EVANGELIUM
Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar der Wind und
der See gehorchen?
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Markus
35An
jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir
wollen ans andere Ufer hinüberfahren.
36Sie
schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß,
weg; einige andere Boote begleiteten ihn.
37Plötzlich
erhob sich ein heftiger Wirbelsturm, und die Wellen schlugen in das
Boot, so dass es sich mit Wasser zu füllen begann.
38Er
aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn
und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?
39Da
stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still!
Und der Wind legte sich, und es trat völlige Stille ein.
40Er
sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen
Glauben?
41Da
ergriff sie große Furcht, und sie sagten zueinander: Was ist das für ein
Mensch, dass ihm sogar der Wind und der See gehorchen?
Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!
Unser Leben gleicht einer Überfahrt von einem Ufer zum
anderen.
Die Jenseite kennen wir nicht. Auch das Dazwischen ist
weithin Ungewissheit und Wagnis.
Bei dieser Überfahrt sind Wachsamkeit, Weitblick,
Mut und Ausdauer gefordert. Immer ist diese Überfahrt ein Gehen in Neues
hinein. Immer wieder heißt es, Bekanntes zurücklassen, Vertrautes
loslassen. – Viel kann passieren auf der Fahrt. Oft läuft alles glatt.
Es geht gut. Doch dann kommt Unverhofftes dazwischen, Gefahren lauern,
Nebel ziehen auf, Unwetter droht, Unheil bricht herein.
Unser Leben gleicht einer Überfahrt von einem Ufer zum
anderen.
Auch von den Jüngern wird heute im Evangelium
gesagt, dass sie ins Boot steigen und abfahren, Bekanntes zurücklassen,
um hinüberzufahren ans andere Ufer. Die Jünger tun, was Jesus sagt. Sie
lassen sich ein. Sie folgen seiner Weisung. Er mit ihnen, sie mit ihm –
ein Bild des Glaubens und Vertrauens. Aber sie geraten in Krise. Und was
für eine! Es geht um Leben und Tod.
Jesus ist da. Er ist mit ihnen. Aber das bewahrt
sie nicht vor Unglück, Angst und Not. Der gegenwärtige Herr garantiert
kein sorgloses und unbeschwertes Leben.
Der Weg mit Jesus führt in Zerreißproben, in
Situationen, wo es einem den Boden unter den Füssen wegzieht, wo es
manchmal – wie aus heiterem Himmel – stürmt und tobt und die Wellen und
Wogen über einem hereinbrechen. Chaos um uns und in uns, Turbulenzen,
Panik, Verzweiflung, drohender Untergang.
Wir rudern mit aller Kraft. Wir legen uns ins Zeug. Doch
alles Kämpfen ist nutzlos. Alle eigenen Rettungsversuche sind umsonst.
„Meister, wir gehen zugrunde!“ rufen dir
Jünger. In der der Bedrohung erinnern sie sich an ihn, den Herrn. Sie
schreien nach ihm, der allein noch helfen kann, ER – die Ruhe im Sturm,
gelassen mitten im Untergang.
Der schlafende Gott, der stille und schweigsame
Gott, ist er auch ein wirksamer, ein helfender Gott?
Schläft Gott auch heute? Die Not der Welt, die
Angst der Menschen, die Zustände in der skandal- und krisengeschüttelten
Kirche – kümmern sie ihn?
Auch in der Kirche steigen die Wasser. In rasantem Tempo
verliert sie Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Kirchenbindung und
christliche Gläubigkeit nehmen rapide ab. Ist das Kirchenschiff gar am
Sinken? Läuft es langsam, aber sicher auf Grund? Einige rufen und
schreien zu Gott, andere protestieren, nicht wenige verlassen das Boot.
„Wo bist du Gott? Ist dir das alles
egal? Kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“ – Und doch
ist Jesus im gleichen Boot. Er ist bei uns. Er ist Mensch geworden, um
unser Schicksal zu teilen. Er ist der Immanuel, der Gott mit uns.
Die Jünger wenden sich an ihn, wecken ihn. Und
erfahren auf der Stelle, dass er aufsteht, sich erhebt, und sich als
Herr erweist, Herr über die drohenden Gewalten und chaotischen Mächte.
Sie erfahren augenblicklich die Wirkung seines Wortes. Ein
gebieterisches, ein machtvolles Wort. Die Wogen legen sich. Ruhe tritt
ein, absolute Ruhe und eine große Stille.
In diese Stille hinein fragt Jesus die Jünger:
„Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen
Glauben?“
Kein Vorwurf, aber die Frage nach dem Glauben. Das ist
die Frage auch an uns in Bedrängnis, Not und Ängsten. Wo ist mein Glaube
in den Turbulenzen meines Lebens, wenn es drunter und drüber geht, wenn
einem das Wasser bis zum Hals steht und man kein Land mehr sieht? Wo ist
unser Glaube, bei all den schlimmen Wogen und Stürmen, die auf die
Kirche einbrechen und uns schockieren, erschüttern, die die einen
sprachlos machen, andere wütend und wieder andere traurig stimmen?
Die Jünger haben keine Antwort auf die Frage nach
dem Glauben. Stattdessen stellt sich auch ihnen eine Frage: „Was ist
das für ein Mensch?“ Erstaunen und Verwunderung, Erschrecken und
Ehrfurcht. Die Jünger spüren die Nähe Gottes in Jesus, seine Macht und
Größe.
Und wir? Vertrauen wir in den Stürmen unseres
Lebens, in den Wogen der Zeit, wenn die Wellen hochschlagen, wenn das
Schifflein Petri hin und her geworfen wird? Vertrauen wir darauf, dass
Jesus Christus Herr ist, Herr über alles, was uns bedrängt? Dass er,
auch wenn er zu schlafen scheint, doch gegenwärtig ist in unserem Leben
und in seiner Kirche? Oder haben wir – wie einst die Jünger – noch wenig
Glauben, wir Kleingläubigen?
Wie wichtig und notwendig ist das Gebet zu Jesus, dass er
in uns den Glauben vermehre, dass er unseren Glauben stärke!
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn der bei uns ist und mit uns, dem sogar die
Stürme und die wilden und tosenden Wasser gehorchen, vor wem sollten wir
uns dann fürchten?
Jesus lädt uns ein, Vertrauen zu wagen. Denn
abgründiger als der schlimmste Abgrund ist das abgrundtiefe Erbarmen
Gottes und seine Treue. Dann braucht uns selbst der Tod nicht zu
schrecken, denn der Herr hat ihm die Macht genommen. Er ging in seinem
Untergang nicht unter. Gott hat ihn auferweckt. Er lebt und ist immer
bei uns.
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Entscheidende ist: „Ich bin bei euch alle Tage.“
Das gilt auch heute. – Der Herr ist bei uns. So wirksam wie die Stürme,
denen wir ausgesetzt sind und die in und um die Kirche toben, so wirksam
ist der Herr bei uns. – Provokation pur? Ja, eine Provokation zu
unerschütterlichem Vertrauen! Der Herr ist unsere Hoffnung, unser Licht
und unser Heil. Auf IHN wollen wir vertrauen und niemals verzagen!
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