Ich
erinnere mich: Als Kinder gab es für uns um Weihnachten oder Dreikönig
herum ein Missionskästchen. Das Geld, das wir oder die Eltern da hinein
taten, war für die Armen in Afrika bestimmt.
Ich
erinnere mich auch: Für 20 oder 25 DM konnte man ein Heidenkind kaufen
und ihm einen christlichen Namen geben.
Als
Belohnung bekam man eine Karte mit jungen Christenmenschen, die einem
mit großen Augen und blitzend weißen Zähnen anschauten.
Ich
erinnere mich auch: An der Weihnachtskrippe in der Kirche gab es einen
Opferstock wo der schwarze Mann dankbar mit dem Kopf nickte, wenn man
ein Geldstück hineinwarf.
In jedem
katholischen Haushalt gab es wohl einen Missionskalender oder eine
Missionszeitschrift. Da gab es tolle Geschichten aus fernen Ländern, von
tapferen Missionaren, die den Heidenvölkern den Glauben brachten,
Leprakranke heilten, sich um arme Waisenkinder kümmerten und viele
Strapazen im Urwald auf sich nahmen usw.
Ich
erinnere mich wie in Bensheim, als ich dort Schüler war, Ende der 60er
Jahre, zwei junge Kapuziner feierlich in die Mission nach Sibolga in
Indonesien ausgesandt wurden. Für mich waren es Abenteurer in den
Fußstapfen der großen Völkermissionare, eines Apostels Paulus oder eines
Franz Xaver. Ich selber wollte einmal Missionar werden.
Ich
erinnere mich noch an einen Lichtbildervortrag von dem
Kapuzinermissionar Bruder Blasius bei seinem Heimaturlaub.
Er
erzählte total begeistert, wie ein Wasserfall, ohne kaum Luft zu holen.
Ein Mitbruder musste nach einigen Minuten das nächste Dia einfach
reinschieben, sonst hätte Bruder Blasius kein Ende gefunden.
Den
Heidenvölkern den Glauben bringen, aber auch Kirchen bauen,
Handwerkerschulen errichten, Polikliniken, Kindergärten, Ordenshäuser,
Priesterseminare, Brücken bauen, Brunnen bohren… Viele Projekte! Die
Herausforderungen waren riesig. Und dabei selber auf Wohlstand und
europäischen Lebensstandard verzichten. Arm mit den Armen leben. Den
Einheimischen nichts überstülpen. Sie ernst nehmen. Inkulturation war
das große Stichwort.
Manches
von dem, was ich jetzt aufgezählt habe, mag es noch geben. Vieles auch
nicht mehr. Die Zeiten haben sich geändert.
Mission
ist schon lange keine Einbahnstraße mehr. Wir sind nicht mehr nur die
Geber – Geldgeber, Glaubensweitergeber – und die andern die Empfänger.
Während
die Zahl der Christen in Afrika, Asien und Lateinamerika wächst, nimmt
sie hier in Europa drastisch ab. Wachsender Glaubensverlust, leere
Kirchenbänke, immer größere Entkirchlichung und Entchristlichung der
Gesellschaft. Nicht nur Priestermangel, auch Gläubigenmangel. Die
Glaubensweitergabe klappt nicht mehr.
Viele
indische Schwestern, afrikanische Priester und ausländische Patres
helfen hierzulande das pastorale und sakramentale Leben einigermaßen
abzudecken und aufrechtzuerhalten.
Europa,
einst Heimat vieler Missionare, ist selbst zum Missionsgebiet geworden.
- Viele Kinder werden nicht mehr getauft und christlich erzogen, weil
sie „das selber einmal entscheiden sollen“. Nur noch etwa die
Hälfte der Deutschen sind Christen. Und viele sind es nur auf dem
Papier. – Deutschland ist Missionsland!
Ich weiß:
das hört sich am Weltmissionssonntag irgendwie komisch an. Aber es ist
so. Kaum jemand wird das ernsthaft bestreiten.
Und eine
Änderung bzw. Besserung ist nicht in Sicht.
Manchmal
frage ich mich: Was hat Gott mit uns vor? Was will er uns sagen oder
zeigen? Wie soll es weitergehen?
Jetzt
schon sind bei der schrumpfenden Zahl der Theologiestudenten an den
katholischen Fakultäten die Priesteramtskandidaten mit der Lupe zu
suchen. Wie wird das erst in fünf oder zehn Jahren sein?
Die
Kapuziner des deutschen Sprachraums, dazu gehören auch Österreich,
Südtirol und die Schweiz, haben im Moment keinen einzigen Kandidaten,
keine Postulanten und keine Novizen.
Eine
Niederlassung nach der anderen muss aufgelöst werden, zuletzt das
Käppele in Würzburg (2014) und das Kapuzinerkloster in Bad Mergentheim
(2015). Es fehlt an Berufungen, an Ordensnachwuchs.
Und auf
der diözesanen Ebene: Kirchen werden profaniert, abgerissen, umgewidmet.
Pfarrgemeinden werden zusammengelegt, immer größere Seelsorgeeinheiten,
immer anonymer die Seelsorge.
Was
nützen all die Arbeitskreise, Räte, Kommissionen, Umfragen,
Dialogpapiere, Strategiediskussionen, pastoralen Pläne und strukturellen
Veränderungen?
Wenn dann
noch Skandale dazukommen wie der Missbrauchsskandal oder diese
schreckliche Geschichte in Limburg… Wird da nicht innerhalb von Wochen
und Monaten kaputt gemacht, was mühsam über Jahre und Jahrzehnte
aufgebaut wurde?
Dazu
bläst uns beim Thema Weltmission der Wind noch aus ganz anderen
Richtungen ins Gesicht. Die Frage ist:
Warum
überhaupt Mission? Sind nicht alle Religionen gleichwertig? Soll doch
jeder nach seiner Fasson selig werden? Aber wo bleibt dann der
Missionsauftrag, den Jesus den Seinen gegeben hat, wo die Verkündigung
der Frohbotschaft, das Zeugnisgeben, wie Jesus es von uns haben will? „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“
Nicht nur
die Hauptamtlichen, jede und jeder von uns ist gesendet! Warum soll ich
auch nicht weitersagen, was mich freut, woraus ich lebe, was mich trägt?
Warum den Glauben nicht weitergeben, wenn er mir Halt gibt und meinem
Leben Sinn verleiht? Warum nicht von Jesus Christus erzählen, wenn er
für mich der Weg ist, die Wahrheit und das Leben?
Schwächelt vielleicht unser christliches Selbstbewusstsein?
Wir haben
doch der Welt etwas anzubieten, was sonst niemand ihr gibt: die
Sprengkraft gelebter Hoffnung, das Zeugnis, dass Gott uns liebt, dass er
in Jesus Christus uns erlöst und befreit hat, dass unser Leben ein Ziel
hat.
Was uns
jetzt zusätzlich verunsichert und zu schaffen macht:
Die
Flüchtlingsströme und dabei die wachsende Zahl von Muslimen.
Müssen
wir eine zunehmende Islamisierung des sog. christlichen Abendlandes
befürchten?
Ehrlich
gesagt: Sorgen macht mir weniger eine möglicherweise drohende islamische
Überfremdung, Sorgen macht mir vielmehr die eigene Lauheit und
Gleichgültigkeit, der zunehmende Glaubensverlust, die abnehmende
christliche Glaubenssubstanz.
Angesichts all dieser Dinge können wir uns an einer Frage nicht mehr
vorbeimogeln. Sie lautet: Wie steht es mit unserem eigenen Glauben?
Verflacht und verdunstet der auch? Wie stark sind wir selber in unserer
Religion verwurzelt und beheimatet? Können wir in Glaubensfragen noch
Auskunft und Antwort geben?
Vor
allem: Ist da noch Glaubensglut? Ist da noch Leidenschaft für Gott? Oder
hüten wir nur noch Asche? Bedenken wir:
Nur
Ergriffene ergreifen! In uns selbst muss brennen, was wir in anderen
entzünden möchten.
Es gibt,
in der Tat, eigentlich nichts Dringenderes als Neuevangelisierung. Da
gebe ich dem Papst und den Bischöfen vollkommen Recht, denen das ein
großes Anliegen ist.
Aber
Evangelisierung beginnt bei uns selbst. Wir müssen den Glauben wieder
neu lernen, ihn vertiefen und stärken!
Mission
gehört zum Wesen der Kirche. Keine Frage!
Aber sie
beginnt bei uns, im eigenen Innern, an unserer eigenen Haustür. Wir
brauchen selbst die Erneuerung und die Besinnung auf unsere Wurzeln.
Herr,
baue deine Kirche – und fange bei mir an!
Lass den
Glauben wachsen bei allen Völkern – und fange bei mir an!
Lass
Frieden werden überall auf Erden – und fange bei mir an! |