EVANGELIUM
Du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel
+ Aus dem heiligen Evangelium nach
Johannes
45Philippus
traf Natanaël und sagte zu ihm: Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz
und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den Sohn Josefs.
46Da
sagte Natanaël zu ihm: Aus Nazaret? Kann von dort etwas Gutes kommen? Philippus
antwortete: Komm und sieh!
47Jesus
sah Natanaël auf sich zukommen und sagte über ihn: Da kommt ein echter Israelit,
ein Mann ohne Falschheit.
48Natanaël
fragte ihn: Woher kennst du mich? Jesus antwortete ihm: Schon bevor dich
Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen.
49Natanaël
antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von
Israel!
50Jesus
antwortete ihm: Du glaubst, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem
Feigenbaum sah? Du wirst noch Größeres sehen.
51Und
er sprach zu ihm: Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel
geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem
Menschensohn.
Philippus, Natanael, Jesus:
eine Begegnungs- und Berufungsgeschichte. Sie lädt uns ein, wieder neu
und tiefer die Verbundenheit mit Jesus zu suchen und – wie Philippus und
Natanael mit ihm den Weg zu gehen, den Weg der Nachfolge.
Bleiben wir einmal bei Natanael.
Wahrscheinlich war er ein Schriftgelehrter oder Schriftgelehrtenschüler
und stammte aus Kana in Galiläa.
Natanael kennt Nazareth natürlich:
ein Nest, wie er meint, unbedeutend, vielleicht sogar ein wenig
verrucht.
Unvorstellbar, dass von dort der Messias kommen sollte!
Außerdem:
Ist der zu erwartende Messias nicht ein Nachkomme Davids? Muss er nicht
demzufolge aus Bethlehem kommen, der Stadt Davids, eine der führenden
Städte von Juda?
Natanael hat große Bedenken:
„Aus Nazareth?“ fragt er darum skeptisch, „kann von dort etwas Gutes kommen?“
Die anderen Jünger
sind dem Ruf des Herrn gefolgt, ohne viel nachzufragen und ohne langes
Zögern. – Natanael ist ein nachdenklicher Typ, kritisch, ein
Stück misstrauisch.
Doch Philippus lädt ihn ein:
„Komm und sieh!“
Überzeuge dich selbst! Mach dir selber ein Bild! Mach deine eigenen
Erfahrungen! „Komm und sieh!“
„Kommt und seht!“
hatte Jesus selbst zu den ersten beiden Jüngern gesagt, die dem Hinweis
Johannes des Täufers gefolgt sind und hinter Jesus hergingen (vgl. Joh
1, 35ff.).
Mir fällt auf:
Philippus lässt sich auf keine Diskussionen ein.
Er lädt
einfach ein: „Komm und sieh!“ – Er kennt Jesus selbst noch nicht
lange, aber er traut ihm schon viel zu.
Anscheinend ist er überzeugt:
die Nähe Jesu, die Begegnung mit ihm, die Gemeinschaft mit ihm, seine
Worte, das wird die Vorurteile des Natanael zerstreuen, das wird seine
Bedenken auflösen und alle Zweifel schwinden lassen.
Natanael
nimmt die Einladung des Philippus an. Er ist bereit zu Jesus zu gehen
und ihn kennenzulernen. Vielleicht ist er auch nur neugierig oder er
denkt: mal sehen! Schaden kann´s nicht!
Und
dann macht er die große Überraschung:
Jesus
sieht Natanael auf sich zu kommen. Er macht ihm keine Vorwürfe wegen
seines Misstrauens. Er tadelt ihn nicht wegen seiner Skepsis. Nein, er
sagt zu ihm: „Da kommt ein echter Israelit, ein Mann ohne
Falschheit."
Das heißt:
da kommt ein würdiger Vertreter des Gottes Volkes, ein Mensch, der das
Herz auf dem rechten Fleck hat; einer der sagt, was er tut und der tut,
was er sagt; ein durch und durch ehrlicher Mann, der in der Tiefe seines
Herzens nach Gott sucht.
Als Jesus
dem Natanael sein Innerstes aufdeckt, da fragt dieser überrascht: „Woher kennst du mich?“
Natanael ist betroffen:
Wie kann Jesus ihn kennen?
Sie sind
sich doch noch nie begegnet. Wieso kann er ihm seinen Charakter auf den
Kopf zusagen?
Sie haben
doch noch nie ein Wort miteinander gesprochen.
Wieso
kennt dieser Jesus die Tiefen seines Herzens?
Ist er
doch mehr als nur der Sohn des Zimmermanns Josef aus Nazareth?
Da
gibt ihm Jesus noch einen Beweis seines göttlichen Wissens:
„Schon bevor dich Philippus gerufen hat, habe ich dich unter dem
Feigenbaum gesehen.“
Dort saß Natanael wohl, als ihn Philippus aufstöberte und ansprach.
Vielleicht hat er dort ausgeruht, vielleicht in den heiligen Schriften
gelesen, vielleicht nachgedacht oder meditiert. Jedenfalls Jesus war
nicht dabei.
Natanael versteht:
dieser Jesus verfügt über ein Wissen, über eine Erkenntnis, die von Gott
kommen muss.
Da
schwinden bei ihm Skepsis und Zweifel.
Der
Glaube bricht durch zum Bekenntnis:
„Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“
Da sagt Jesus zu ihm:
„Du wirst noch Größeres sehen!“
Das ist
noch gar nicht alles. Das ist erst der Anfang.
Und er fügt die Verheißung hinzu:
“Ihr werdet den Himmel
offen sehen...!“
Das Zeichen,
dass sich der Himmel geöffnet hat, ist Jesus selbst, der
„Menschensohn“, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, der
Abglanz des ewigen Vaters, Jesus, in dem war und ist die Fülle der
Gottheit und alles Gute.
Natanael
ist einen Weg gegangen Jesus entgegen, äußerlich und auch innerlich,
einen Weg aus dem Misstrauen zum Vertrauen, von der Skepsis zum Glauben.
Entscheidend war, dass er sich eingelassen hat auf das „Komm und
sieh!“ des Philippus.
„Komm und sieh!“
So wird
jeder von uns auch heute angesprochen – gerade auch der Zweifelnde und
Fragende.
Wir dürfen
unsere Zweifel und Fragen haben im Glauben wie Natanael oder auch der
Apostel Thomas. Wir dürfen sie auch äußern, darüber sprechen,
offen aussprechen – wie die beiden.
Es kommt darauf an,
dass wir nicht sitzen bleiben unter dem Feigenbaum unserer Zweifel.
Wenn wir trotzdem bereit sind,
uns auf Jesus Christus in seiner Kirche einzulassen und uns von ihm
ergreifen zu lassen, sind wir auf dem Weg und können zum Glauben finden
und – wie Natanael – mit der Erfahrung beschenkt werden: dieser Jesus
ist der Sohn Gottes. Er kennt das Leben jedes Menschen. Er kennt
auch mich und mein Herz. Er ist mein Erlöser und Heiland.
Wer sich zu Jesus aufmacht,
der bekommt keine Vorwürfe zu hören wegen seiner Zweifel und seiner
Skepsis. Er erlebt Offenheit, Zuneigung, er darf sich angenommen wissen
trotz aller Schuld.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Wenn wir
auf Menschen treffen, die ihre Probleme mit dem Glauben haben, die – wie
Natanael – zunächst skeptisch sind, sollten wir nicht zu schnell
resignieren, diejenigen nicht abschreiben oder in eine Schublade
stecken. Wir können sie einladen, wie Philippus seinen Freund einlädt.
Und sie so zu Jesus führen.
Und ER
sieht tiefer. ER allein kennt das Innerste eines Menschen.
Und da
gibt es oft viel mehr Gutes, als wir manchmal meinen.
„Komm und sieh!“ So ruft
uns Natanael heute zu:
Lass dich
ein auf Jesus! Hör auf ihn! Glaube ihm! Vertraue auf ihn! Folge ihm!
Lebe mit ihm! Werde immer mehr eins mit ihm!
Und eines
Tages wirst auch du den geöffneten Himmel erleben. |