Liebe Schwestern und Brüder! In
den vergangenen Wochen und Monaten haben wir viele schlechte Nachrichten gehört:
Nachrichten, die Unsicherheit und Angst ausgelöst haben. Zunächst war und ist ja
da noch immer die Corona-Pandemie mit all den Begleit- und Folgeerscheinungen.
Vielleicht waren wir selbst erkrankt oder kennen Betroffene in unserer Umgebung.
Dann kam dieser völlig unsinnige Krieg in der Ukraine dazu. Mitten in Europa
wird ein ganzes Volk ganz schlimm und bösartig in Kälte und Finsternis gebombt.
Unzählige Opfer, viel Leid, großer Not. Ganz zu schweigen von den globalen
Auswirkungen, die auch wir zu spüren bekommen. Energieknappheit, Teuerung,
Existenzängste, Zukunftsängste. Schließlich – nicht zu unterschätzen – die
Klimakrise, die sich dramatisch verschärft und deren Auswirkungen wir immer mehr
zu spüren bekommen. Und in der Kirche? Da sieht es gerade auch nicht so toll
aus. Skandale ohne Ende, Kirchenaustrittszahlen in erschreckender Höhe, heftiges
Gezänk um Reformen beim synodalen Weg.
In Begegnungen und Gesprächen
merke ich, wie sich immer mehr teils das Gefühl der Überforderung und Ohnmacht,
teils Ratlosigkeit und Resignation, teils auch – siehe „letzte Generation“,
siehe „Reichsbürger“ – Verzweiflung, Hass, Wut und Gewalt ausbreiten.
Liebe Mitchristen! Wenn ich heute
eine Geschichte erzähle, die so ganz anders klingt, dann nicht, um all das
Schlimme und Tragische in unserer Welt zuzudecken, sondern um uns daran zu
erinnern: Es gibt neben allen traurigen und bedrohlichen Nachrichten auch noch
die guten Nachrichten.
Vor allem: Es gibt noch das
Evangelium: die „Frohe Botschaft“ von der Liebe Gottes zu uns Menschen, von
einer Liebe, die so groß und verrückt ist, dass sie Mensch wird.
Nun die Geschichte vom Wolf in
Bethlehem.
Alle haben Angst vor ihm. Denn er
macht die ganze Gegend unsicher und richtet schlimmen Schaden an. – Durch den
Betrieb im Stall wird er angelockt. „Was für ein Aufsehen wegen eines kleinen
Kindes“, denkt er. Und als endlich alle Hirten wieder weg sind und Maria und
Josef vor lauter Erschöpfung eingeschlafen, da schleicht er sich heran, um nach
Beute zu suchen. „Mit dem Kind will ich beginnen“, so sagt er sich. „Ein
leichtes Fressen!“
Als er aber gerade sein Maul
aufreißt, um das Kind zu verschlingen, da streichelt das Kind sein raues,
struppiges Fell – und sagt mit einer Stimme, wie er sie noch nie zuvor gehört
hat: „Du, Wolf, ich hab dich lieb.“ – So etwas war ihm noch nie zuvor geschehen.
Noch nie hat jemand zärtlich sein raues Fell gestreichelt. Und noch nie zuvor
hatte er eine Stimme gehört, die zu ihm gesagt hatte: Du, Wolf, ich habe dich
lieb.
Und da platzte die harte, raue
Haut des Wolfes. Und aus dem Wolfsfell stieg ein Mensch heraus, der zärtlich die
Hände des Jesuskindes küsste und dann davonging, um in der Welt von der Liebe
Gottes zu künden. Jene Liebe, die so groß ist, dass sie alles verwandeln kann,
alles gut machen kann.
Liebe Schwestern und Brüder! Ich
denke, um eine solche Wandlung geht es am Weihnachtsfest. Weihnachten ist DAS
Fest der Wandlung und Verwandlung schlechthin: Gott wandelt sich. Er wird uns
gleich, ein Mensch. Und Gott wandelt uns Menschen, damit wir ihm, unserem Gott,
ähnlich werden.
Ja, Gottes Güte und Menschenliebe
erscheinen in der Geburt dieses Kindes, um uns zu neuen Menschen zu machen, um
uns zu retten. – So haben wir es im Brief des Apostels Paulus an Titus gehört. –
Der Mensch wird gerettet, aber nicht, so betont Paulus, weil wir Menschen Werke
vollbracht hätten, die uns gerecht machen könnten, sondern weil Gott Erbarmen
hat mit uns Menschen, weil er uns so gut und liebevoll behandelt.
Weil Gott uns, um noch einmal die
Geschichte zu bemühen, gleichsam über unser raues Fell streichelt und uns voll
Liebe sagt: Du, Mensch, ich habe dich lieb. Du bist mir wichtig und wertvoll. –
Du musst dich nicht länger hart und rau gebärden wie ein Wolf, sondern du darfst
aus deiner Haut heraus – und du darfst verletzlich und schwach sein, du darfst
menschlich sein. Du darfst auch alt und krank sein, behindert, erfolglos und
klein. Du darfst sogar Fehler machen. Du darfst sein, wie du bist --- Ich habe
dich lieb – trotz allem und gerade deshalb.
Ja, liebe Schwestern und Brüder!
Gott tut alles, um uns zu verwandeln. Gott geht sozusagen total aus sich heraus
und macht sich uns gleich. Er verlässt seinen Himmel und kommt auf die Erde
herunter, um uns zu zeigen, wie sehr er uns liebt – damit wir es glauben können.
Vielleicht kennen Sie jenes schöne
Gleichnis, das der große Mystiker Meister Eckhart für uns aufgeschrieben hat. Da
heißt es sinngemäß: Ein König hatte eine Frau, die er unendlich liebte. Eines
Tages verlor die Frau bei einem Unfall ein Auge. Und sie ward unendlich traurig.
– Warum seid Ihr so traurig, fragte der König? Weil ich fürchte, dass Ihr mich
jetzt nicht mehr so lieb habt wie vorher. – Da stach der König sich selbst ein
Auge aus und sprach zu seiner Frau: Damit du weißt, wie sehr ich dich liebe,
habe ich mich dir gleich gemacht.
Liebe Schwestern und Brüder! So
ist Gott! Er macht sich uns gleich – damit wir nicht mehr in Furcht vor ihm
leben müssen, sondern ihn lieben können. Er macht sich uns gleich, weil er uns
liebt – so wie wir sind: Eben Menschen, Menschen mit hellen und dunklen Seiten,
Menschen, die ihre guten Vorsätze haben und denen dann doch nicht alles gelingt,
Menschen, die so viel versprechen und dann so wenig halten können. – Menschen,
die vor allem einen brauchen: Einen Retter und Heiland. Einen, der sie
bedingungslos annimmt und aus ganzem Herzen liebt.
Und sehen Sie, liebe Mitchristen,
um uns genau das zu sein, deshalb hat er seinen hohen Himmel verlassen und ist
selbst einer von uns geworden. Ein heruntergekommener Gott – aus Liebe so
heruntergekommen!
„Einen wunderbaren Tausch hast du
vollzogen“, so heißt es in einer Weihnachtspräfation. „Dein göttliches Wort
wurde ein sterblicher Mensch und wir Menschen empfangen in Christus dein
göttliches Leben.“
Seit Weihnachtenn hat sich vieles,
ja, hat sich alles verändert: Gott hat sich verändert, damit auch der Mensch
sich verändern kann – um wirklich Mensch zu werden, Mensch wie dieses Kind in
der Krippe. Und das alles aus Liebe!
Liebe Schwestern und Brüder! Die
Hirten haben das am eigenen Leib erfahren. Die Weihnachtsgeschichte erzählt
nämlich, dass sie Gott loben und preisen, als sie wieder zu ihren Herden
zurückkehren. Und das heißt: Sie gehen verwandelt weg, als neue Menschen, als
Menschen, denen Gott ganz nahe gekommen ist. Er hat sie berührt – und sie sind
andere geworden.
Ich denke, das ist ein Punkt, der
auch mit uns zu tun hat. Wir beten an Weihnachten so innig um den Frieden in der
Welt, um Gerechtigkeit, um Heil, das alle erfahren sollen. – Aber diese Welt
wird sich nicht verändern, wenn wir uns nicht verändern. Der Wandel vollzieht
sich nur, wenn wir uns verwandeln lassen, wenn wir uns streicheln lassen von der
Liebe Gottes und wenn wir ihm glauben, dass er uns sagt: „Du Mensch, ich habe
dich lieb.“
Ja, die Welt verwandelt sich nur,
wenn wir selbst als Verwandelte nachher wieder hinausgehen – zurück in unsere
Familie, zurück an unsere Arbeit, zurück in unseren Alltag --- wenn wir nicht
wieder gleich in unsere alte Haut schlüpfen und dann alles beim Alten bleibt,
sondern wenn wir dort, wohin wir wieder zurückgehen, Gott loben und preisen.
Und das können wir am besten, wenn
wir leben, wenn wir das leben, was wir hier heute feiern: Dass wir Menschen
sind, die Gott gerettet hat, weil er an ihnen hängt und sie nicht loslässt. Dass
wir Menschen sind, die Gott liebevoll streichelt und denen er immer und immer
wieder sagt: Du, Mensch, ich hab Dich lieb – weil es Dich gibt. – Und weil du da
bist, will ich da sein für Dich.
(Einige Gedanken und
Formulierungen verdanke ich einer Predigt-Vorlage von Richard Baus)
|