Es gibt
Zeiten in unserem Leben, da spüren wir mehr als sonst, wie die Zeit
vergeht. Manchmal haben wir regelrecht den Eindruck: die Zeit läuft
davon.
Besonders
an Wendepunkten unseres Lebens erfahren wir greifbar: Gegenwart wird
Vergangenheit.
Der
Jahreswechsel ist ein solcher Wendepunkt.
Jeder von
uns hat wieder ein Jahr mehr hinter sich.
Ein
Abschnitt unseres Lebens, Wochen, Tage Stunden sind unwiederbringlich
vorbei.
Es ist
wie bei einem Fluss. Niemand kann zweimal in dasselbe Wasser steigen.
So kehrt
auch kein Augenblick, keine Minute, keine Stunde ein zweites Mal wieder.
Wir
können uns an dieses oder jenes Ereignis im vergangenen Jahr erinnern.
Wir
können dieses oder jenes Erlebnis in Erinnerung rufen, indem wir Fotos
anschauen.
Wir
können den Geburtstag, das Jubiläum oder Urlaubstage per Video Revue
passieren lassen.
Aber wir
können nichts noch einmal wirklich leben.
Jeder von
uns hat nicht nur ein Jahr mehr hinter sich.
Jeder von
uns hat auch ein Jahr weniger vor sich.
Der
Jahreswechsel kann uns bewusst machen, dass unsere Zeit befristet ist.
Verlässlich sind die Uhren, die die Lebenszeit eines jeden von uns von
Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde kürzen.
Und nicht
nur unsere persönliche Lebenszeit hat eine Grenze, die unausweichlich
auf uns zukommt.
Die Zeit
überhaupt wird ein Ende haben.
Was sagt uns das?
Was bedeutet das für mein Leben als Christ? Wie gehe ich mit dieser
Erfahrung um?
Liebe
Schwestern und Brüder!
Unser
Glaube sagt uns: Zeit ist werdende Ewigkeit.
Keine
Stunde, kein Jahr unseres Lebens verweht und vergeht ins Nichts.
An jedem
neuen Tag bauen wir an unserer Ewigkeit.
Jede
vergehende Stunde ist ein Baustein der Unvergänglichkeit, die uns Gott
zugesagt hat;
Baustein
an der ewigen Wohnung, die uns durch Christus bereitet ist.
Der
Apostel Paulus schreibt einmal:
„Was du säst, wirst du ernten. Wer reichlich sät, wird reichlich ernten;
wer spärlich sät, wird spärlich ernten.“
Wie
verbringen wir unsere Zeit?
Womit
füllen wir unsere Tage und Stunden an?
Noch ist
das Neue Jahr wie ein Buch mit vielen leeren Seiten vor uns. Was wird am
Ende drin stehen?
Vor
allem: Werden wir uns damit vor Gott sehen lassen können?
Wird das
Bestand haben vor ihm?
Noch
liegt das Neue Jahr wie ein leerer Krug vor uns. Womit werden wir ihn
füllen? Wird dieser Krug am Jahresende mit Nichtigkeiten, mit allerhand
Krust und Plunder gefüllt sein?
Mit
Streben nach Geld, Besitz, Macht, Karriere, Genuss?
„Sammelt euch Schätze im Himmel“,
sagt Jesus, „die nicht Rost und Motten
verzehren!“
Und: „Was nützt es euch, wenn ihr die ganze
Welt gewinnt, aber an eurer Seele Schaden leidet?“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Eine
große Möglichkeit liegt mit diesem neuen Jahr wieder vor uns: Dass wir
nämlich den Krug unseres Lebens auffüllen mit jenen Schätzen, die im
Angesicht Gottes nicht wie Stroh verbrennen, sondern Bestand haben.
Lassen
Sie mich das an einer Sache verdeutlichen:
Der eine
oder andere Termin steht vielleicht schon in unserem neuen
Terminkalender. Vielleicht rot geschrieben oder dick unterstrichen,
damit wir ihn ja nicht übersehen.
Wir haben
uns ja angewöhnt Termine wahrzunehmen.
Aber es
ist schlimm,
wenn wir
dann außer den Terminen nichts mehr wahrnehmen,
wenn wir
immer nur auf dem Sprung sind zum nächsten Termin,
wenn wir
die traurigen Augen des Mitarbeiters nicht mehr wahrnehmen, nicht den
alten Menschen der unsere Hilfe braucht;
wenn wir
das Zögern in der Stimme des Ehepartners nicht mehr wahrnehmen, das uns
verraten könnte, dass da noch etwas ist, etwas ganz wichtiges, was noch
nicht ausgesprochen ist.
Eine 28-
jährige Kellnerin erzählt:
„Vor
einiger Zeit habe ich einen Bierdeckel gefunden, auf dem mir ein Kunde
geschrieben hatte: Danke, dass sie mich so freundlich bedient haben.
Danke auch, dass sie mir in die Augen geschaut haben. Ich habe heute
einen schweren Tag gehabt. Ich war nicht erfolgreich und ich hatte viel
Angst. Ich glaube, dass sie das gesehen haben. Zu Hause versteht mich
niemand.“
Liebe
Mitchristen!
Wissen
Sie, wie wir vielleicht am besten unsere Zeit nutzen können? Wissen Sie,
was wir am sinnvollsten damit machen können? – Wir können unsere Zeit
verschenken!
Wie? Zeit verschenken?
Zeit ist doch Geld! Zeit ist unbezahlbar!
Wirklich?
Ist Zeit nicht mehr? Ist Zeit nicht zuletzt und zutiefst Gabe vom Herrn
aller Zeit und Ewigkeit?
Das ist
sie! Und ich selbst kann sie zur Gabe machen.
Sie kann
eines der kostbarsten Geschenke werden.
Denn mit
der Zeit geben wir nicht nur etwas, sondern uns selbst.
Bei Jörg Zink habe ich folgendes Gebet gefunden:
„Ich
bitte dich um Sorgfalt, Herr, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht
vertreibe, nicht verderbe.
Jeder
Tag ist wie ein leerer Krug. Ich möchte ihn füllen mit den ‚Schätzen’,
die nicht vergehen, Glaube, Hoffnung, Liebe.
Jeder
Tag ist ein Streifen Land. Ich möchte reichlich säen. Ich möchte
Gedanken und Gespräche, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit hineinwerfen,
und vor allem Liebe, damit Frucht wächst.“
Ich
wünsche Ihnen, dass Sie jeden Tag dieses neuen Jahres dankbar und froh
als Geschenk Gottes annehmen.
Ich
wünsche Ihnen, dass Sie es vermögen, aus der Ihnen geschenkten Zeit eine
Gabe zu machen.
Jeder Tag
ist ein Anruf Gottes an uns, ein Anruf der Liebe!
Ein Anruf
auch, Zeit zu haben und sich Zeit zu nehmen, um Liebe zu üben und da zu
sein für die Menschen, die mich brauchen.
Am
Schluss unseres Lebens werden wir einmal nach der Liebe gefragt. Allein
die Liebe zählt. |