EVANGELIUM
Er
wählte aus ihnen zwölf aus; sie nannte er auch Apostel
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
12In
jenen Tagen ging Jesus auf einen Berg, um zu beten. Und er verbrachte
die ganze Nacht im Gebet zu Gott.
13Als
es Tag wurde, rief er seine Jünger zu sich und wählte aus ihnen zwölf
aus; sie nannte er auch Apostel.
14Es
waren Simon, dem er den Namen Petrus gab, und sein Bruder Andreas, dazu
Jakobus und Johannes, Philippus und Bartholomäus,
15Matthäus
und Thomas, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, genannt der Zelot,
16Judas,
der Sohn des Jakobus, und Judas Iskariot, der zum Verräter wurde.
17Jesus
stieg mit ihnen den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen
Schar seiner Jünger stehen, und viele Menschen aus ganz Judäa und
Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon
18strömten
herbei. Sie alle wollten ihn hören und von ihren Krankheiten geheilt
werden. Auch die von unreinen Geistern Geplagten wurden geheilt.
19Alle
Leute versuchten, ihn zu berühren; denn es ging eine Kraft von ihm aus,
die alle heilte.
Liebe Schwestern und Brüder!
Am
Fest des heiligen Franziskus haben wir gehört, wie Franziskus als junger
Mann außerhalb der Stadt Assisi in dem halbzerfallenen Kirchlein San
Damiano um Klarheit für seinen Weg, um Auftrag und Sendung betet. Er
weiß: Gott hat etwas mit ihm vor, aber was? – Da hört er vom Kreuz herab
die Stimme: „Franz, siehst du nicht wie mein Haus zerfällt, geh stell
es wieder her!“
Franziskus nimmt das ganz wörtlich. Er sammelt Steine und fängt an, das
Kirchlein wieder aufzubauen. Dass er das wörtlich nimmt, ist
verständlich. Er tut das naheliegende. Und das macht zunächst auch
einmal Sinn.
Denn
Menschen brauchen Orte, an denen sie sich versammeln können. Menschen
brauchen Orte, an denen sie der Nähe Gottes sicher sein können, wo man
sagen kann: Hier wohnt Gott. Hier ist das Allerheiligste. Hier feiern
wir Gottesdienst, hier versammeln wir uns zu Andacht und Gebet. Hier
kann jeder und jede auch ganz persönlich still werden, sich sammeln,
beten, sich Gott anvertrauen, verweilen in seiner Gegenwart.
Deshalb braucht es Kirchen, deshalb wurden sie gebaut, Kirchen aus
Steinen, so wie diese Kirche, unsere Hauskirche, die in der Mitte des
Kreszentiastiftes steht, wo wir uns heute am Sonntagmorgen zur heiligen
Messe versammelt haben.
Fest
steht auch: Gott selbst braucht keine Kirche. Wir können ihn überall
finden. Wir können ihm jederzeit begegnen. Aber wir brauchen die Kirche
aus Steinen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Erst
später geht Franziskus auf, dass der Gekreuzigte in San Damiano nicht
nur das Kirchlein aus Steinen meinte, das er wieder aufbauen sollte,
sondern, dass er und seine Brüdergemeinschaft gerufen sind, die Kirche
von innen her wieder aufzubauen und sie zu erneuern, eine Kirche aus
lebendigen Steinen.
Kirche aus lebendigen Steinen, das finden wir auch im heutigen
Evangelium. Da sehen wir, wie Jesus seine Kirche baut, auch nicht aus
Steinen, sondern aus Menschen, aus den Zwölf, aus den Menschen, deren
Namen wir gerade gehört haben.
Interessant für mich ist, wen da Jesus auswählt. Ausgerechnet DIE!
Denn wir wissen ja, dass da nicht alle eine „weiße Weste“ haben. Das
sind nicht alles „Heilige“ wie wir sie uns vorstellen – zumindest damals
noch nicht.
Petrus zum Beispiel ist einer, der immer schnell eine Antwort hat,
einer der viel verspricht – und doch so wenig hält – und wenn es ernst
wird, wenn es darum geht, die eigene Haut zu retten, dann verleugnet er
den Herrn sogar.
Oder Matthäus, das ist ein korrupter Zöllner und Betrüger, den Jesus
in seine Gemeinschaft ruft.
Und
so könnten wir sie alle durchgehen – und bei jedem könnten wir etwas
finden, das nicht in Ordnung ist.
Hätte es da nicht Bessere gegeben, wenn man so etwas Heiliges wie die
Kirche bauen will? Bestimmt hätte es Bessere gegeben.
Doch
die Kirche – und das soll wohl deutlich werden – die Kirche ist nicht
das Werk der Menschen, sondern das ist vor allem das Werk Jesu Christi.
Hier zählt nicht, was Menschen sind und was sie können, wie gut und
ordentlich sie sind, sondern da zählt, was Gott mit ihnen anfangen kann,
wenn sie bereit sind, sich auf ihn einzulassen, wenn sie JA sagen zu ihm
– und wenn er dann aus den Steinen, die uns vielleicht gar nicht gut
genug gewesen wären, Ecksteine macht, Grundsteine und tragende Säulen.
Gott
ist es, der auswählt, Gott ist es, der beruft – und er macht die zum
Fundament, die er als die Richtigen ansieht. Da entscheidet nicht
Menschen-Maß, sondern Gottes-Maß.
Deshalb, liebe Schwestern und Brüder, keine Angst vor Fehlern und
Schwächen – nicht vor den eigenen und auch nicht vor denen der anderen:
Keine Angst! Denn was uns fehlt, das kann Gott ersetzen. Und wo wir uns
selbst nicht gut und genug erscheinen, da kann Gott ergänzen und gut
machen, ja sogar heilig, wenn es an der Zeit ist.
Da ist noch ein Zweites, was mich an diesem Evangelium fasziniert:
Jesus zeigt dieser Kirche, die er gerade gebaut hat, wozu sie gut ist,
wozu sie dienen soll: Jesus steigt mit den Zwölf den Berg hinab, so hieß
es da gerade. Und er geht mit ihnen in die Ebene hinab. Die Ebene, das
ist nicht nur eine geographische Beschreibung, sondern das will vor
allem heißen. Er geht mit ihnen zu denen, die unten sind: zu den Kranken
und Geplagten, zu denen, die Hilfe brauchen.
Und
damit will er deutlich machen: Seine Kirche, die soll sich nicht in
Höhen versteigen. Seine Kirche, die soll sich nicht irgendwo „oben“
einrichten, um dort ungestört und allein mit ihrem Gott zu sein, sondern
sie soll hinuntergehen, sie soll zu den Menschen gehen, um ihnen zu
dienen, denen, die ganz unten sind: Den Geplagten und Abgeschriebenen,
und den Kranken und Alleingelassenen, den Sündern und Hilflosen.
Eine
Kirche, die nicht wartet, bis man zu ihr kommt, sondern die zu denen
geht, die nicht mehr können und nicht mehr kommen wollen – um auch denen
das Heil zu bringen. Eine Kirche, die für andere da ist, die dient, eine
Kirche, von der eine Kraft ausgeht, eine Kirche, die rettet und heilt
und befreit.
Welch wunderschöner Gedanke: Eine Kirche, die dient, von der eine Kraft
ausgeht, die rettet, heilt und befreit!
Wohl
uns, wenn wir Kirche so erfahren. Wohl uns, wenn uns das zuteil wird.
Liebe Schwestern und Brüder,
diese Kirche, das sind wir aber alle, die wir auf den Namen unseren
Herrn Jesus getauft sind. Und da wird dann die Gabe auch zur Aufgabe.
Wir können, dürfen und sollen weitergeben, was wir selbst empfangen. So
kann auch von jedem von uns auf seine und ihre Weise Heil und Segen,
Licht und Leben ausgehen, egal wie alt wir sind. Wir können aufrichten
und trösten. Wir können Hoffnung geben und Zuversicht schenken. Auch das
ist eine Erfahrung von christlicher Gemeinschaft, von Kirche.
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