Wir befinden uns im Jahr der Eucharistie. Papst Johannes
Paul II. hatte es einberufen.
In dieser Zeit sind wir eingeladen,
uns neu auf die hl. Eucharistie, auf dieses zentrale Geheimnis unseres Glaubens
zu besinnen.
Es ist der Wunsch des verstorbenen
Papstes, „dass das Sakrament der Eucharistie immer mehr als das Herz des
Lebens der Kirche erfahren wird.“ (Gebetsmeinung vom Juni 2005)
Johannes Paul II. nennt das
Sakrament der Eucharistie „das Herz des Lebens der Kirche“. Und die
Gebetsmeinung geht dahin, dass die Eucharistie immer mehr als solches erfahren
wird: „Herz des Lebens der Kirche“.
Wir können die hl. Eucharistie gar nicht
häufig genug und intensiv genug betrachten, um zu einem tieferen und gläubigeren
Verständnis dessen zu kommen, was wir das „heilige Sakrament des Altares"
nennen oder auch „Sakrament der Liebe Gottes“ oder sogar das „Allerheiligste“.
Doch es geht nicht nur um ein besseres Verstehen, sondern in erster Linie um
einen innigen und gläubigen Mitvollzug der hl. Messe. Als zweites geht es um
eine andächtige Verehrung des Leibes und Blutes Christi auch außerhalb der
Eucharistiefeier. Diese Frömmigkeit außerhalb der Eucharistiefeier kennt
viele Formen. Die Fronleichnamsprozession ist wohl die feierlichste. Aber auch
in anderen stillen Formen der Andacht findet sie Ausdruck, z. B. in der
eucharistischen Anbetung .
Wir beten mit dem Papst, „dass das Sakrament der Eucharistie immer mehr als
das Herz des Lebens der Kirche erfahren wird“.
Ich habe mich einmal gefragt, wo das bei mir der
Fall ist. Wo erfahre ich das und wo habe ich es in meinem Leben erfahren:
„das Sakrament der Eucharistie als das Herz des Lebens der Kirche“.
Ich erinnere mich noch gut an die Krankenkommunion bzw. den sog.
„Versehgang“ in meiner Kindheit . Als kleiner Ministrant durfte ich Pfarrer
Wohlfarth am Herz-Jesu-Freitag zu den Kranken begleiten. Wir gingen zu Fuß durch
die Straßen des Dorfes, der Pfarrer in Soutane, Chorrock und Stola, ich in
Ministrantenkleidung. Der Priester trug in einem kleinen Täschchen, der sog.
Burse, die heilige Kommunion. Ich hatte eine Schelle und gab damit ein Zeichen, wenn
wir Leuten auf der Straße begegneten. Die Leute hielten inne, viele
knieten nieder und bekreuzigten sich. Die Männer nahmen ihre Kopfbedeckung ab.
Auf mich hat das als kleiner Bub Eindruck gemacht.
Wo wir dann mit der Kommunion hinkamen, war in der Wohnstube oder im
Krankenzimmer ein Hausaltar gerichtet und es fand eine kleine eucharistische
Andacht statt.
Eucharistie: Wir sehen nur die weiße Hostie, ein kleines Stücklein Brot.
Doch unser Glaube bekennt: Hier ist Jesus Christus und schenkt sich uns zur
Speise.
Mächtig imponiert hat mir der Patron der Ministranten, der heilige Tarzisius. Es war zur Zeit der römischen Christenverfolgung. Die Legende
erzählt, Tarzisius sei in Rom von Heiden erschlagen worden, und zwar als er mit
der hl. Kommunion auf dem Weg zu Kranken und Gefangenen war. Tarzisius hat sich
geweigert, den neugierigen Heiden die Eucharistie zu zeigen. Sie haben sich über
ihn lustig gemacht. Sie wollten ihm sein „Geheimnis“ entreißen. Er hat die hl.
Kommunion fest an sich gedrückt, sie verteidigt. Auf keinen Fall sollten die
Hostien der Schändung preisgegeben werden. Lieber ist er den Märtyrertod
gestorben.
1962 bei einer Volksmission in Hettingen/Odw. (meine Heimatgemeinde) hat
einer der beiden Kapuzinerpatres, die die Volksmission hielten, Pater Renatus, als
Einführung in eine heilige Messe eine Begebenheit von urchristlichen Märtyrern
erzählt. Sie hat auch mit der Eucharistie zu tun und ich habe sie nicht
vergessen:
Es war um das Jahr 300. In Karthago (Nordafrika) standen etwa 50 Christen vor
Gericht. Sie waren erwischt worden, als sie sich am Sonntag zur Eucharistiefeier
versammelten. Das war von Kaiser Diokletian unter Strafe verboten. Der Richter
fragte sie also: „Ihr habt doch von dem Verbot des Kaisers gewusst?“ Sie
erwiderten: „Ja!“ „Warum habt ihr euch trotzdem über dieses Gebot
hinweggesetzt?“ Da gaben diese Männer und Frauen – die schreckliche Folter und
den grausamen Tod vor Augen – eine Antwort, die mich in ihrer Tiefe und
Schlichtheit damals ganz stark ergriffen hat und mich heute noch begeistert. Sie
sagten: „Ohne das Herrenmahl können wir nicht leben!“
Eine andere Erfahrung bezüglich Eucharistie und Gottesdienst ist noch gut
in meiner Erinnerung, nämlich wie meine Mutter oder auch die Oma, wenn
zur Wandlung die Kirchenglocken läuteten, auch wenn sie einmal nicht in
der Kirche waren, zu Hause die Arbeit unterbrochen haben, hingekniet sind und
sich innerlich mit dem Geschehen in der Kirche und am Altar verbunden haben.
Von 1964 bis 1966 war ich Klosterschüler in Zell a. H (Schwarzwald). Nach
jedem Mittagessen haben wir uns zwei und zwei aufgestellt und sind zur
benachbarten Wallfahrtskirche gezogen. Dort haben wir etwa 5 Minuten Adoratio
gehalten, d.h. Anbetung. Das hat uns Buben wahrscheinlich nicht immer viel Spaß
gemacht. Es gehörte einfach zum Tagesablauf. Geschadet hat es uns aber auch
nicht. Heute halten wir wieder Ausschau nach solchen Ritualen. Es sind heilsame
Unterbrechungen, Atempausen für die Seele, die einfach gut tun.
Eine besondere Erfahrung mit der heiligen Eucharistie hatte ich später als
Gymnasiast kurz vor dem Abitur. Ich habe in den Ferien gewöhnlich auch Pfarrer Heinrich Magnani im Kinder- und Jugenddorf Klinge besucht. Einmal, da war er
bereits schwer krank und an den Rollstuhl gefesselt, konnte ich dabei sein, wie
er bei sich zu Hause die heilige Messe feierte. Das ist mir sehr nahe gegangen: die
heilige Messe nicht in einem sakralen Raum, sondern im Wohnzimmer, für mich eine
bleibende Erinnerung, zumal ich bis heute eine große Wertschätzung und Verehrung
für diesen außergewöhnlichen Pfarrer empfinde.
Diese und ähnliche Erfahrungen haben in mir, wenn nicht den Wunsch
geweckt, so doch bestärkt, Priester zu werden.
Das Sakrament der Eucharistie habe ich als „Quelle und Höhepunkt des
christlichen Lebens“ (II. Vat. Konzil) erfahren, wirklich als „das Herz
des Lebens der Kirche“.
Später erzählte ein Mitbruder, P. Wigbert, der im KZ in Dachau war
und die schreckliche Zeit überlebt hat – er ist über 90 Jahre alt geworden – wie
sie im Priesterblock unter ganz primitiven und gefährlichen Umständen an den
hohen Feiertagen die hl. Messe gefeiert haben. Ansonsten habe er wenigstens
sonntags „geistlich“ die heilige Messe gefeiert. Das habe ihm immer wieder neu Mut
und Kraft gegeben und ihm sehr geholfen, die schlimme Zeit durchzustehen.
Sehr beeindruckt hat mich auch das Beispiel von P. Martin, der im
April 2005 gestorben ist und auf unserem Klosterfriedhof in begraben liegt.
Nach jeder heiligen Messe, die er gefeiert oder mitgefeiert hat, ging er von der
Sakristei in ein kleines Zimmer bei der Klosterpforte und hat etwa zehn Minuten
„Danksagung“ gehalten, ganz regelmäßig und sehr konsequent. Er hat sich
Zeit genommen, das liturgische Geschehen, die Begegnung mit Jesus in der
Eucharistiefeier nachzuarbeiten und besonders den Empfang der heiligen Kommunion in
dieser stillen Zeit zu vertiefen, eindringen und nachklingen zu lassen. Wenn er
das nicht täte, hat er einmal gesagt, würde ihm etwas fehlen. Es sei für ihn wie
eine „Audienz beim Herrn“. Einfach bei ihm sein. Er in mir. Ich in ihm.
Das noch eine Weile verspüren, verkosten, meditieren bringt großen geistlichen
Gewinn. Eucharistie als Einwohnung Gottes in uns. „Wer mein Fleisch
isst und mein Blut trinkt“ sagt Jesus „der bleibt in mir und ich in ihm“,
der lebt aus mir, wie ich aus dem Vater.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die heilige Kommunion ist keine Schluckimpfung, auch kein Schnellimbiss,
sondern eine personale Begegnung. Und es ist gut, sich dafür Zeit zu nehmen.
Auch eine gediegene Vorbereitung ist von Bedeutung. Einige Minuten vor
Beginn der heiligen Messe eintreffen, sich innerlich sammeln, sich darauf einstellen,
dass der Auferstandene wirklich im Wort, das wir hören, im Brot des Lebens, das
wir empfangen, im Priester, der der heiligen Messe vorsteht und in den mitfeiernden
Schwestern und Brüdern da ist, wirklich gegenwärtig ist, sich öffnen für seine
Gegenwart, sich bereiten für die Begegnung mit ihm in den heiligen Zeichen und
Geheimnissen.
Ich finde es erfreulich, dass heutzutage viele die heilige Kommunion
empfangen. Das war nicht immer so. Aber kommt dabei nicht gelegentlich die
innere und äußere Vorbereitung zu kurz? Bin ich mir bewusst, dass ich Christus
selber empfange, wenn ich zum „Der Leib Christi“ mein „Amen“
spreche?
Es sei auch die Frage gestattet: Wann war ich das letzte Mal beichten?
Ist es mir ein Bedürfnis, Jesus mit offenem Herzen aufzunehmen, wenn er zu mir
kommt?
Vor einiger Zeit habe ich die Geschichte der kleinen Klara gehört.
Ihre Mutter kommt von der Kommunion in die Bank zurück.
Klara, fünf Jahre alt, schmiegt sich ganz nah an die Mutter und sagt:
„Gell Mama, jetzt ist Jesus bei dir und wenn ich ganz nah bei dir bin, dann bin
auch ich ganz nah bei Jesus.“ Ist es nicht wunderbar, wie das kleine Mädchen von
der heiligen Kommunion denkt und sie gläubig sieht und versteht, mehr und besser als
manche Erwachsene, oder?
Es ging dann um die Frage der Frühkommunion für Klara. Der Pfarrer fragt sie: „Willst
du, dass Jesus zu dir kommt?“ Klara antwortet: „Ja, gern! Aber Jesus will
auch zu mir kommen!“ Ist das nicht großartig? Aus Kindermund in größter
Einfachheit die tiefste Wahrheit: Jesus selber will zu uns kommen.
Papst Johannes Paul II. wollte, als er das Jahr der Eucharistie ausrief,
nicht noch etwas drauf setzen zu dem, was sowieso schon in den Pfarreien, auf
Dekanats- oder Bistumsebene läuft. Er wollte, wie er ausdrücklich sagte, keine
zusätzlichen Aktionen.
In seinem Schreiben mit dem Titel „Mane nobiscum domine – Bleibe bei uns,
Herr“, sagt er: „Wenn die Frucht dieses Jahres auch nur in der Verlebendigung
der Feier der Sonntagsmesse besteht und in der Förderung der eucharistischen
Anbetung, dann war dieses Jahr ein Gnadenjahr und hat sein Ziel erreicht.“
Es freut mich, dass an vielen Orten die eucharistische Anbetung zunimmt.
Früher habe ich oft gehört, Jesus habe doch gesagt: „Nehmt und esst...“.
Die Eucharistie sei das Gastmahl Christi. Wieso dann Jesus in der Eucharistie
„aussetzen“ und anbeten?
Ich nehme wahr, dass heute wieder mehr Menschen Sehnsucht haben, im
stillen Gebet bei Christus zu sein, Ihm alle Sorgen anzuvertrauen und sich
seiner heilenden und liebenden Gegenwart auszusetzen. Warum sollen wir diese
Möglichkeit nicht nutzen und denen, die möchten, gewähren? Auch hier gilt:
Jesus will wirklich zu uns kommen und bei uns sein. Wie sehr brauchen wir sein
Licht und seine Kraft im Alltag!
Die „Kleinen Brüder und Schwestern Jesu“ samt ihrem Gründer Charles de
Foucauld können uns ein Beispiel sein. Für ihr Leben in kleinen Gemeinschaften
halten sie die Präsenz des eucharistischen Herrn für unabdingbar. Und die „Missionarinnen
der Liebe“ von Mutter Teresa haben in ihrem mit vielen Diensten und Arbeiten
ausgefüllten Tag eine volle Stunde eucharistische Anbetung. Wir wissen auch
von Bekehrungen vor dem Allerheiligsten, von wichtigen Lebensentscheidungen, die
hier eingeleuchtet und klar geworden sind. Bekannt ist auch, dass die
Ordensgemeinschaften, die sich täglich Zeit nehmen für die eucharistische
Anbetung, am wenigsten Nachwuchsprobleme haben.
Der heilige Arnold Janssen, der Gründer der Steyler Missionare, hat
regelmäßig das kleine Gebet gesprochen: „Aus Liebe zu mir bist du im
heiligsten Sakrament gegenwärtig. Darum verlange ich nach dir, o mein Jesus.“
Im Zusammenhang von eucharistischer Anbetung und stillem Gebet vor dem
Tabernakel ist das Offenbleiben unserer Kirchen ganz wichtig. Stellen
Sie sich vor: Jesus ist da und die Tür ist verschlossen! Können wir das
zulassen? In einer Zeit, in der so viele Menschen in wachsender seelischer Not
sind, müssen wir alles daransetzen, dass man möglichst ungehindert zu dem kommen
kann, der in der Eucharistie geheimnisvoll und wirklich da ist. Es muss uns ein
Herzensanliegen sein: unsere Kirchen als offene Kirchen!
Papst Johannes Paul II. schreibt: „Ihr Gläubigen alle, entdeckt das
Geschenk der Eucharistie neu als Licht- und Kraftquelle für euer tägliches Leben
in der Welt.“
Das wär’s: Eucharistie als Licht- und Kraftquelle für unser tägliches
Leben. Das wieder entdecken. Eucharistie so erfahren. Licht und Kraft schöpfen
für unseren Alltag mit seinen Sorgen und Nöten, seinem Auf und Ab.
Brauchen wir das nicht alle: Licht und Nahrung, Kraft und Mut?
An einer anderen Stelle macht der Papst auf den Zusammenhang von
Caritas und Eucharistie aufmerksam. Er zitiert einen Kirchenvater aus dem 4. Jahrhundert, den heiligen Johannes Chrysostomus. Der sagt in einer Predigt:
„Willst du den Leib des Herrn ehren? Vernachlässige ihn nicht, wenn er
unbekleidet ist. Ehre ihn nicht hier im Heiligtum mit Seidenstoffen, um ihn
draußen zu vernachlässigen, wo er Kälte und Nacktheit erleidet. Jener, der
gesagt hat: „Dies ist mein Leib“, ist der gleiche, der sagt: „Ihr habt mich
hungrig gesehen und mir nichts zu essen gegeben“, und „Was ihr dem geringsten
meiner Brüder getan habt, das habt ihr mit getan“... Was nützt es, wenn der
eucharistische Tisch überreich mit goldenen Kelchen bedeckt ist, während er
Hunger leidet? Beginne damit, den Hungrigen zu sättigen, dann verziere den Altar
mit dem, was übrig bleibt.“
Christus in der Eucharistie und Christus im Bruder, in der Schwester, es ist der
gleiche Christus. Christus in der Eucharistie will und kann uns Kraft geben, IHM
auch in den Notleidenden zu begegnen und zu dienen.
Es war in Brasilien. Bischof Dom Helder Camara berichtet davon in seinem
Buch „Gott lebt in den Armen“: Eine Ordensschwester machte einen weiten Weg, um
ihn, den Bischof, zu ihrem Hospital zu bringen. Die Schwestern waren schon über
eine Woche ohne Priester, ohne hl. Messe und ohne die Freude und Kraft der heiligen
Kommunion. Dom Helder Camara feierte mit ihnen die Eucharistie und reichte ihnen
den Leib des Herrn. Dann rief er ihnen in Erinnerung: „Liebe
Schwestern, Sie sind Tag für Tag mit dem lebendigen Christus zusammen. Sie sind
bei den Kranken. Das ist Christus! Sie pflegen, sie berühren Christus mit ihren
Händen. Das ist eine andere Eucharistie, eine andere Gegenwart des lebendigen
Christus.“
Möge das Geheimnis der Eucharistie uns alle immer wieder tief im Herzen
berühren, dieses heilige Gastmahl, in dem Christus empfangen und er selbst
unsere Speise wird, dieses heilige Gastmahl, in dem sich das Andenken seines
heilbringendes Leiden und Sterben erneuert und in dem uns das Unterpfand der
künftiger Herrlichkeit geschenkt wird. „bis nach der Zeit den Platz bereit an
deinem Tisch wir finden“.
Amen