Der
Sonntag nach Weihnachten fällt in diesem Jahr auf den 31. Dezember, den
letzten Tag des Jahres.
Für die
Kirche steht heute allerdings nicht Silvester, Jahresschluss und
Jahreswechsel im Vordergrund – anders mag es heute Abend sein, wenn
anderswo Vorabendmessen und Jahresschlussandachten gefeiert werden.
Die
Kirche feiert heute vielmehr – wie immer am Sonntag nach Weihnachten –
das „Fest der hl. Familie“.
Woran
denken Sie, liebe Mitchristen, beim Stichwort „Heilige Familie“?
Vielleicht sehen Sie als Bild vor sich, was wir vorhin im Lied gesungen
haben: Das Kindlein auf Heu und auf Stroh gebettet, Maria und Josef wie
sie es froh betrachten und umsorgen. Dabei die Hirten, die auf die Knie
gesunken sind und das göttliche Kind anbeten. Dazu der Engelchor, der
jubelt und singt.
Nicht
wahr, ein recht idyllisches Bild, das da gezeichnet wird.
Ein
ähnliches Bild von der hl. Familie kenne ich – und die meisten von Ihnen
wahrscheinlich auch – von früher. Es hing in vielen Häusern in der Stube
oder im Wohnzimmer: Maria am Spinnrad, Flachs spinnend; Josef als
Zimmermann, Späne hobelnd, und dabei der Jesusknabe, von der Mutter
umsorgt oder dem Vater bei der Arbeit helfend. Maria und Josef fleißig
und fromm, das Jesuskind lieb und brav. Ein idyllisches Bild. Häusliches
Glück, trautes Heim, heile Familie. Die Welt scheint in Ordnung.
Doch sind
solche Szenen und Bilder von der Heiligen Familie nicht sehr trügerisch?
Sind sie nicht allzu idyllisch und geradezu romantisch?
In der
Tat, liebe Schwestern und Brüder, das wirkliche Leben der Heiligen Familie
sah anders aus. Das war alles andere als bequem und leicht. Es war über
weite Strecken ein geprüftes Leben. Leid und Not, Angst und Sorge sind
ihnen nicht erspart geblieben.
Zunächst
gerät schon vieles – sowohl bei Maria als auch bei Josef –
durcheinander, als der Engel Maria die Geburt eines Kindes angekündigt,
das seinen Ursprung in Gott haben soll. Maria erschrickt, sie überlegt
und fragt, wie das geschehen soll?
Auch
Josefs Pläne werden über den Haufen geworfen. Als er von der
Schwangerschaft Marias erfährt, gerät in eine tiefe Krise. Er ringt sich
durch, Maria nicht bloß zu stellen, sondern sich im Stillen von ihr zu
trennen. Dann wird er aber dazu geführt, Maria zu sich zu nehmen, die
Vaterrolle für das Kind zu übernehmen, und Verantwortung für die junge
Familie.
Maria und
Josef sagten ja zu Gottes Absichten, auch wenn vieles ganz anders kam,
als sie es sich dachten, auch wenn die Zukunft für sie im Dunkeln lag.
Sie wagten viel, ganz viel. Sie hatten Vertrauen, unendlich großes
Vertrauen, in Gottes Pläne und Wege.
Dann die
Herbergsuche, Maria hoch schwanger, verschlossene Türen und Herzen.
Schließlich die Geburt im armen Stall, ein Futtertrog als Wiege. Dann
kommt es noch heftiger. Wegen des Kindermords, den Herodes plant, muss
die junge Familie fliehen, Hals über Kopf nachts auf die Straße, über
die Grenze, von Unterschlupf zu Unterschlupf, in ein fremdes Land, Asyl
suchen. – Welche Dramatik und Tragik, liebe Schwestern und Brüder!
Dann das
Suchen – drei Tage lang – voll Angst und Sorgen – nach dem 12 Jährigen
bei der Wallfahrt nach Jerusalem, wo er verloren geht, ja anfängt, seine
eigenen Wege zu gehen.
Später –
beim öffentlichen Wirken Jesu – sind da immer wieder der Kummer und die
Sorge um den Sohn, wenn er sich mit den Gesetzeslehrern anlegt und mit
den Pharisäern in Konflikt gerät.
Am Ende
ihres Lebens steht Maria unter dem Kreuz. Sie muss erleben, wie ihr
eigener Sohn – grausam geschunden und hingerichtet – zwischen zwei
Verbrechern stirbt.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Der Weg
der Heiligen Familie war von Anfang an ein steiniger Weg. Von wegen
Familienidyll! Maria und Josef, aber auch Jesus selbst, müssen immer
wieder neu lernen, die Absichten Gottes zu verstehen und seine
geheimnisvollen Wege zu begreifen.
Auch das
heutige Evangelium von der Darstellung Jesu im Tempel hat – bei aller
seligen Erfüllung der Sehnsucht des Greisen Simeon und der Prophetin
Hanna und trotz des großartigen Lobliedes, das Simeon anstimmt, als er
das Jesuskind in seine Arme nimmt – es hat als Mitte eine düstere
Weissagung. Im Blick auf Maria sagt Simeon voraus, dass ihr ein Schwert
durch die Seele dringen wird und dass sie mit ihrem Sohn viel
Schmerzliches und Leidvolles erfahren wird.
Das Kind
selbst begrüßt Simeon zwar als Licht zur Erleuchtung der Heiden und als
Messias des Volkes Israel, aber er sagt auch, dass Jesus ein Stein des
Anstoßes sein wird, dass sich an ihm die Geister scheiden werden. Wer
auf ihn hört und ihm folgt, kann erfahren, dass er aufgerichtet wird.
Wer ihn ablehnt, verfehlt das Leben und kommt zu Fall.
Merken
Sie, liebe Schwestern und Brüder, wie hier, in diese Kindheitsszene
bereits das Kreuz seinen Schatten wirft?
Liebe
Mitchristen!
Das Leben
der Heiligen Familie war keine Idylle, wie auch unser Leben keines ist.
Auch in unserem Leben gibt es neben Freude auch Leid. Es gibt Licht und
Schatten, Höhen und Tiefen.
Maria und
Josef sind trotz allem Widrigen glaubend, hoffend und liebend ihren Weg
gegangen. – Darauf kommt es an – auch bei uns im Neuen Jahr – dass wir
glaubend und vertrauend unsere Wege gehen, in der Gewissheit, dass Gott
da ist, dass er um uns weiß, dass er uns kennt und uns annimmt und
liebt.
Gott
erspart uns nicht die Prüfungen, die Herausforderungen und manchmal auch
Zumutungen des Lebens. Aber er geht alle Wege mit. Er ist auch da in
Dunkelheit und Ungewissheit. Gerade in den schweren Zeiten unseres
Lebens dürfen wir uns von ihm getragen und gehalten wissen.
Kennen Sie die Geschichte von den Spuren im Sand? Da heißt es am
Schluss: „In den Augenblicken, wo du meintest,
ich hätte dich verlassen, da habe ich dich getragen.“
Mein
Wunsch an Sie fürs Neue Jahr:
Ganz
gleich, welche Wege Sie geführt werden, ganz gleich, welche Höhen und
Tiefen Sie zu bestehen haben, ganz gleich wie viele Bedrängnisse und
Nöte Sie erwarten, lassen Sie sich nicht verwirren! Lassen Sie sich
nicht verunsichern! Verlieren Sie nie den Mut! Bewahren Sie Ihren
Glauben! Halten Sie fest an Gott! Vergewissern Sie sich immer wieder
seiner Gegenwart! Halten Sie ihm die Treue, wie er auch Ihnen die Treue
hält, ganz gewiss, egal was kommt, egal was geschieht, immer!
„Wir können dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben,
sondern weil Gott es mit uns lebt“,
schreibt Alfred Delp aus dem Gestapo-Gefängnis.
Und
Dietrich Bonhoeffer: „Gott ist mit uns, am
Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
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