Vorgestern, am Donnerstag, liebe
Schwestern und Brüder, war es 50 Jahre her, dass Papst Johannes XXIII.
am 11. Okt. 1962 das II. Vatikanische Konzil feierlich eröffnet hat.
Ebenfalls vorgestern, am Tag des
Konzilsjubiläums, hat Papst Benedikt XVI. ein „Jahr des Glaubens“
ausgerufen, das bis zum Christkönigssonntag 2013 dauern wird.
Gleichzeitig tagt in Rom seit dem 7.
Oktober die Weltbischofsynode. Drei Wochen lang geht es 250 Bischöfen
und Ordensoberen um das Thema „Neuevangelisierung“.
Konzilsjubiläum – Jahr des Glaubens –
Weltbischofssynode
Welch gewaltiger Dreiklang! Man kann nur
hoffen und darum beten, dass daraus eine Symphonie des Aufbruchs wird!
Wohl kein anderes Ereignis hat die Kirche
im 20. Jahrhundert so geprägt, liebe Schwestern und Brüder, wie das II.
Vatikanische Konzil.
Ein berühmtes und viel zitiertes Wort in
diesem Zusammenhang lautet „Aggiornamento“. Es geht auf Johannes
XXIII. selbst zurück.
Was heißt „Aggiornamento“?
Wörtlich übersetzt bedeutet es soviel wie
„Verheutigung“ im Sinne von Ins-Heute-Bringen, Vergegenwärtigung,
Aktualisierung.
Es kann auch Angleichung, Anpassung
bedeuten. Anpassung aber in einem guten Sinn! Anpassung nicht als
Anbiederung, Einebnung, Verflachung, sondern als Verlebendigung und
Erneuerung.
Es ging beim II. Vatikanische Konzil
darum – und es geht auch heute noch darum – liebe Schwestern und Brüder,
das Evangelium Jesu Christi so zu verkünden, dass es von den Menschen
verstanden, aufgenommen, angenommen und im Leben fruchtbar gemacht wird.
Es ging vor 50 Jahren darum – und es geht
heute nicht weniger darum – den Glauben an Gott so transparent zu
machen, dass die Menschen etwas damit anfangen können, dass sie merken,
das ist gar nichts Gestriges, gar nichts Verstaubtes, sondern das geht
mich an, das hat Bedeutung für mich und mein Leben.
Die Botschaft der Kirche, liebe
Mitchristen, muss daher immer wieder in Bezug gesetzt werden zu den
Zeichen und Herausforderungen der jeweiligen Zeit. Das meint „Aggiornamento“.
Neue Herausforderungen erfordern neue
Lösungen.
Treue zur Tradition
besteht ja nicht darin, einfach alles zu lassen, wie es ist, an alten
Formen und Gestalten festzuhalten.
Treue zur Tradition
besteht darin, die Verkündigung der Kirche so zu erneuern, dass die
ewige und uralte Botschaft von Gott, vom Reich Gottes, von der Erlösung
ankommt, rüber kommt, lebendig und wirksam wird.
Treue zur Tradition
schließt, so gesehen, immer die Bereitschaft zur Reform ein.
Ein alter Grundsatz lautet:
„ecclesia
semper reformanda“.
Die Kirche bedarf immer wieder der
Erneuerung.
Mit dem II. Vatikanischen Konzil ist
allerdings keine neue Kirche entstanden. Das Konzil hat nicht einfach
mit dem Alten gebrochen und an dessen Stelle Neues gesetzt.
Das ist ein großes Missverständnis oder
eine Unterstellung!
Das
II. Vatikanische Konzil
reiht sich vielmehr ein in eine 2000 jährige Kirchengeschichte. Es setzt
das Werk der vergangenen Konzilien in der Gegenwart fort. Den
Konzilsvätern ging es darum, die überlieferte Lehre wieder neu zum
Sprechen zu bringen, um dadurch den Menschen von heute einen Zugang zum
Glauben zu eröffnen.
Als
Johannes XXIII. vor mehr als 50 Jahren an ein Konzil dachte und anfing,
davon zu träumen und zu sprechen, da fragte ihn eines Tages ein
Kardinal, was er damit bezwecke und was das denn bringen soll. Da ist
er, so wird erzählt, ans Fenster gegangen, hat es geöffnet und hat
gesagt: „Frische Luft!“
Mich beeindruckt
der Mut dieses Papstes, der ja auch nicht mehr der Jüngste war, sein
Mut, im Vertrauen auf den Hl. Geist etwas Neues und etwas Großes zu
wagen.
Mich beeindruckt
der Mut und die Zuversicht der Konzilsväter, sich den Herausforderungen
der Zeit innerhalb und außerhalb der Kirche zu stellen, die Zeichen der
Zeit zu erkennen und zu versuchen adäquate Antworten zu finden und auch
heiße Eisen anzupacken.
Der Mut und die Zuversicht, die Papst
Johannes beseelten und mit ihm seinen Nachfolger Papst Paul VI., der das
Konzil weiter und zu Ende geführt hat, dieser Mut und diese Zuversicht
haben ihre Quelle nicht in einem allgemeinen Optimismus oder
Fortschrittglauben, sondern im Glauben daran, dass Christus seine Kirche
liebt, dass er in ihr gegenwärtig ist und dass der Heilige Geist die Kirche
auf dem Weg durch die Geschichte führt und leitet.
Als
es Johannes XXIII. selbst einmal angst und bange war und ihn die Last
des Amtes und die Bürde der Verantwortung bedrückte, da hörte er eine
innere Stimme, die ihm sagte: „Guiseppe, wer
führt die Kirche, du oder der heilige Geist?“
Unsere Zeit,
liebe Schwestern und Brüder hat auch ihre Herausforderungen, und zwar
nicht wenige und nicht geringe. Ich nenne nur die Stichworte
Globalisierung, Säkularisierung oder die Krise der Ökologie.
Auch die Kirche
steht vor großen Aufgaben und Herausforderungen. Dazu gehört an erster
Stelle, zumindest in unseren Breitengraden und hierzulande die Krise des
Glaubens.
Sie wissen, liebe Mitchristen, der
christliche Glaube ist nicht mehr selbstverständlich. Er ist eine
Möglichkeit unter vielen geworden. Nicht wenige Getaufte haben in den
vergangenen Jahren die Kirche verlassen oder sind innerlich auf Distanz
zu ihr gegangen. In den Augen vieler hat die Kirche an Glaubwürdigkeit
verloren.
Wir stehen heute erneut vor der Aufgabe,
den Glauben so zu verkünden und so zu leben, dass er wieder zu einem
anziehenden und überzeugenden Angebot wird.
Und da ist – angesichts des dramatischen
Glaubensverlustes – in der Tat „Neuevangelisierung“ das Thema und
das Gebot der Stunde.
Dafür braucht es allerdings keine neue
Taktik oder Strategie. Der Weg ist in den Evangelien vorgezeichnet.
Raus aus der Verzagtheit und
Ängstlichkeit! Ran an die Hecken und Zäune der Gesellschaft! Einer
Gesellschaft, die immer mehr entchristlicht, immer gottloser wird,
obschon die Sehnsucht nach Glaube und Religion unermüdlich in den Adern
pocht.
Die Herausforderung ist riesig. Aber auch
die Chancen sind da. Allerdings, nicht der Klerus allein ist
zuständig für diese neue Evangelisierung.
Das ist Sache aller Getauften. Das geht
alle Gläubigen an!
Worauf kommt es dabei an?
Meines Erachtens ist das gelebte Zeugnis
ganz wichtig.
Denn Worte belehren nur, Beispiele reißen
mit.
Und nur Ergriffene ergreifen.
In mir selber muss brennen, was ich in
anderen entzünden will.
Und so sind wir aufgerufen, die
Säkularisierung, die Entchristlichung in unserem eigenen Leben zu
entdecken und ihr Leidenschaft für Gott, glühenden Glauben und mutiges
Bekenntnis und Zeugnis entgegenzusetzen.
Wir sind aufgerufen, mit der
Neuevangelisierung bei uns selbst zu beginnen.
Wo aber das Glück des Glaubens spürbar
wird, liebe Schwestern und Brüder,
wo erfahren wird, wie die Begegnung mit
Christus das Leben verändert,
wo erfahren wird, wie der Glaube an Gott
das Leben hell und heil und froh macht,
ich bin sicher, da ist auch Kirche wieder
gefragt.
Darum beginnt Neuevangelisierung nicht in
Rom auf der Synode. Sie beginnt auch nicht irgendwann, wenn ein
Synodenpapier vorliegt.
Der Aufbruch beginnt jetzt, hier und
heute – bei jedem Einzelnen!
„Herr, erwecke deine Kirche und fange bei
mir an!
Herr, baue deine Gemeinde und fange bei
mir an!
Herr, bringe deine Botschaft zu allen
Menschen
und fange bei mir an!“ |