Ein Mensch kam erschöpft zu einem
Einsiedler:
Wo ist Gott? – Hast du ihn gesucht?
Ich habe ihn gesucht. – Hast du ihn
gefunden?
Ich habe ihn nicht gefunden. – Wo hast du
ihn gesucht?
Am Himmel. – Das war gut
Zwischen den Blumen – Das war auch gut.
Unter den Tieren. – Das war auch gut.
Bei den Menschen. – Das war sehr gut,
aber sicher auch schwierig.
In heiligen Büchern. – Das war auch sehr
gut.
Und jetzt bin ich hier. – Du suchst Gott
bei mir?
Ja, bei dir. – Aus Liebe?
Nein aus Verzweiflung. – Dann wirst du
ihn nicht finden.
Was soll ich tun? – Nichts.
Nichts? – Nichts.
Aber. – Doch etwas:
Sieh in deinem Herzen nach! Suche Gott in dir!
Wo wohnt Gott?
Eine
uralte Frage. Menschen aller Zeiten haben sie gestellt.
Und
vielfältig sind die Antworten: Gott wohnt im Himmel. Gott wohnt in der
Natur.
Den
alten Völkern haben die Gestirne als Wohnsitze des Göttlichen gegolten.
Auch Berge, Felsen, Quellen, Flüsse, Bäume... sahen sie als Wohnstätten
der Götter.
Tatsächlich ist Gott in seiner Schöpfung. Aber seine Gegenwart ist nicht
auf bestimmte Bereiche beschränkt. „Überall ist er..., Höhen Tiefen,
sie sind sein“, heißt es in einem Lied.
Der
heilige Ignatius lehrt, „Gott zu finden in allen Dingen.“
Viel
mehr als wir denken, ist Gott da. Gott ist gegenwärtig und er will uns
begegnen und wir können ihm begegnen.
In
einem Tagesgebet heißt es: „Gott, du bist da, deine Gegenwart
umhüllt und durchdringt uns wie die Luft, die wir atmen und ohne die wir
nicht leben können“.
Paulus sagt zu den Athenern bei seiner
Rede auf dem Areopag:
„Gott ist uns
nicht fern. In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“.
Wo wohnt Gott?
Das
alttestamentliche Gottesvolk war zutiefst von dem Glauben durchdrungen,
dass Gott mitten in seinem Volk wohnt, - und dass er in besonderer Weise
im Tempel zu Jerusalem zugegen ist.
Dabei
aber war man sich bewusst, dass dieser Tempel den allgegenwärtigen,
unermesslichen Gott nicht zu fassen vermag.
Bei der Einweihung des Tempels fragt
König Salomo erstaunt:
„Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde?“ Und er betet: „Siehe,
selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wieviel
weniger das Haus, das ich gebaut habe!“ (1 Kön. 8, 27)
Beim Propheten Ezechiel spricht Gott: „Ich werde mitten unter
ihnen für immer mein Heiligtum errichten und bei ihnen wird meine
Wohnung sein. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.“
(37, 26f.)
Und
der Prophet Sacharja lässt Gott seinem Volk künden:
„Juble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in
deiner Mitte – Spruch des Herrn.“ (2, 14)
Ähnliches hörten wir auch in der Lesung aus der Offenbarung des
Johannes: Im endzeitlichen Jerusalem steht kein Tempel mehr, weil
Gott, der Herr, selbst sein Tempel ist und das Lamm die Leuchte.
In
einer Vision schaut Johannes, wie das neue Jerusalem vom Himmel auf
die Erde herabsteigt. Und er hört eine Stimme vom Thron her rufen:
„Seht die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte
wohnen und sie werden sein Volk sein. Und er, Gott, wird bei ihnen
sein." (21, 3)
Wo wohnt Gott?
Gott
wohnt unter den Menschen. Gott wohnt in seinem Volk. Er ist ihm ganz
nahe. Das ist eine Botschaft, die die Bibel immer wieder hervorhebt.
Ein
Rabbi überrascht seine Schüler mit der Frage: „Wo wohnt Gott?“
Sie lachten und sagten: „Was für eine Frage! Die Welt ist doch voll
von seiner Herrlichkeit!“ – Der Rabbi beantwortete seine eigene
Frage so: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt!“ –
Von
dem englischen Maler Holman Hunt gibt es ein Gemälde, da steht Jesus
vor einer Tür und klopft an. Auf die Frage eines Besuchers: Wie kommt’s,
dass an der Tür keine Klinke ist, antworte der Maler. „Es kann außen
keine Klinke geben. Jesus klopft an. Auftun müssen wir.“
Das lässt an ein
Wort in der Offenbarung des Johannes denken.
Dort
spricht Jesus: „Siehe, ich stehe vor der Tür uns klopfe an. Wenn
jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten
und Mahl halten. Ich mit ihm und er mit mir.“
Voraussetzung für das Öffnen ist das Hören. Voraussetzung für das Hören
ist Stille und Schweigen. „In der Innerlichkeit des Schweigens, wenn
das Hören zum Lauschen wird, wird dieses Klopfen gehört, diese Stimme
vernommen.“ (H. Spaemann)
In
den Abschiedsreden Jesu wird all das noch überboten. Da sagt Jesus
gleichsam als letztes Vermächtnis, dass der Vater und er in jedem
einzelnen Gläubigen Wohnung nehmen: Joh 14, 23: „Wenn
jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten. Mein Vater wird
ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“
Wir, jede und jeder von uns, Wohnung
Gottes! Gott in uns.
Für
mich ist das Frohe Botschaft! Das ist unendlich beglückend.
Das
ist Quelle der Freude und der Zuversicht:
Gott
nicht nur im Himmel, nicht nur in seiner Schöpfung. Gott nicht nur in
einem Haus aus Stein, auch nicht nur in seinem Volk und in seiner
Gemeinde, sondern darüber hinaus in jedem Gläubigen.
Das
ist ein nie ganz zu fassendes Geheimnis, eine nie ganz zu begreifende
Wahrheit. Man muss es sich immer wieder vorsagen, meditieren, verkosten,
es ganz tief aufnehmen und es sich immer wieder bewusst machen.
Ein
Meditationswort lautet: „Du ströme in mir, ich gebe mich dir!“
Oder
noch kürzer: „Du in mir, ich in dir!“
Der
Apostel Paulus spricht an verschiedenen Stellen seiner Briefe von
diesem Geheimnis: „Wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid
und dass Gottes Geist in euch wohnt?“
Er
erinnert sie an das, was sie zutiefst sind: Tempel Gottes, Wohnung
des Heiligen Geistes. Das ist ihre Identität. Das ist ihre Würde.
In
der Pfingstsequenz beten wir: „Du stille Macht, du verborgene
Kraft, Geist des Herrn, der in uns lebt und schafft, wohne du uns inne,
uns anzutreiben, bete du in uns, wo wir stumm bleiben.“
Und
an einer anderen Stelle heißt es: „Komm, o du glückselig Licht!
Fülle Herz und Angesicht! Dring bis auf der Seele Grund.“
Wir sind der Tempel Gottes. In uns wohnt
Gottes Geist.
Das
ist unsere Berufung! Das ist unsere Identität. Das ist unsere Würde als
Getaufte. Das sollten wir immer bedenken und nie vergessen. Wir sehen es
oft nicht oder viel zu wenig.
Auch bei den Mystikern finden wir die
Aussage: Gott wohnt in uns.
Meister Eckehard sagt z.B.: „Ich bin des so gewiss wie ich lebe,
dass nichts mir so nahe ist wie Gott.“
Es
gibt einen Gefährten, der uns von Geburt an begleitet, Gott, tief innen
in unserer Seele.
Augustinus sagt: „Gott ist uns näher als wir uns selbst.“
Edith Stein greift dieses augustinische Wort auf und formuliert in
einem ihrer Gebete: „Du, näher mir als ich mir selbst und innerer als
mein Innerstes… Heiliger Geist, ewige Liebe.“ (vgl. Gotteslob 8, 6)
Angelus Silesius hat in seinem Cherubinischen Wandersmann den Vers:
„Halt an! Wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir! Suchst du Gott
anderswo, du fehlst ihn für uns für.“
Als
die heilige Katharina von Siena in ihrer Not klagt: „Mein Gott,
wo warst du, als mein Herz in Finsternis und Tränen war?“ Da hört
sie die Antwort: „Meine Tochter, hast du nicht gespürt? Ich war in
deinem Herzen.“
R.
Tagore meint: „Der Mensch strebt danach, das Leben außerhalb
seiner selbst zu finden und begreift nicht, dass das Gesuchte in ihm
selber liegt.“
Der
Himmel ist in dir! Gott ist in dir! Suche Gott in dir!
In einem Gedicht von Theresa von Avila
spricht Gott:
Wenn dein Sehnen Mich nicht findet, dann
such nicht dort u. such nicht hier;
gedenk, was dich im Tiefsten bindet, und,
Seele, suche Mich in dir.
Du bist Mein Haus und Meine Bleibe, bist
Meine Heimat für uns für.
Ich klopfe stets an deine Tür, dass dich
kein Trachten von Mir treibe.
Und meinst du, Ich sei fern von hier,
dann ruf Mich und du wirst erfassen,
dass Ich dich keinen Schritt verlassen:
Und, Seele, suche Mich in dir!
Gott sagt zum Menschen: „Du bist mein Haus und meine Bleibe, bist
meine Heimat für und für.“ Und: „Suche mich in dir!“.
Gott
ist ganz nahe. Er ist uns wirklich näher als wir uns selbst.
Ein
orientalisches Märchen erzählt, dass Gott sich einmal verstecken wollte.
Er wollte einfach mal seine Ruhe, nichts mehr hören und nichts mehr
sehen. Da fragte er seine Engel, wo er sich am besten verstecken könnte.
Einer meinte: „Hinter den höchsten Berggipfeln“. Ein anderer:
„An der tiefsten Stelle im Ozean.“ Wieder ein anderer: „Auf der
erdabgewandten Seite des Mondes.“ „Auf einem fernen Stern.“ – So
kamen verschiedene Vorschläge. – Gott war mit keiner Antwort recht
zufrieden. Da fragte man einen Meister, der schon zu Lebzeiten sehr
berühmt war. Dieser sagte: „Verbirg dich im menschlichen Herzen, das
ist der letzte Ort, an den sie denken werden. Da sucht dich kein
Mensch.“
Henry Nouwen erzählt in einem Buch, wie er sieben Monate zu Gast war
in einem amerikanischen Trappistenkloster.
Zu
Beginn dieser Zeit bat er den Abt um ein Meditationswort.
Der
Abt sagte ihm: „Meditieren Sie diese Zeit hindurch das Wort: Ich bin
die Herrlichkeit Gottes.“ Und er fügte hinzu: „Sie sind der Ort,
den Gott sich zur Wohnung erwählt hat. Und das geistliche Leben besteht
in nicht mehr und nicht weniger als in dem Versuch, ihm den Raum zu
schaffen, in dem sich seine Herrlichkeit offenbaren kann.“
Wenn wir das glauben könnten: „Ich bin die Herrlichkeit Gottes“.
In mir
wohnt die Herrlichkeit des dreifaltigen Gottes. Das wäre beseligend. Das
würde alle Angst vertreiben. Das könnte unser Herz weit machen und froh.
Bei
Johannes Tauler findet sich das Wort: „Wer sehen könnte, wie im
Seelengrund Gott wohnt, den würde dieses Gesicht selig machen.“
Ein
indischer Weiser lehrte bereits vor Jahrhunderten: „Wer in seinem
innersten Selbst den unsichtbaren Gesetzgeber aller Dinge erkennt und
ihm allein vertraut, der hat die Seligkeit erlangt.“
Die
Karmelitin Elisabeth von Dijon bekennt: „Ich habe den Himmel auf
Erden gefunden, denn der Himmel ist Gott und Gott ist in mir. – An dem
Tag als ich dies verstanden habe, ist mir alles hell geworden. Dieses
Geheimnis möchte ich allen mitteilen.“
Die
Frage ist: Was können wir tun, dass wir des Wohnens Gottes in
uns, der Herrlichkeit Gottes in uns, immer mehr innewerden?
Was
können wir tun, dass diese Kostbarkeit uns beseligt und dass wir
darin aufleben?
Ein erstes: Wir können uns dessen betend immer wieder erinnern!
Betend, meditierend uns der Gegenwart Gottes in uns, seines Wohnens in
uns innewerden. Innewerden, welches Licht in uns ist – unter aller
Verhüllung und Überlagerung, bei aller Unordnung, die da manchmal
herrscht, und aller Armseligkeit.
„Göttliches Licht, Heiliger Geist, ewige
Liebe!
Du, näher mir als
ich mir selbst, innerer als mein Innerstes:“
Innewerden, dass tief in meinem Wesensgrund Gottes Geist, Gottes Kraft,
Gottes Gnade eingesenkt ist und mich erfüllt, durchdringt, belebt und
beseelt.
Glauben, dass Gott in mir ist, sich bewusst einüben in die Gegenwart
Gottes. Gott ist gegenwärtig. Leben in der Gegenwart Gottes!
Ein zweites: Wenn Gott selbst in mir wohnt, wenn Christus in mir
Wohnung genommen hat, wenn ich Tempel des heiligen Geistes bin, sollte
dann nicht auch Gottes Liebe und sein Friede in mir wohnen, mich immer
mehr prägen, formen und bestimmen, aber dann auch ausstrahlen, so dass
ich wie ein Fenster durchscheinend werde und Gottes Liebe, Gottes Licht,
Gottes Friede weitergebe?
Ein drittes: Tempel Gottes bin nicht nur ich.
Auch
die/der neben mir, der Bruder, die Schwester ist Tempel Gottes. Auch in
ihm/ihr wohnt Gottes Geist. Auch er/sie ist Wohnort der Liebe Gottes.
Auch die, die mich nervt. Auch der, den ich nicht so gut leiden kann.
Auch der Lästige und die Unausstehliche. Auch der Unsympathische, mit
dem ich Mühe habe. Auch diejenige, auf die ich schon allergisch
reagiere, wenn ich sie nur sehe. Und auch derjenige, den ich am liebsten
zum Mond schießen würde.
Theres von Lisieux sagt:
„Ohne Jesus jeden Menschen lieben wollen, ist für mich so unmöglich wie
die Sonne in der Nacht scheinen zu lassen… Aber je mehr ich mit Jesus in
mir verbunden bin, desto mehr kann ich alle meine Schwestern lieben!“
Versuchen zu lieben, wie ER, Jesus
geliebt hat!
Die
Liebe üben, Geduld haben, auch da, wo es schwerfällt.
Verzeihen, vielleicht sogar dort, wo ich nicht schuld bin.
„Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben,
welchen Lohn wollt ihr dafür erhalten. Tun das nicht auch die Heiden?“
Von
Martin Buber stammt das Wort: „Es gibt nur eine Sünde: zu
vergessen, das jeder Mensch ein Königskind ist.“
Wir
alle sind Königskinder! Wir sind getauft! Wir alle sind ausgezeichnet
mit einer einmaligen Würde.
Wo wohnt Gott?
Und
auch das ist wahr: Wo die Güte und die Liebe, da ist Gott. –
Ubi caritas et amor, deus ibi est. |