom Anfang des 6. Jahrhunderts zufolge, der den Titel Passion des Andreas trägt, soll der Apostel damals gesagt haben:
„Gegrüßet
seist du, o Kreuz, das du durch den Leib Christi geweiht und von seinen
Gliedern wie von kostbaren Perlen geschmückt wurdest. Bevor der Herr
dich bestieg, hattest du irdische Angst eingeflößt. Jetzt hingegen bist
du mit himmlischer Liebe ausgestattet und wirst deshalb wie eine Gabe
empfangen. Die Gläubigen wissen von dir, welch große Freude du besitzt,
wie viele Geschenke du bereit hälst. Nun komme ich sicher und voller
Freude zu dir, damit du auch mich mit Jubel als Jünger dessen empfängst,
der an dich gehängt wurde… O seliges Kreuz, das du die Majestät und
Schönheit der Glieder des Herrn empfingst!... Nimm mich, führe mich weit
weg von den Menschen und gib mich meinem Meister zurück – auf dass mich
durch dich derjenige empfange, der mich erlöst hat. Gegrüßt seist du, o
Kreuz. Ja, sei wahrhaft gegrüßt!“
Das ist
innige Passionsmystik. Hier klingt eine ganze Theologie des Kreuzes an.
In der Laudes (kirchliches Morgenlob) am Fest des heiligen Andreas ist davon
noch ein zarter Rest übrig geblieben. Dort lautet die Antiphon zum
Benediktus (Lobgesang des Zacharias):
„Sei
gegrüßt, o heiliges Kreuz, nach dem ich verlange. An dir hat Christus
gehangen, mein Meister – nun nimm auch mich, seinen Jünger, auf.“
Wer den
Gekreuzigten liebt, dem ist auch das Holz lieb und wert, an dem er uns
sterbend erlöst hat.
Noch
etwas fällt auf und kennzeichnet den Apostel Andreas:
Obwohl er
– nach dem Johannesevangelium – der erstgenannte und erstberufene
Apostel ist, gehört er nicht zu den immer wieder herausgehobenen und
bevorzugten drei, nämlich Petrus, Jakobus und Johannes. Während der
Jahre mit Jesus steht Andreas eher im zweiten Glied und ganz im Schatten
seines Bruders.
Als er
ihn zu Jesus führt, da blickt Jesus diesen an und sagt zu ihm: Du
bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen. Kephas
bedeutet Fels, Petrus (Joh 1, 42).
Petrus
legt später bei Cäsarea Philippi das berühmte Messiasbekenntnis ab (Mt
16, 16). Die Apostellisten bei Matthäus (10, 2) und Lukas (6, 14) führen
ihn zwar nach Petrus gleich an zweiter Stelle an. Aber zu den
Bevorzugten drei gehört er nicht.
Petrus, Jakobus und Johannes
werden im Haus des Jairus Zeugen einer Totenerweckung (Mk 5, 37),
Andreas nicht.
Jesus
nimmt diese drei mit auf den Berg der Verklärung (Lk 9, 28), Andreas
nicht. Auch bei der Todesangst Jesu im Garten von Gethsemane (Mk 14, 33)
sind diese drei dabei, Andreas nicht.
Nur
einmal sind sie zu viert mit Jesus, ohne die anderen. Und auch da ist
Andreas der Vierte (Mk 13, 3).
Aber
nirgendwo ist von Seiten des Andreas auch nur die geringste Andeutung
eines Neides, eines Gekränktseins oder einer Bitterkeit erkennbar.
Andreas hält sich anscheinend gern im Hintergrund. Es macht ihm nichts
aus, sich mit dem zweiten Platz zu begnügen. Offensichtlich waren ihm
Vorrang, Stellung und Ehren nicht so wichtig.
Übertriebenen Ehrgeiz, wie ihn die „Donnersöhne“ einmal an den Tag
legten, als sie Jesus baten, im Reich Gottes die Plätze rechts und links
neben Jesus innehaben zu dürfen, kennt Andreas nicht. Vielleicht hat er
das selbstlose Zurücktreten von seinem ersten Lehrmeister, dem Täufer,
gelernt. „Jener muss wachsen, ich aber abnehmen“ (Joh 3, 30).
Der
heilige Andreas kann uns lehren, Jesus bereitwillig nachzufolgen (vgl.
Mt 4, 20; Mk 1, 18), eine echte Vertrautheit mit ihm zu pflegen, allen
Menschen, denen wir begegnen, mit Begeisterung von ihm zu erzählen und
Menschen zu Jesus hinzuführen.
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