EVANGELIUM
Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken
+ Aus dem heiligen Evangelium nach
Markus
In jener Zeit
13ging
Jesus wieder hinaus an den See. Da kamen Scharen von Menschen zu ihm, und er
lehrte sie.
14Als
er weiterging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sagte zu
ihm: Folge mir nach! Da stand Levi auf und folgte ihm.
15Und
als Jesus in seinem Haus beim Essen war, aßen viele Zöllner und Sünder zusammen
mit ihm und seinen Jüngern; denn es folgten ihm schon viele.
16Als
die Schriftgelehrten, die zur Partei der Pharisäer gehörten, sahen, dass er mit
Zöllnern und Sündern aß, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann er zusammen mit
Zöllnern und Sündern essen?
17Jesus
hörte es und sagte zu ihnen: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die
Kranken. Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.
Jesus hat Mut. Er beruft
einen Zöllner in seine Jüngerschar.
Zöllner galten
berufsmäßig als Sünder. Man sah in ihnen Ausbeuter, Betrüger,
Blutsauger. Außerdem arbeiteten Zöllner mit der römischen
Besatzungsmacht zusammen. Sie verdienten ihr Geld als deren
Steuereintreiber.
Zöllner waren zutiefst
verachtet, gemieden, ja regelrecht verhasst.
Für Pharisäer gab es
gegenüber Zöllnern nur eines: Ganz klare Abgrenzung
Ausgerechnet einen
Zöllner
beruft Jesus in seine Gefolgschaft.
Und, was auffällt: Dieser
steht sofort auf und folgt Jesus.
Kein Zögern, kein
Nachfragen, kein Erst-Noch, kein Wenn und kein Aber. Levi fragt nicht:
Was krieg ich dafür oder was hab ich davon? Es ist als habe Levi auf
diese Chance gewartet. Auf der Stelle ist er bereit, alles zu verlassen
und seine Leben zu ändern.
Oder war schon einiges
vorausgegangen?
War in ihm schon einiges
vorgegangen? War er mit seinem bisherigen Leben unzufrieden? Spürte er
in sich eine innere Unruhe? Fühlte er sich unerfüllt, suchend und
fragend? Hielt er Ausschau nach etwas ganz anderem?
Oder hatte er schon
von Jesus gehört?
Das könnte auch sein. Vielleicht hat er sogar Zachäus gekannt, den
Oberzöllner, und von seiner Begegnung mit Jesus vernommen: „Bei einem
Sünder ist er eingekehrt“, murrten die Frommen. Jesus aber sagte: „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren!“
Ist Levi sich seiner
eigenen Heillosigkeit bewusst?
Wie kann er frei werden
aus dem, worin er festsitzt?
Wie sich herauswinden aus
den Dunkelheiten, die ihn einhüllen?
Wie auch immer: Er ist
wohl zum Nachdenken gekommen.
Eine Sehnsucht ist in ihm
geweckt worden, eine Sehnsucht nach mehr, nach erfüllterem, nach heilem
und befreitem Leben.
Vielleicht hat er
Jesus auch predigen gehört,
auch möglich, z.B. das Gleichnis vom guten Hirten.
So ist Gott.
Er geht dem Verlorenen nach und bringt es voll Freude heim, wenn es sich
finden lässt. Bei ihm ist mehr Freude über einen einzigen Sünder, der
umkehrt als über 99 Gerechte, die meinen, sie bräuchten keine Umkehr.
Oder das Gleichnis vom
barmherzigen Vater.
So ist Gott.
Bei ihm gibt es immer einen Weg zurück. Bei ihm ist die Tür immer offen.
Es gibt keine Sünde, die Gott nicht vergeben könnte. Seine Liebe ist
größer als alle Schuld.
Die Botschaft vom Ja
Gottes zu jedem Menschen, gerade auch zum Verlorenen, Gescheiterten, von
anderen verachtet, abgeschrieben, ausgegrenzt, diese Botschaft ist
Matthäus wohl zu Ohren gekommen, nicht nur zu Ohren, sie hat vielmehr
sein Herz erreicht und den Boden bereitet für die Gunst der Stunde, den
Augenblick der Begegnung mit Jesus an der Zollstätte.
Da braucht`s dann nicht
mehr viel.
Es genügt der Blick
Jesu:
ein Sehen, das nicht am Äußeren hängen bleibt, sondern tiefer
geht, ein Sehen, das das Verwundete, Verschüttete, Sehnsüchtige
wahrnimmt, ein Sehen, das Ansehen schenkt dem Unansehnlichen und
Verachteten.
Es genügen drei Worte: „Folge mir nach!“
Ein Ruf, der ihn ganz
persönlich meint und ihm bewusst macht, was er eigentlich sucht:
Gemeinschaft, nicht mehr außerhalb stehen, dazu gehören...
Levi sieht seine Chance
und ergreift sie. Er wagt es, einen neuen Anfang zu setzen. Er ist
bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Jetzt zählt nicht mehr Profit,
Prestige und Position.
Jesus
beginnt beherrschend in die Mitte seines Lebens zu treten.
Er hört auf ihn und geht
mit ihm. Aus dem Geldeintreiber wird ein Jünger Jesu und später ein
Verkünder der Frohen Botschaft.
Was alles ein Blick
und ein Ruf bewirken kann!!
Dann finden wir Jesus
im Haus des Levi beim Essen.
„Und viele Zöllner und
Sünder“,
heißt es, „aßen zusammen mit ihm und seinen Jüngern.“
Tischgemeinschaft mit
Zöllnern und Sündern!
Für Jesus Ausdruck von
Wertschätzung, Zuwendung, Solidarität.
In den Augen der
Pharisäer eine ungeheure Provokation, ein Skandal. Für sie ist das
Verhalten Jesu total unverständlich und unerträglich! Musste er soweit
gehen? Mussten es ausgerechnet die verachteten und verstockten
Steuerpächter sein, mit denen er am Tisch sitzt und mit denen er Mahl
hält?
Jesus hört das
Murren und die Einwände der Pharisäer, auch wenn sie nicht ihn direkt
zur Rede stellen, sondern sich mit ihrem Protest und Ärger an seine
Jünger wenden.
Und er antwortet mit zwei
Sätzen. Der erste:
„Nicht die Gesunden
brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“
Jesus sieht sich als
Arzt, als Therapeut. Er sieht sich gesandt für die Kranken, die
Heillosen, für alle, die in der Sünde an sich selbst vorbei leben.
„Ich bin gekommen“,
sagt Jesus an einer anderen Stelle, „um zu
suchen, was verloren war und zu heilen, was verwundet ist.“
Das ist seine Sendung.
Jesus
antwortet mit einem 2. Satz, der ebenfalls programmatisch ist für die
Sendung Jesu. Er lautet:
„Ich bin gekommen,
um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.“
Auch dieser Satz zeigt,
wie Jesus sich selbst versteht und worin er seine Bestimmung sieht. Er
ist nicht gekommen, die Gerechten zu berufen, sondern die Sünder.
Die, die sich für richtig
halten, für recht und gut, die braucht er nicht aufzurichten, zumal wenn
sie selbst es gar nicht für nötig halten und er bei ihnen sowieso gegen
verschlossene Türen klopft.
Doch die Sünder, die ihr
Leben verfehlt haben, die gescheitert sind, die an sich selbst vorbei
gelebt haben, verstehen am ehesten seine Worte. Sie, die um ihre Armut,
Begrenztheit und Heillosigkeit wissen, sind offen für seine Botschaft.
Sie nehmen Gottes Zuwendung an. Sie sehnen sich nach Erlösung und Heil.
Diese Antworten Jesu haben
vermutlich nicht nur die Frommen damals geärgert. Sie stellen auch uns
vor Fragen:
Auf welcher Seite
stehe ich? Wo ordne ich mich zu?
Fühle ich mich den
Sündern oder den Gerechten zugehörig?
Spüre ich – wie es in einem
Lied heißt – meine engen Grenzen, meine kurze Sicht? Spüre ich,
was mich beugt und lähmt? Spüre ich, wo ich an mir selbst vorbei
lebe?
Spüre ich, wie bedürftig ich
bin, bedürftig des Heiles, der Vergebung, des Erbarmens und einer Liebe,
die sich auch mir vorbehaltlos zuwendet und mich bedingungslos annimmt?
Sehne ich mich danach, von
Gott berührt und verwandelt zu werden?
Ich kann nur beten: „Sprich du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden!“
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