Exerzitien mit P. Pius

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Gedanken des Heils und nicht des Unheils

(Predigt von P. Raniero Cantalamessa [Kapuziner und Päpstlicher Hausprediger]

bei der Karfreitagsliturgie 2020 im Petersdom)

 

 

Der heilige Gregor der Große sagte, dass die Schrift "mit ihren Lesern wächst", cum legentibus crescit. Sie enthüllt immer neue Bedeutungen, je nachdem, welche Fragen die Menschen beim Lesen im Herzen haben. Und in diesem Jahr lesen wir den Passionsbericht mit einer Frage - eher mit einem Schrei in unseren Herzen, der sich über die ganze Erde erhebt. Wir müssen die Antwort suchen, die das Wort Gottes uns gibt.

 

Die Lesung des Evangeliums, die wir gerade gehört haben, ist der Bericht über das objektiv größte Böse, das auf der Erde begangen wurde. Wir können es aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten: entweder von vorne oder von hinten, d.h. entweder von seinen Ursachen oder von seinen Auswirkungen.

Wenn wir bei den historischen Ursachen des Todes Christi stehen bleiben, werden wir verwirrt und jeder wird versucht sein, wie Pilatus zu sagen: "Ich bin unschuldig am Blut dieses Mannes" (Mt  27, 24). Das Kreuz wird besser durch seine Auswirkungen als durch seine Wurzeln verstanden. Und was waren die Auswirkungen des Todes Christi? Gerecht gemacht durch den Glauben an ihn, Versöhnung und Frieden mit Gott und Erfüllung mit der Hoffnung auf ewiges Leben! (siehe Röm 53, 1 - 5).

 

Aber es gibt eine Wirkung, die wir in der gegenwärtigen Situation besonders gut erfassen können. Das Kreuz Christi hat die Bedeutung des Schmerzes und des menschlichen Leidens verändert - jede Art von Leiden, physisch und moralisch. Es ist nicht länger eine Strafe, ein Fluch. Es wurde an seiner Wurzel erlöst, als der Sohn Gottes es auf sich nahm. Was ist der sicherste Beweis dafür, dass das Getränk, das uns jemand anbietet, nicht vergiftet ist? Es ist der Beweis, wenn diese Person vor uns aus demselben Kelch trinkt. Das ist es, was Gott getan hat: Am Kreuz trank er vor der ganzen Welt aus dem Kelch des Schmerzes bis auf den letzten Tropfen. Auf diese Weise zeigte er uns, dass er nicht vergiftet ist, sondern dass sich am Boden eine Perle befindet.

 

Und zwar nicht nur der Schmerz derer, die glauben, sondern jeder menschliche Schmerz. Er starb für alle Menschen: "Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen", sagte er (Joh 12, 32). Alle, nicht nur einige! Der heilige Johannes Paul II. schrieb nach dem Attentat vom Krankenhausbett aus: "Leiden bedeutet, besonders empfänglich zu werden, besonders offen für das Wirken der heilbringenden Kräfte Gottes, die der Menschheit in Christus angeboten werden" (Joh 12, 32). Dank des Kreuzes Christi ist das Leiden auf seine Weise auch zu einer Art "universellem Sakrament des Heils" für die Menschheit geworden.

 

Welches Licht wirft all dies auf die dramatische Situation, in der sich die Menschheit jetzt befindet? Auch hier müssen wir mehr auf die Auswirkungen als auf die Ursachen schauen - nicht nur auf die negativen, von denen wir täglich in herzzerreißenden Berichten hören, sondern auch auf die positiven, die wir nur durch eine genauere Beobachtung erfassen können.

 

Die Pandemie des Corona-Virus hat uns schlagartig von der größten Gefahr befreit, der Einzelpersonen und die Menschheit seit jeher ausgesetzt sind: dem Allmachtswahn. Ein jüdischer Rabbiner hat geschrieben, dass wir in diesem Jahr die Gelegenheit haben, einen ganz besonderen Osterexodus zu feiern, nämlich "aus dem Exil des Bewusstseins". Es bedurfte lediglich des kleinsten und formlosesten Elements der Natur, eines Virus, um uns daran zu erinnern, dass wir sterblich sind, dass militärische Macht und Technologie nicht ausreichen, um uns zu retten. Wie ein Psalm in der Bibel sagt: "Der Mensch in Pracht, doch ohne Einsicht, er gleicht dem Vieh, das verstummt." (Ps 49, 21). Wie wahr das ist!

 

Während er in der St. Paul's Cathedral in London Fresken malte, war der Künstler James Thornhill an einem bestimmten Punkt so begeistert von seinem Werk, dass er zurücktrat, um es besser zu sehen, und sich nicht bewusst war, dass er kurz davor war vom Gerüst zu fallen. Ein entsetzter Assistent begriff, dass ein Schreien die Katastrophe nur noch beschleunigt hätte. Ohne nachzudenken, tauchte er einen Pinsel in Farbe und schleuderte ihn in die Mitte des Freskos. Der Meister sprang entsetzt nach vorne. Sein Werk war beschädigt, aber er war gerettet.

 

Das macht Gott manchmal mit uns: Er stört unsere Projekte und unsere Ruhe, um uns vor dem Abgrund zu retten, den wir nicht sehen. Aber wir müssen uns davor hüten, uns täuschen zu lassen. Gott ist nicht derjenige, der den Pinsel auf das funkelnde Fresko unserer technologischen Gesellschaft geschleudert hat. Gott ist unser Verbündeter, nicht der Verbündete des Virus! Er selbst sagt in der Bibel: "Denn ich,...... habe Gedanken des Heils und nicht des Unheils." (Jer 29, 11).

 

Wären diese Geißeln Strafen Gottes, ließe sich nicht erklären, warum sie gleichermaßen Gute und Böse treffen und warum die Armen gewöhnlich am meisten an den Folgen leiden. Sind sie größere Sünder als die anderen?

 

Der, der über den Tod des Lazarus geweint hat, weint heute über die Geißel, die über die Menschheit hereingebrochen ist. Ja, Gott "leidet", wie jeder Vater und jede Mutter. Wenn wir das eines Tages herausfinden, werden wir uns für alle Anschuldigungen schämen, die wir im Leben gegen ihn erhoben haben. Gott nimmt an unserem Schmerz Anteil, um ihn zu überwinden. "Da er überaus gut ist - schrieb der heilige Augustinus - würde Gott in seinen Werken kein Böses zulassen, es sei denn, er ist in seiner Allmacht und Güte in der Lage, aus dem Bösen das Gute hervorzubringen".

 

Hat Gott der Vater möglicherweise den Tod seines Sohnes gewollt, um Gutes daraus zu ziehen? Nein, er hat der menschlichen Freiheit einfach ihren Lauf gelassen, damit sie jedoch Seinen Zwecken und nicht denen der Menschen dient. Dies gilt auch für Naturkatastrophen wie Erdbeben und Seuchen. Sie werden von ihm nicht herbeigeführt. Er hat der Natur auch eine Art von Freiheit gegeben, die sich natürlich qualitativ von der des Menschen unterscheidet, aber dennoch eine Form der Freiheit, sich nach ihren eigenen Gesetzen zu entwickeln. Er hat nicht eine vorprogrammierte Welt geschaffen, in der alles geplant ist. Es ist das, was einige "Zufall" nennen, aber die Bibel nennt es stattdessen "die Weisheit Gottes".

 

Die andere positive Frucht der gegenwärtigen Gesundheitskrise ist das Gefühl der Solidarität. Wann haben sich die Menschen aller Nationen im Gedächtnis der Menschheit jemals so vereint, so gleichberechtigt, so wenig im Konflikt gefühlt wie in diesem Moment des Schmerzes? Noch nie so sehr wie jetzt haben wir die Wahrheit der Worte eines unserer großen Dichter erfahren: "Friede, ihr Völker! Zu tief ist das Geheimnis der niedergeworfenen Erde". Wir haben vergessen, Mauern zu bauen. Das Virus kennt keine Grenzen. In einem Augenblick hat es alle Barrieren und Unterscheidungen von Rasse, Nation, Religion, Reichtum und Macht. Wir sollten nicht zu alten Zeiten zurückkehren, wenn dieser Moment vorüber ist. Wie der Heilige Vater uns ermahnt hat, sollten wir diese Gelegenheit nicht verpassen. Lassen wir nicht zu, dass so viel Schmerz, so viele Tote und so viel heroisches Engagement der im Gesundheitswesen Tätigen vergeblich gewesen sind. Die Rückkehr zur alten Situation ist die "Rezession", die wir am meisten fürchten sollten.

„Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg.“ (Jes 2, 4)

 

Dies ist der Augenblick, etwas von der Prophezeiung des Jesaja in die Tat umzusetzen, auf dessen Erfüllung die Menschheit schon lange gewartet hat. Sagen wir "Genug!" zu dem tragischen Wettrüsten. Sagt es mit aller Kraft, ihr jungen Leute, denn es geht vor allem um euer Schicksal. Widmen wir die unbegrenzten Mittel, die für Waffen eingesetzt werden, den Zielen, die heute am notwendigsten und dringendsten sind: Gesundheit, Hygiene, Ernährung, Armutsbekämpfung, Bewahrung der Schöpfung. Überlassen wir der nächsten Generation eine Welt, die, wenn nötig, ärmer an Gütern und Geld, aber reicher an Menschlichkeit ist.

 

Das Wort Gottes sagt uns, dass das erste, was wir in Zeiten wie diesen tun sollten, ist, zu Gott zu schreien. Er selbst ist es, der den Menschen die Worte in den Mund legt, um zu ihm zu schreien, manchmal harte Worte der Klage und fast schon der Anklage: "Wach auf! Warum schläfst du, Herr? Erwache, verstoß nicht für immer! Steh auf, uns zur Hilfe! In deiner Huld erlöse uns! " (Ps 44, 24.27). "Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?" (Mk 4, 38).

 

Möchte Gott vielleicht gebeten werden, damit er seine Wohltaten gewähren kann? Kann unser Gebet Gott vielleicht dazu bringen, seine Pläne zu ändern? Nein, aber es gibt Dinge, die Gott beschlossen hat, uns als Frucht seiner Gnade und unseres Gebets zu gewähren, fast so, als ob er mit seinen Geschöpfen die Anerkennung für den empfangenen Nutzen teilen würde. Gott ist derjenige, der uns dazu veranlasst, es zu tun: "Sucht und ihr werdet finden; sagt Jesus, klopft an und es wird euch geöffnet!" (Mt 7, 7).

 

Als die Israeliten in der Wüste von Giftschlangen gebissen wurden, befahl Gott Moses, eine Schlange aus Bronze an einem Pfahl zu erhöhen, und wer auch immer sie ansah, wurde gerettet. Jesus machte sich dieses Symbol zu eigen, als er Nikodemus sagte: "Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat." (Joh 3,14 - 15). Auch wir sind in diesem Augenblick von einer unsichtbaren, giftigen "Schlange" gebissen worden. Lasst uns auf denjenigen blicken, der für uns am Kreuz "emporgehoben" wurde. Lasst uns ihn in unserem eigenen Namen und im Namen der ganzen Menschheit anbeten. Wer ihn im Glauben anschaut, stirbt nicht. Und wenn dieser Mensch stirbt, dann um ins ewige Leben einzugehen.

 

"Nach drei Tagen werde ich auferstehen", hatte Jesus vorhergesagt (vgl. Mt 9, 31). Auch wir werden nach diesen Tagen, die hoffentlich kurz sein werden, auferstehen und aus den Gräbern unserer Häuser herauskommen. Aber nicht, um wie Lazarus in das frühere Leben zurückzukehren, sondern in ein neues Leben, wie Jesus. Ein geschwisterlicheres, menschlicheres, christlicheres Leben! Amen

 

 

 

Diese hier im Wortlaut (nach einer vorläufigen Übersetzung von Radio Vatikan) von einem Mitbruder gehaltene Predigt, hat mich sehr angesprochen und mir gut gefallen, so dass ich diese auch auf meiner Homepage veröffentlichen wollte. Pater Pius Kirchgeßner, OFMCap

 

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