„Für
das Vergangene Dank – dem Kommenden Ja.“
Ein
Ausspruch von Dag Hammarskjöld, dem ersten Generalsekretär der Vereinten
Nationen. 1961 kam er bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben –
vermutlich durch ein Attentat.
„Für
das Vergangene Dank – dem Kommenden Ja.“
Welches Satzzeichen würden Sie dahinter setzen?
Verständlich wäre ein Fragezeichen. Denn der Rückblick auf Vergangenes
regt nicht immer gleich und unbedingt zum Danken an.
Es kann sein,
dass da einiges war, was das Leben schwer gemacht hat: Krankheit,
Unglück, Leid, Not, Versagen, Unfriede.
Und
in der Welt: Gewalt und Terror, Kriege, Katastrophen, Hunger,
Flüchtlingselend. – Für das Vergangene Dank?
Und
wie sieht es mit dem Kommenden aus?
Was mag
kommen? Ist das nicht auch eher eine bange Frage?
Niemand
kann es voraussagen. Niemand weiß es mit Sicherheit.
„Der
Mensch denkt und Gott lenkt!“
Was
mag auf uns zukommen?
Wir
hoffen viel Gutes und nichts Schlechtes! Aber was bedeutet schon solche
Hoffnung? – Sie vermag weder Verkehrsunfälle zu verhüten noch
Krebszellen am Wachstum zu hindern.
Was mag auf uns zukommen?
Was mag das neue Jahr bringen?
Viele
mögen gar nicht daran denken, welche Probleme auf uns zukommen können,
was alles passieren kann, sowohl im Leben jedes einzelnen als auch
weltweit.
Ja,
was wird das neue Jahr bringen?
Noch
liegt es wie ein Buch mit vielen leeren Seiten vor uns.
Was wird
am Ende darin stehen?
Noch ist
es wie ein leerer Krug.
Womit
werden wir ihn füllen?
Noch ist
es wie ein Streifen braches Land.
Was
werden wir darauf säen? Was wird aufgehen und wachsen? Wie viel davon
wird Frucht sein und wie viel leeres Stroh?
Also
ein Fragezeichen hinter Dank und Ja?
Dag Hammarskjöld
hat ein Ausrufezeichen gesetzt.
Wie kam
er zu dieser Haltung? Kannte er nicht die Probleme und Nöte der Welt? –
Und ob! Wie kaum ein anderer! Er war nicht blauäugig. Als
UNO-Generalsekretär wurde er Tag für Tag damit konfrontiert.
Lief denn
in seinem privaten Leben immer alles perfekt und reibungslos? Gewiss
nicht! Das, was ein Menschleben ausmacht, also auch Leid und Sorgen sind
ihm nicht erspart geblieben.
Wie kommt
Dag Hammarskjöld zu dieser Haltung, zu dieser positiven Einstellung dem
Leben gegenüber? Wie findet er zu dieser Dankbarkeit im Blick auf das
Vergangene? Und wie kommt er zu solcher Zustimmungskraft im Blick auf
die Zukunft?
Seine Tagebuchaufzeichnungen,
die man nach seinem Tod gefunden hat, geben einen Hinweis. Sie sprechen
vom Vertrauen zum Leben. Sie weisen Dag Hammarskjöld als einen tief
religiösen, gläubigen Menschen aus, als einen überzeugten Christen.
1954,
eben erst ein Jahr im Amt des Generalsekretärs der Vereinten Nationen,
notiert er in sein Tagebuch folgenden Satz:
„Das Unerhörte – in Gottes Hand zu sein!“
„Unerhört“
nennt Dag Hammarskjöld die Erfahrung bzw. Gewissheit, in Gottes Hand zu
sein. – Er staunt darüber. Er ist verwundert. Es ist alles andere als
selbstverständlich. Es ist „unerhört“!
Hammarskjöld
kann es kaum fassen, dass es einen „tragenden Grund“ gibt, einen
„bergenden Halt“, eine „sichere Hand“.
Und das
mitten in einer ungesicherten Welt, inmitten so vieler Gefahren und
Bedrohungen, inmitten des schwankenden Auf und Ab der großen Weltpolitik
und der tausend persönlichen Ungereimtheiten des Lebens.
Sich trotz all dem und
in all dem aufgehoben und in guten Händen
geborgen wissen, das ist das Erstaunliche, das Unerhörte.
Können wir
am Ende eines Jahres bzw. am Beginn eines neuen Jahres die Erfahrung von
Hammarskjöld nachvollziehen?
Merken wir
etwas von dem, was Hammarskjöld für sein Leben als gültig erfahren hat,
bei uns?
Meinen wir
nicht immer wieder, wir müssten uns selber halten?
Ist es
nicht immer wieder unsere Tüchtigkeit, das, was wir bringen und
schaffen, das, was wir leisten und machen, worauf wir uns verlassen?
Ist es nicht
unser Können, unser Erfolg, sind es nicht unsere Beziehungen, auf die
wir bauen?
Sind es nicht
diese Dinge, die wir als tragenden Grund unseres Lebens ansehen?
Wir schaffen
uns die nötigen Sicherungen für unser Leben.
Wir nehmen
unser Geschick in die eigenen Hände.
Alles
im Griff. Alles unter Kontrolle. Wir machen das schon.
Alles
im grünen Bereich.
Gleichen wir nicht immer wieder dem Vogel, von dem eine Fabel folgendes
erzählt: „Ein Vogel liegt auf seinem Rücken und hat die
Beine starr gegen den Himmel gestreckt. Ein anderer Vogel kommt
vorbeigeflogen und fragt: „Was ist denn mit dir los? Was machst denn du
da?“ „Oh“, sagte der andere Vogel, „ich halte mit meinen Beinen den
Himmel. Wenn ich sie zurückziehe stürzt der Himmel ein und alle Menschen
kommen um.“ – Da kommt ein kleiner Windstoß, ein Blatt löst sich vom
Baum und landet raschelnd auf der Erde. Der Vogel erschrickt, dreht sich
um und fliegt davon. Der Himmel aber blieb, wo er war und stürzte nicht
ein.“
Was aber,
wenn auch nur eine unserer selbstgemachten Sicherheiten uns genommen
wird: Gesundheit oder Erfolg, Ansehen oder Ehre, materielle Sicherheit,
die gute Position?
Oder
eine Freundschaft zerbricht? Oder der uns nächste und liebste
Mensch stirbt? Was dann? Was trägt dann?
Jemand
hat einmal die Situation von Silvester und Neujahr in folgende schlichte
Sätze gefasst:
„Gott
kennt dein Gestern. Gib ihm dein Heute. Er sorget für dein Morgen.“
Von
Pater Pio stammt folgendes Gebet:
„Ich
biete meine Vergangenheit deiner Barmherzigkeit an, o Gott, meine
Gegenwart deiner Liebe und meine Zukunft deiner gütigen Vorsehung.“
In
einem Psalm heißt es:
„Befiel dem Herrn deinen Weg und vertrau ihm! Er wird es fügen.“
Und
sehr schön und gut finde ich das Wort:
„Ich
weiß nicht, wohin Gott mich führt, ich weiß aber, dass er mich führt!“
„Für das Vergangene Dank – dem Kommenden Ja!“
Nicht mit
einem Fragezeichen, sondern mit einem dicken Ausrufezeichen!
Ob es
nicht ein Versuch wert wäre, in solch einer Dankbarkeit auf das
zu Ende gehende Jahr zu blicken? Und mit solch einer Zustimmungskraft
entschieden, mutig und froh ins neue Jahr zu gehen? |