Nach der Himmelfahrt kehrten die Apostel wieder nach
Jerusalem zurück. Im Obergemach verharrten sie einmütig im Gebet. –
Erstaunlich finde ich, dass die Apostel alle noch mal einzeln aufgezählt
werden. Wenn man ihre Namen hört, dann ist es gar nicht so
selbstverständlich, dass sie einmütig im Gebet versammelt sind. Wenn man
diese Männer nämlich mal genauer betrachtet, dann erkennt man, dass es
ganz unterschiedliche Typen sind, ganz verschieden in ihrem Temperament,
in ihrem Charakter, in ihrer Eigenart.
Interessant ist, dass Petrus in allen
Apostellisten – auch in den Evangelien – immer an erster Stelle steht.
Nicht von ungefähr. Denn er hat sich immer wieder zum Sprecher der
anderen gemacht. Er war ihr Wortführer, auch ihr Anführer. Man könnte
fast sagen ihr „Chef“. Eigentlich hieß er Simon. Aber Jesus selbst
nannte ihn Petrus, den „Fels“. –
Aber was für ein Fels? Ein recht brüchiger und wackliger!
Er hat zwar ein großartiges Messiasbekenntnis abgelegt
als Jesus die Seinen fragte: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“
Unmittelbar danach nennt Jesus ihn aber „Satan“. „Weg
mit dir“ (wörtlich: „hinter mich!“), „denn du denkst nicht, was
Gott will, sondern was die Menschen wollen.“
Im Abendmahlsaal hat er zwar geschworen: „Und wenn
alle dich verlassen – ich nie!“ – Aber in der Ölbergnacht hat auch
er geschlafen und dann hat er Jesus dreimal verleugnet. Und doch
vertraut Jesus ihm das Hirtenamt an: „Weide
meine Schafe!“
Zusammen mit Petrus wird in einem Atemzug sein Bruder Andreas genannt. Er war zunächst Jünger von Johannes der Täufer.
Bei der ersten Begegnung mit Jesus fragt er ihn: „Meister, wo wohnst du?“ (Joh 1, 38). Er führte Petrus zu Jesus.
Bei Andreas war es wohl so etwas wie Liebe auf den ersten
Blick. Es wurde daraus Treue bis zum letzten Atemzug.
Ein zweites Brüderpaar ist unter den Aposteln: Jakobus
und Johannes. Jesus nennt die beiden „Donnersöhne“. Es waren
wohl Draufgänger, Hitzköpfe. Auf ein samaritisches Dorf, das Jesus nicht
aufnehmen will, wollen sie Feuer vom Himmel fallen lassen und es
vernichten (vgl. Lk 9, 51ff.).
Im Reich Gottes fordern sie – sehr zum Unmut der anderen
– für sich die Plätze rechts und links von Jesus (Mk 10, 35ff.) Es hat
lange gebraucht bis sie verstanden haben, dass Herrschen im Reich Gottes
Dienen bedeutet.
Jakobus hat als erster der Apostel bereits im Jahr 42 in
Jerusalem sein Leben hingegeben.
Johannes gilt als Lieblingsjünger Jesu. Er sieht das
leere Grab und glaubt. Sein Symbol ist der Adler. Er hat die Botschaft
Jesu in Gedanken immer wieder umkreist. Er hat viel nachgedacht und
meditiert. – Das vierte Evangelium, die Offenbarung und drei Briefe
tragen seinen Namen. „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4, 8) und „wir sollen einander lieben“ (1 Joh 3, 11), das ist die Kurzformel
seines Glaubens.
Philippus
wird zusammen mit Bartholomäus genannt, der identisch ist mit
Nathanael. Philippus will auch ihn für Jesus gewinnen. Dieser hat jedoch
seine Sicht der Dinge.
Noch bevor er Jesus sieht, urteilt er: „Aus Nazareth?
Kann von dort etwas Gutes kommen?“ – Philippus antwortet genauso
schlagfertig: „Komm und sieh!“
Bartholomäus, dieser Mann der Vorurteile, ließ sich eines
Besseren belehren. Und in Philippus haben wir das Beispiel, wie man für
die Sache Jesu werben kann.
Dann wird Matthäus genannt. Zöllner von Beruf, ein
Verachteter, ein Geldmensch, der in die Leute übers Ohr haut und in die
eigene Tasche wirtschaftet. Aber Jesus ruft auch ihn von der Arbeit weg
in seine Nachfolge. Matthäus arbeitete als Zöllner mit der römischen
Besatzungsmacht zusammen.
Der nächste in der Apostelliste wollte die Römer aus dem
Land jagen und scheute auch vor Gewaltanwendung nicht zurück. Es ist Simon, der Zelot, der Eiferer. Matthäus und Simon müssten eigentlich
wie Feuer und Wasser gewesen sein. Und doch gehören beide zum Kreis der
Zwölf und nach der Himmelfahrt Jesu sind sie zusammen mit den anderen
einmütig im Gebet versammelt.
Vertraut ist uns Thomas, der Kritiker, der
Skeptiker.
Mit frommen Sprüchen war bei ihm nichts zu machen.
Er wollte sehen, greifen, begreifen. Und dann fällt er
doch vor dem Auferstandenen nieder und bekennt: „Mein Herr und mein
Gott“ (Joh 20, 28).
Auch Stille und Unauffällige gibt es unter den Aposteln
wie Jakobus, den Sohn des Alphäus und Judas, den Sohn des
Jakobus.
Schließlich fehlen in der heutigen Lesung ein paar Namen:
z.B. Judas Iskariot, der Verräter. Verräter sind also auch dabei,
aus welchem Grund auch immer er den Herrn verraten hat.
Seine Stelle wird Matthias einnehmen. Er ist der
Spätberufene unter den Aposteln.
Später wird dann auch Paulus zu den Aposteln
gezählt.
Hasserfüllt hat er die Christen verfolgt und vor den Kadi
gebracht. Aber er bekehrt sich und wird der Lehrer der Heiden, der große
Völkermissionar, der später von sich sagen kann, dass er mehr getan habe
als alle Aposteln zusammen. Aber er schreibt es nicht sich selber zu,
sondern bekennt: „Durch Gottes Gnade bin ich,
was ich bin.“
Das also ist die Apostelschar:
Draufgänger, Geldmänner, Zweifler, Konvertiten. Keinen Schuss Pulver
hätte man für dieses Häuflein gegeben. Menschen mit Fehlern und
Schwächen, mit Ecken und Kanten, begeisterungsfähig, aber auch angstvoll
und kleinmütig. – Sie sollen die Welt bewegen?
Kein Wunder, dass Jesu sie dem Vater empfiehlt!
Aber sie tun etwas, was uns zu denken geben kann:
„Sie alle verharren dort einmütig im Gebet.“
Vor die Aktion setzen sie die Meditation. Vor dem
Zupacken das Händefalten. – Diese Männer, die so verschieden sind, sind
eins in der Erkenntnis, dass ihnen das Wesentliche von oben gegeben
werden muss. – In der Stille bereiten sich die großen Dinge. –
Die Apostel bereiten sich, das Werk Jesu fortzusetzen in
der Kraft des Heiligen Geistes. Der aber will erbetet sein. Er ist
Geschenk samt der Vielfalt seiner Gaben. Wir können uns nur für ihn
öffnen, in einlassen, uns davon durchströmen und erfüllen lassen.
„Sie verharrten einmütig im Gebet.“
Ich glaube, dass Maria, die Mutter des Herrn,
einen wesentlichen Teil zum ausdauernden, intensiven und vor allem auch
zum einmütigen Gebet beigetragen hat, einfach durch ihre Anwesenheit,
durch ihr Beispiel, durch ihren Glaubensmut und ihre Zuversicht.
Maria
war im Obergemach wohl so etwas wie der ruhende Pol. Sie hat ja die
Geistsendung schon einmal am eigenen Leib erfahren: „Heiliger Geist
wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“.
– Und sie hat aus dem Mund des Engels die richtungsweisenden,
hoffnungsstarken und Vertrauen erweckenden Worte gehört: „Für Gott
ist nichts unmöglich!“ Auf Golgota stand sie unter dem Kreuz. Da ist
die Mutter Jesu auch ihre und unsere Mutter geworden.
Maria
hat den Jüngern damals gut getan. Sie haben sich um sie geschart.
Auch die Kirche heute braucht Maria. Sie kann und will
auch uns hilfreiche Mutter sein, Schwester im Glauben, Gefährtin in Leid
und Hoffnung, unsere Fürsprecherin bei Gott.
Öffnen wir uns – wie sie und die Apostel – dem Heiligen Geist!
Lassen wir ihn herein und geben wir ihm Raum in unser
Leben! – Lassen wir uns von ihm durchströmen und erfüllen. Lassen wir
uns von ihm stärken, erquicken und beleben!