In der Christmette einer prächtigen
Stadtpfarrkirche wäre beinahe eine Panne passiert. Beim feierlichen
Einzug in die Kirche bemerkte der Kaplan, dass in der Krippe das
Jesuskind fehlte. - Es war in Reparatur gegeben worden und der Sakristan
hatte vergessen, es zurückzuholen. Kann ja vorkommen. Wer hat noch nie
etwas vergessen? Bei all den Vorbereitungen auf Weihnachten kein Wunder.
– Der Kaplan flüsterte dem Stadtpfarrer zu:
„Das Kind in der Krippe fehlt!“. „Psst“,
flüsterte der zurück, „wahrscheinlich merkt´s gar niemand.“ Und
tatsächlich: Keinem Menschen fiel etwas auf.
Die Geschichte hat einen tieferen Sinn.
Für wie viele, die Weihnachten feiern, ist Jesus wirklich wichtig? Würde
ihnen etwas fehlen, wenn wir lediglich die Wintersonnenwende feiern
würden?
Hauptsache ein paar freie Tage, ein
Tannenbaum mit Lichtern, ein Festtagsmenü, Geschenke, barocke Musik und
Weihnachtslieder, Weihnachtsstimmung eben, etwas für´s Herz, denn
schließlich ist Weihnachten ein Fest der Gefühle.
Ich erhielt eine Karte aus Canterbury in England, wo ich
ein Jahr zum Theologiestudium war. Eine Weihnachtskarte mit Grüssen und
Segenswünschen. Vorn auf der Karte stand der Spruch: „Bring Christ back to
Christmas!“
Bring dem Weihnachtsfest Christus zurück!
Zunächst habe ich gestutzt: Dem
Weihnachtsfest Christus zurückbringen? Doch dann habe ich gedacht: Ja,
das stimmt.
Die
Aufforderung ist durchaus berechtigt. „Bring Christ back to Christmas“.
Bring Christus dem Weihnachtsfest zurück!
Haben nicht viele Menschen unserer Tage
vergessen, worum es an diesem Fest eigentlich geht? Ist das Wichtigste
nicht auf der Strecke geblieben, verlorengegangen, abhanden gekommen?
Was feiern wir eigentlich an Weihnachten?
Dieses Fest, liebe Schwestern und Brüder,
singt und erzählt von etwas, worauf wir niemals verzichten können: von
der Liebe Gottes zu uns Menschen. Diese Liebe Gottes ist nichts
Abstraktes und Theoretisches. Sie ist zu uns gekommen, ganz nahe. Sie
ist konkret geworden. Sie ist Person geworden. Sie hat Hand und Fuß
bekommen und ein Gesicht im Kind von Bethlehem, in Jesus Christus.
Wissen Sie, was mich jedes
Jahr wieder von Neuem an Weihnachten berührt? Es ist die Zärtlichkeit
und Demut Gottes. Gott kommt auf uns zu in einem wehrlosen Kind, dieser
Welt ausgeliefert, wie jeder von uns.
Er kommt nicht als Triumphator oder
starker Held, sondern in der Gestalt und im Antlitz eines Kindes. Gottes
Sohn hält nicht daran fest, Gott gleich zu sein. Er, der Schöpfer aller
Dinge, er, der Herr des Alls, erniedrigt sich, entäußert sich und wird
in allem uns Menschen gleich außer der Sünde.
Gott nimmt die Züge eines konkreten
Menschen an, eines Menschen, der Hunger und Durst erleidet, unter der
Last des Tages ermüdet, Zuwendung und Ablehnung seiner Mitmenschen
erfährt, Freude und Leid, wie jeder von uns.
Mit
menschlichen Augen sieht er die Not der Menschen, hat Mitleid und
erbarmt sich. Mit menschlichen Ohren hört er den Hilfeschrei des blinden
Bettlers, der heidnischen Frau und vieler anderer, die am Rande stehen,
sogar eines Schächers am Kreuz. Und so wie die Engel den Hirten
verkünden:
„Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren“,
so spricht er ihm zu:
„Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Darin liegt für mich das Aufregende und Bewegende der Weihnacht, dass
Gott im Menschen Jesus Christus Licht wird für unsere dunkle Welt und
Heil und Rettung bringt für uns, die so oft Betrogenen und so vielfältig
Verlorenen.
Liebe Schwester, lieber Bruder in
Christus!
Wenn es möglich wäre, würde ich jetzt
jede und jeden Einzelnen von Ihnen beim Namen nennen und jedem und jeder
von Ihnen ganz persönlich sagen: Gott liebt Dich.
Seit Jesus darfst auch Du an die Liebe
Gottes glauben, immer wieder und trotz allem. Selbst wenn du die
Hoffnung schon aufgegeben hast, wenn du dir selbst zum Rätsel geworden
bist und du die Welt nicht mehr verstehst, wenn Missmut, Enttäuschung
und Traurigkeit Dich lähmen, wenn Ungerechtigkeit Dir zusetzt, wenn Du
Demütigungen und Beschämungen erleidest, wenn Du trotz guten Willens
Misstrauen erntest und Ablehnung einstecken musst, dann wisse:
Es gibt einen, der da ist in deinem
Leben:
Immanuel – Gott mit uns.
Wenn Freunde Dich verlassen, der Partner
Dich vernachlässigt, wenn Du keine Arbeit findest, wenn Dir die
Beschwerden des Alters zu schaffen machen, Du schlaflose Nächte hast
oder sogar eine unheilbare Krankheit auf Dein Ende hinweist, dann wisse:
Es gibt einen, der da ist in Deinem
Leben:
Immanuel – Gott mit uns.
Und wenn Du das Schöne im
Leben und in der Welt entdeckst, das Glück der Liebe erfährst,
Freundschaft, Angenommensein, Wohlwollen und Gelingen, und wenn gerade
diese Erfahrungen in Dir die Sehnsucht nach dem Größeren wecken, dann
wisse:
Es gibt einen, der da ist in Deinem
Leben:
der Deine Sehnsucht mitträgt und sie
erfüllen wird:
Immanuel – Gott mit uns.
Liebe Mitchristen! Wenn es eine Botschaft und eine Zusage gibt, von der ich
ganz fest überzeugt bin, dann ist es das Dasein Gottes, seine Gegenwart,
seine liebende und heilende Gegenwart, die uns umhüllt und durchdringt
wie die Luft, die wir atmen und ohne die wir nicht leben können.
Edith Stein betet:
„Wer bist du Licht, das mich erfüllt und meines
Herzens Dunkelheit erleuchtet? Du näher mir als ich mir selbst, innerer
als mein Innerstes. Göttliches Licht, ewige Liebe.“
Dass ER da ist und mit uns geht, davon
bin ich ganz fest überzeugt. Das habe ich immer wieder erfahren in
allem Auf und Ab meines Lebens. Und ich muss sagen: diese Gewissheit
seiner Gegenwart ist für mich trostvoll. Sie gibt mir Kraft und Mut.
Weihnachten ist für
mich ein Hoffnungsfest, ein Fest der Zuversicht.
Deus carits est. Gott ist die Liebe. Er
hat nicht nur Liebe. Gott ist Liebe. Sein Wesen ist Liebe.
Im Kind von Bethlehem wird es sichtbar.
Gott schenkt uns seinen Sohn. Und in ihm schenkt er uns seine Güte, sein
Licht, sein Erbarmen, seine Freude und seinen Frieden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Über Weihnachten stehen
die Worte:
„So sehr hat Gott die
Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für uns dahin gab, damit
jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben
hat.“
Und: „Gott hat
seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet,
sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,16 f).
Schaut auf die Krippe. Schaut auf das
Kind!
Seht die Demut und Liebe Gottes!
Als der hl. Franziskus einmal aus dem Wald vom Beten kam,
da hat er geweint. Ein Bauer begegnete ihm und fragte: „Bruder Franz,
warum weinst du?“ Franziskus antwortete: „Die Liebe Gottes wird nicht
geliebt!“ Und
die Geschichte erzählt, da habe der Bauer auch angefangen zu weinen.
Der hl. Franziskus hat die
Liebe Gottes meditiert in Krippe, Kreuz und Altar (Eucharistie) und in
ihm ist die Sehnsucht gewachsen, wieder zu lieben.
Franziskus hat gespürt:
Liebe will Antwort, Liebe will Gegenliebe.
Gottes Liebe ruft unsere
Liebe, sein Herz ruft unser Herz.
Wissen wir Menschen, die Weihnachten
feiern, das eigentlich?
Eine der schönsten und tiefsten Strophen
eines Weihnachtsliedes lautet für mich:
„In deine Lieb versenken will ich mich
ganz hinab.
Mein Herz will ich dir schenken und
alles, was ich hab.“
„Bring Christ back to Christmas!“ Ganz richtig! Aber noch mehr:
Bring
Christ back in your life! Bring Christus in dein Leben!
Glaube! Vertraue! Lass ihn
zur Mitte deines Lebens werden!
Lass dich erfüllen und
durchdringen von seinem Wort, von seinem Geist, von seinem Licht, von
seiner Kraft, von seiner Liebe, von seinem Frieden!
„Wenn du dich satt gesehen hast an dem schönen Kind in
der Krippe, geh noch nicht fort. Mach erst seine Augen zu deinen Augen,
seine Ohren zu deinen Ohren, seinen Mund zu deinem Mund. Mach seine
Hände zu deinen Händen, sein Lächeln zu deinem Lächeln und seinen Gruß
zu deinem Gruß. Dann erkennst du in jedem Menschen deinen Bruder, deine
Schwester. Wenn du ihre Tränen trocknest und ihre Freude teilst, dann
ist Gottes Sohn wahrhaft geboren und du darfst dich freuen.“ (M. Roos)
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