Liebe Schwestern und
Brüder,
ist es Ihnen aufgefallen,
dass wir in der ersten Lesung und im Evangelium zwei sehr
unterschiedliche Berichte über das Pfingstereignis gehört haben? In der
Apostelgeschichte war es die Schilderung eines Ereignisses mit Sturm und
Feuersbrausen, das da so laut über die Gemeinde von Jerusalem
hereinbricht, dass es alle in Verwunderung, Aufregung und Bewegung
versetzt. Im Evangelium klang das so ganz anders: so ganz still, sehr
innig. Und nur die Elf haben es mitbekommen.
Spannend: Für den
Evangelisten Johannes passieren Auferstehung und Geistsendung wohl sehr
zeitnah, am gleichen Tag, am gleichen Abend – nicht voneinander zu
trennen. Da tritt Jesus am Abend des Ostersonntages in die Mitte seiner
Jünger und er spricht den Friedensgruß. Wohlgemerkt, das allererste Wort
Jesu nach seinem Tod und seiner Auferstehung ist ein Friedensgruß. Kein
Stress, keine Vorwürfe, sondern ein Friedensgruß: „Friede sei mit
Euch!“. Zweimal sagt Jesus das. Und genau mit diesem wohltuenden
Gruß nimmt Jesus wieder den Kontakt mit seinen Jüngern auf.
Jesus knüpft die Fäden
wieder genau dort an, wo die Jünger sie an Karfreitag zerrissenen
hatten. Ja, Jesus setzt einen neuen Anfang: Das was war, das ist vorbei.
Dass sie ihn verlassen, verraten und verkauft haben, das hat er ihnen
vergeben. Er hat Frieden mit ihnen geschlossen – Frieden mit diesen
treulosen und schwachen Männern – so dass sie sich freuen können, ihn zu
sehen – ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen wegen ihres
Fehlverhaltens – und ohne, dass sie fürchten müssen: Da kommt noch was
nach! – Nein es kommt nichts nach – sondern es kommt etwas ganz Neues:
Jesus hauchte sie an... „Empfanget den Heiligen Geist“, so sagt
er.
Liebe Schwestern und
Brüder,
was für ein spannender
Moment: Jesus haucht sie an. Wem fällt da nicht die Erzählung von der
Erschaffung des Menschen ein? Als Gott den Menschen aus dem Ackerboden
geformt hatte, da hauchte er ihm den Lebensodem ein.
Und hier passiert etwas
ganz Ähnliches: Jesus haucht diesen Menschen seinen Atem ein, seinen
Geist. Und damit werden sie eine neue Schöpfung. Da werden sie zu neuen
Menschen.
Und was diese Elf nun als
neue Menschen tun können und tun sollen, das legt der Herr ihnen ans
Herz: Sie sollen Sünden vergeben. „Allen, denen ihr die Sünden
erlasst, sind sie erlassen. Denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“.
Diese Jünger bekommen die
Macht - und die Möglichkeit, Sünden zu vergeben, Menschen von ihrer
Schuld zu befreien, damit auch für sie neues Leben möglich wird – aber
auch die Möglichkeit, Menschen in ihrer Schuld zu belassen.
Aber ich denke, so wie
Jesus das sagt, da spüren wir, dass Jesus letzteres nicht will: Bitte
tut das nicht! Lasst die Menschen nicht in ihren Sünden! Lasst sie nicht
mit ihrer Schuld weiterleben, denn das ist kein Leben. Mit Schuld kann
man nicht leben. Sondern vergebt ihnen! Vergebt ihnen ihre Sünden!
Vergebt ihnen ihre Schuld, damit sie wieder wirklich leben können!
Liebe Schwestern und
Brüder,
so wie Gott den ersten
Adam, den ersten Menschen, nach seinem Bild geschaffen hatte, damit der
über die Erde herrsche und auf sie achte, so ist der neue Mensch nach
dem Bilde Jesu geschaffen. – Jesus, der nicht gekommen ist, um die
Menschen zu richten, sondern um sie zu retten, sie zu erlösen, um ihre
Sünden zu vergeben und sie zu befreien.
In der sakramentalen
Beichte heißt es in der Lossprechungsformel: „Unser Herr Jesus
Christus hat uns den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden….
So spreche ich dich los von deinen Sünden – im Namen des Vaters...“
Und dann ist alles wieder gut. Dann sind Gott und der Mensch wieder
miteinander versöhnt. Und die Menschen sollten es auch sein.
Liebe Schwestern und
Brüder,
Pfingsten ist das Fest, an
dem der Mensch zu einer neuen Schöpfung wird. Aber dieses Neue besteht
aber nicht darin, dass der Mensch jetzt noch frömmer, nicht noch
perfekter und noch „reiner“ oder so was wird, sondern dass er
barmherziger, gnädiger und vergebungsbereiter wird – und damit
Christus-ähnlich.
Pfingstliche Menschen sind
Menschen, die anderen vergeben und verzeihen können. Menschen, die
andere nicht in der alten Schuld belassen, sondern sie davon lossprechen
und befreien, ins Weite führen - und so neues Leben möglich machen,
versöhntes Leben, damit man wieder aufrecht vor Gott und voreinander
stehen kann. Niemand soll eingeschlossen bleiben in seiner Schuld und
seinem Versagen – so dass er zumachen und dichtmachen muss – so wie das
damals diese Jünger im Abendmahlssaal gemacht haben.
Pfingstliche Menschen
können anderen das Leben wieder aufschließen und neu möglich machen,
indem sie sie mit der gleichen Erfahrung beschenken, mit der Jesus die
Apostel beschenkt hat: Dass ihnen vergeben wird. Dass einer ihnen den
Frieden wünscht. Auch wenn nicht alles gut und richtig war im Leben,
einen Frieden, der Türen öffnet und Mauern niederreißt, einen Frieden,
der aufatmen und leben lässt. – Und das immer wieder neu. Vergebung und
Frieden, die man sich nicht erkaufen und teuer bezahlen muss, sondern
die als Geschenk erfahren werden dürfen – Geschenk, einfach aus Liebe.
Liebe Schwestern und
Brüder,
die Vergebung der Schuld
gewähren und einen neuen Frieden schenken. Das ist nicht nur der Dienst
und der Auftrag eines Priesters, sondern das sind Dienst und Auftrag
eines und einer jeden von uns - eines jeden Menschen, der getauft und
gefirmt ist und der deshalb diesen Geist empfangen hat. Das ist der
Auftrag von Pfingsten an unsere ganze Kirche. Und die Kirche, das sind
wir nun mal alle – seit jenem Pfingsten damals in Jerusalem.
Liebe Schwestern und
Brüder,
vielleicht wird es ja auch
für Sie ein besonders schönes Pfingstfest, ein Fest, an dem auch Sie
sich genauso freuen können wie diese Jünger, denen der Herr begegnet,
weil auch Sie jemanden treffen, der Sie so beschenkt wie der Herr die
Apostel beschenkt hat - einer, der Ihnen genau das verzeiht, was Sie
seit langem bedrückt und ihnen auf der Seele liegt – und der so einen
neuen Anfang mit Ihnen macht. – Oder es wird ein besonders schönes
Pfingsten, weil Sie einem andern ein Geschenk machen:
Weil Sie heute einem
anderen mal wieder ehrlich und von ganzem Herzen sagen können: Du, der
Friede sei mit Dir!
Liebe Schwestern und
Brüder,
Geschenke machen jedes
Fest schöner und zu etwas Besonderem. Und die Geschenke an Pfingsten –
das sind wohl wir selbst!
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