Deshalb
ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.
Ährenrupfen am Sabbat.
Prompt melden sich die Gesetzeshüter. Ährenrupfen gilt als Arbeit. Also
ist es am Sabbat verboten.
Wie reagiert Jesus auf
die Vorwürfe der Pharisäer?
Er bleibt sachlich und
führt David als Beispiel an. Als Beispiel dafür, dass jemand unter
Umständen etwas Verbotenes tun kann, ohne sich schuldig zu machen. – Not
kennt kein Gebot. Und keine Regel ohne Ausnahmen.
Ganz entscheidend ist,
was Jesus dann sagt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der
Mensch für den Sabbat.“
Liebe Schwestern und
Brüder!
Unser Leben und unser
Miteinander braucht Regeln und Ordnungen. Das fängt im Straßenverkehr an
und hört bei EU-Verordnungen auf. – Aber sie dürfen nicht ausufern, sie
dürfen nicht verabsolutiert und zum Selbstzweck werden.
Jesus
wendet sich heute im Evangelium – wie auch an anderen Stellen – gegen
eine zu penible und kleinliche Auslegung des Sabbatgebotes.
„Der Sabbat ist für
den Menschen da.“
Nicht Gott braucht diesen
Tag, sondern der Mensch.
Der Sabbat
– wie auch unser Sonntag – soll dem Menschen zum Heil gereichen und ihm
zum Segen werden. Er soll ihn befreien und nicht wieder unterdrücken und
knechten.
Israel
hat viele Jahre unter der Zwangsarbeit in Ägypten gelitten. Gott aber
hat das Volk befreit aus harter Fron, aus Tyrannei und Knechtschaft. Am
Sabbat soll Israel dieser Erlösungstat Gottes dankbar gedenken.
Zurzeit Jesu
haben die Pharisäer das Sabbatgebot allerdings so eng ausgelegt, dass es
dem Menschen keine Befreiung war, sondern eine unsinnige Bürde, eine
schwere Last.
Befreit sein, aufatmen
können.
Gott will nicht, dass wir
total in Beruf und Arbeit aufgehen und schließlich darin untergehen. Er
will die heilsame Unterbrechung von alltäglicher Routine und
Betriebsamkeit. Er will die Befreiung von ständiger Unrast, pausenlosem
Aktivismus und permanentem Gefordert- Eingespannt- und in
Anspruch-genommen-Sein.
Der Mensch
soll einmal abschalten können von den Sorgen des Alltags und den Zwängen
der Arbeit. Er soll einmal herauskommen aus der Tretmühle der täglichen
Pflichten und Aufgaben, aussteigen aus dem Hamsterrad, herunterkommen,
ausspannen, aufatmen. Der Sabbat will ein „Atemholen der Seele“
ermöglichen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Es geht Jesus nicht
darum, den Sabbat abzuschaffen. Jesus hat den Sabbat grundsätzlich
anerkannt. Es ist gut, dass es ihn gibt.
C. G. Jung hat einmal
gesagt: „Der Sabbat ist das größte Geschenk des Judentums an die Menschheit“
Und er hat recht.
Das Sabbatgebot
schützt den Menschen vor Ausbeutung und Versklavung. – Aber schlimm ist
es, wenn er durch Legalismus und Formalismus selbst wieder in eine neue
Form der Unterdrückung und Versklavung führt.
Im Laufe der Zeit
kamen zum Sabbatgebot viele Vorschriften und Bestimmungen dazu, immer
neue Präzisierungen und Festlegungen. Ein ausgefeiltes Regelwerk von
Menschen.
Jesus
geht es darum, den Sabbat auf seinen ursprünglichen Sinn zurückzuführen
und ihm die Bedeutung zu geben, die Gott gewollt hat.
Der zentrale Satz
lautet: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den
Sabbat.“ Und Jesus fügt hinzu: „Denn der
Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat.“
Sehen Sie:
Wenn Jesus das sagt, wenn er sich als „Menschensohn“ bezeichnet
und wenn er behauptet, „Herr auch über den Sabbat“ zu sein, dann
tritt er mit einem ungeheuren Anspruch auf. Er reklamiert für sich eine
Vollmacht sondergleichen. Er nimmt für sich etwas heraus, was nur Gott
zusteht. Er stellt sich damit auf eine Ebene mit Gott, der den Sabbat
eingesetzt hat, als er am 7. Tag der Schöpfung ausruhte von seinen
Werken.
Liebe Mitchristen!
Schauen wir einmal auf
den Zusammenhang, in dem das heutige Evangelium steht:
-
Da hat Jesus kurz davor bei der
Heilung eines Gelähmten Sünden vergeben, was letztlich allein Gott
kann. Das hat einige Schriftgelehrte bereits gehörig gegen ihn
aufgebracht.
-
Dann hat Jesus mit Zöllnern und
Sündern Mahl gehalten – sehr zum Ärgernis seiner Gegner
-
Anschließend an die Episode des
Ährenrupfens heilt Jesus am Sabbat in der Synagoge einen Mann mit
einer verdorrten Hand. Da platzt den Gesetzeshütern vollends der
Kragen. Und sie sinnen darauf, Jesus, diesen Unruhestifter und
Gotteslästerer, nicht mehr nur verbal mundtot zu machen, sondern ihn
vollends fertig zu machen. Sie streben seine Hinrichtung an.
Merken Sie, liebe
Mitchristen:
Vordergründig geht es im
heutigen Evangeliumsabschnitt um den Sabbat. In Wirklichkeit geht aber
darum, wer Jesus ist.
Es geht um den Anspruch
Jesu, den Willen Gottes endgültig und mit göttlicher Vollmacht zu
verkünden und auszulegen.
„Der Sabbat ist für
den Menschen da.“
Wie können wir das heute
umsetzen im Blick auf den Sonntag, der für uns Christen der erste Tag
der Woche ist, der Tag der Auferstehung und immer auch ein kleines
Osterfest?
„Der Sabbat ist für
den Menschen da.“
Das heißt: Gott will das
Heil des Menschen. Was ist das Heil des Menschen? Besteht das Heil des
Menschen in Gewinn- und Profitmaximierung? Besteht es in
Produktionssteigerung oder in noch mehr Konsum? Wohl kaum.
Auch ein Zuviel an
Terminen und Aktivitäten in der Freizeit kann die sonntägliche Ruhe
rauben. Wie oft setzt sich der „Stress der Woche“ am Sonntag fort? Man
spricht von Freizeitstress: Möglichst viel hineinpacken, möglichst viel
mitnehmen, ja nichts versäumen! Stattdessen ist Entschleunigung
angesagt. Weniger kann mehr sein.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Finden wir am Sonntag zu
uns selbst! Gönnen wir uns ein Atemholen der Seele! Und finden wir zu
dem, der unser Ursprung ist und unser Ziel! Nehmen wir uns am Sonntag
auch Zeit für die Begegnung mit ihm, unseren Herrn und Erlöser, dem wir
so viel zu verdanken haben!
Meine Oma hatte ein
kleines Sprüchlein. Das hat sie oft gesagt. Es lautet: „Am Sonntag ruh und bete gern. Der Sonntag ist der Tag
des Herrn!“