Ein kleiner Junge
besuchte seinen Großvater. Er schaute zu, wie er an einer mächtigen Krippenfigur
schnitzte. Einige andere standen schon fertig auf dem Tisch. Und als er
ein wenig müde seinen Arm auf die Tischkante legte, ward er plötzlich gewahr,
wie all die Gestalten lebendig wurden. Und er war ganz erstaunt, dass er
mit ihnen reden konnte. - Und noch mehr: Hirten, Könige, Maria und Josef
waren nicht mehr klein und er nicht mehr groß, sondern er ging mitten unter
ihnen umher, ohne aufzufallen. - Und so ging er auch jetzt mit den
anderen nach Bethlehems Stall hinein, um das Kindlein anzuschauen. Da lag
es nun und blickte ihn freundlich an.
Plötzlich
bekam er einen Schreck und die Tränen traten ihm in die Augen. - „Warum
weinst du denn?“ fragte ihn das Christkind. „Weil ich dir gar nichts
mitgebracht habe.“ - „Ich will aber gern etwas von dir haben“,
entgegnete das Kind. Da wurde der Kleine ganz rot vor Freude. „Ich will dir
alles schenken, was ich habe“, stammelte er.
„Drei Sachen will ich von dir haben“,
sagte das Christkind. Da fiel der kleine Junge ins Wort: „Meinen neuen
Mantel, meine elektrische Eisenbahn, mein schönes Buch mit den vielen Bildern?“-
„Nein“, erwiderte das Jesuskind, „das alles brauche ich nicht.
- Schenke mir deinen letzten Aufsatz“, sagte das Christkind im
Flüsterton, damit es niemand anders hören sollte. Da erschrak der Kleine.
„Christkind“,
stotterte er ganz verlegen und kam dabei ganz nahe an die Krippe heran und
flüsterte: „Da hat doch der Lehrer ungenügend darunter geschrieben.“
- „Eben deshalb will ich ihn haben.“ „Aber warum denn?“
fragte der Junge. - „Du sollst mir immer das bringen, wo ‘ungenügend’
darunter steht. Versprichst du mir das?“ „Sehr gern!“ antwortete der
Junge.
„Aber ich
will noch ein zweites Geschenk von dir“,
sagte das Jesuskind. Hilflos schaute der Junge. „Deinen Milchbecher!“
„Aber den habe ich doch heute zerbrochen“, entgegnete er. - „Du
sollst mir immer alles bringen, was du im Leben zerbrochen hast. Ich will es
wieder heil machen. Versprichst du mir auch das?“
Wie gern wollte er das
zusagen.
„Aber nun
mein dritter Wunsch“,
sagte das Christkind: „Du sollst mir nun auch die Antwort bringen, die du der
Mutter gegeben hast, als sie fragte, wie denn der Milchbecher kaputt gegangen
ist.“
Da legte der Kleine die
Stirn auf die Kante der Krippe und weinte bitterlich: „Ich, ich, ich...“
brachte er unter Schluchzen mühsam heraus... „Ich habe den Becher
umgestoßen und ich habe ihn absichtlich auf die Erde geworfen.“ - „Ja,
du sollst mir immer alle deine Lügen, deinen Trotz, dein Böses, was du getan
hast, bringen“, sagte das Jesuskind. „Und wenn du zu mir kommst,
will ich dir helfen, gegen das alles anzugehen. Und ich will dich
annehmen in deiner Schwäche. Ich will dir immer neu vergeben. Ich will
dich an deiner Hand nehmen und dir den Weg zeigen. Willst du dir das schenken
lassen?“ - Da hob der kleine Junge den Kopf und blickte das Jesuskind
an: „Ja, das will ich!“ (erzählt
von Walter Baudet)
DU SOLLST MIR IMMER ALLES
BRINGEN, WAS IN DEINEM LEBEN UNGENÜGEND IST
Liebe
Schwestern und Brüder!
Meinen wir nicht oft,
wenn Gott zu uns sagt: „ich will etwas von dir haben“, dann müssten wir
ihm große und teure Sachen geben? Für den Bub ist es der neue Mantel, die
elektrische Eisenbahn, das schöne Buch. - Für uns Erwachsene: große
Opfer, gewaltige Verzichte, viele Gebote befolgen, eine große Spende machen.
Weihnachten sagt uns: das alles ist bei Gott gar nicht das Wichtigste; daran ist ihm so
sehr gar nicht gelegen; dazu ist er nicht auf die Erde gekommen.
An Weihnachten sagt er zu
mir: „Du sollst mir bringen, was in deinem Leben ungenügend ist: deinen
mangelnden Glauben, deine unvollkommene Liebe, deine Zweifel, deine ablehnende
Haltung, dich von mir lieben zu lassen; das unterlassene Gebet, den versäumten
Gottesdienst; die verpassten Chancen zum Guten.
All das will ich annehmen. Gib es
mir, lass es hier! Ich will es ‘genügend’, ja sehr gut machen.“
Liebe Mitchristen!
Das ist nicht mehr bloß ein
Traum. Seit Weihnachten ist das Wirklichkeit. „Heute ist euch der Retter
geboren!“
DU SOLLST MIR GEBEN, WAS
ZERBROCHEN IST. ICH WILL ES HEIL MACHEN!
Liebe
Schwestern und Brüder!
Geht in unserem Leben
nicht manches kaputt und in die Brüche? Ist da nicht so manches bruchstückhaft?
Gibt es nicht immer wieder Scherben und Tränen? - Das mag bei
Spielsachen, Milchtöpfen und anderen Dingen nicht so schlimm sein. Aber
wir Großen kennen ja auch ganz anderes:
-
Da ist die Liebe zweier
Menschen zerbrochen. Ich komme nicht darüber hinweg.
-
Da ist mein Glaube am
Zerbrechen. Zweifel nagen. Ich kann nicht mehr beten. Ich weiß nicht, wie
ich zu Gott finden soll.
-
Da ist mein Herz fast
zerbrochen. Schweres Leid ist über mich gekommen. Es hast mich ganz hart und
schlimm getroffen.
-
Jemand spürt die Not der
Trennung von den Kindern.
-
Jemand ist arbeitslos
und er fragt: Was hat mein Leben überhaupt noch für einen Sinn?
-
Jemandem macht eine
Krankheit schwer zu schaffen.
-
Jemand ist enttäuscht
worden. Hoffnungen sind zerbrochen, Vertrauen zerstört. Und die Wunde will
nicht heilen.
Ich
bin sicher: Jeder von uns kennt Zerbrochenes in seinem Leben. Jeder von uns könnte von
Verletzungen in seinem Leben erzählen. Es gibt kein Leben ohne Wunden. Viel wird
zerbrochen an Glück und an Hoffnung.
„Du sollst mir immer das bringen,
was zerbrochen ist. Ich will es heil machen. Gib mir dein Zerbrochenes! Gib mir
deine Wunden!“
Liebe
Mitchristen!
Das ist nicht mehr bloß ein
Traum. Seit Weihnachten ist das Wirklichkeit! - Wir dürfen alles
Zerbrochene ihm bringen. Wir dürfen es ihm geben, dem göttlichen Kind. Wir
dürfen es in die Krippe legen. Alles kann Erlösung und Heilung finden.
„Heute ist euch der Heiland
geboren!“
DU SOLLST MIR ALL DEINE
LÜGEN, DEINEN TROTZ, DEIN BÖSES BRINGEN.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Wie oft leiden wir
darunter, dass wir uns vor Menschen verstellen müssen, dass wir vor ihnen mit
Masken herumlaufen müssen. Wir leiden unter unseren alltäglichen Lügen.
Wir leiden unter unserer Bosheit. Wir leiden an unserem Trotz und
kommen nicht darüber hinweg. - Wo ist Hilfe? Wer holt uns heraus?
Unsere Schuld verdrängen
wir, aber sie holt uns immer wieder ein.
Wo ist Vergebung? Wer nimmt
uns so an, wie wir sind?
„Heute ist euch der Retter
geboren!“
An Weihnachten spricht Gott zu mir:
„Wenn du zu mir kommst, will ich dir helfen. Bei mir darfst du
schwach sein. Ich nehme dich an. Ich sage Ja zu dir. Immer neu will ich dir
vergeben. Ich nehme dich an der Hand und zeig dir den Weg. Willst du dir das schenken lassen?“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Das ist nicht mehr bloß ein
Traum. Seit Weihnachten ist das Wirklichkeit. - Jeder kann Frieden, den
Frieden des Herzens und Freude erfahren. - Deswegen ist Weihnachten
geworden. Deswegen ist Gott ja zu uns gekommen: „Heute ist euch der
Heiland geboren, Christus, der Herr!“
An Weihnachten sind
wir vor allen Gaben, die wir selber geben, immer schon vorweg selbst die
Beschenkten, beschenkt mit der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes.
Und das
ist die frohe Botschaft von Weihnachten:
In Jesus Christus ist uns
Gott ganz nahe gekommen und hat uns seine menschenfreundliche Liebe geschenkt.
Das Kind in der Krippe ist buchstäblich das reine „Entgegenkommen“ Gottes,
Gottes uneingeschränktes, unüberbietbares „Ja“!
-
Mächtigen muss man
gehorchen.
-
Starke muss man
fürchten.
-
Reiche mag man beneiden.
-
Kluge kann man nur
bewundern.
Vor einem Kind braucht man
keine Angst haben.
Ein Kind – kann man nur
lieben.
Darum kommt Gott nicht groß
und mächtig in die Welt,
sondern als Kind.
Schreiben
wir es uns und jedem ins Herz:
„Fürchtet euch nicht! Freut
euch! Euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr!“
Ich wünsche Ihnen, ich
wünsche mir, liebe Schwestern und Brüder, dass wir in unserem Alltag aus der Kraft dieser
Zusage leben können.
Denn: „Heute ist dir und
mir, heute ist uns der Heiland geboren!“
Gebet
Gott, du bist mit uns in
deinem Sohn Jesus Christus. Du liebst uns. – Lass uns nicht zögern, dir
anzuvertrauen, was in unserem Leben ungenügend ist, was alles zerbrochen und
verwundet ist. – Wenn wir es dir geben, kannst du es heilen und ganz machen. Du
nimmst uns an. Du verzeihst. Deine Liebe ist größer als alle Schuld. Lass uns in
dieser Zuversicht leben. Darum bitten wir.
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