Ein kleines Gebet
begleitet mich seit vielen Jahren.
Ich bete es gern. Es
passt auch gut an den Anfang von Sitzungen und Beratungen. – Dieses
kleine, sehr innige Gebet wird dem heiligen Augustinus zugeschrieben. Es
ist ein Gebet zum Heiligen Geist und wohl die Frucht intensiver
Meditation.
Das Gebet ist sehr
einfach aufgebaut und hat eine klare Struktur. Es besteht im Grunde
genommen nur aus fünf Sätzen. Sämtliche Sätze sind als Bitten
formuliert. Und in jedem Satz wird der Heilige Geist angerufen. Er soll
im Beter bzw. der Beterin auf verschiedene Weise wirksam werden. Die
fünfmalige Wiederholung der Anrufung des Heiligen Geistes birgt die
Chance einer meditativen Verinnerlichung in sich.
Atme in mir,
du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges
denke!
Treibe mich,
du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges tue!
Locke mich,
du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges
liebe!
Stärke mich,
du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges hüte!
Hüte mich,
du Heiliger Geist,
dass ich das Heilige
nimmer verliere.
Worauf zielt dieses
Gebet?
Es ist ganz
offensichtlich, worum es dem Beter geht: um Heiliges. Er will
„Heiliges denken“, „Heiliges tun“, „Heiliges lieben“, „Heiliges hüten“
und „das Heilige nicht mehr verlieren“.
Nun, „heilig“ ist eine
göttliche Eigenschaft. Gott ist heilig. Aber auch was zu ihm gehört, ist
heilig. Was ihm entspricht ist heilig.
Und was entspricht
Gott? Dass er der Herr ist, er allein. Dass er von daher der einzige
ist, vor dem ich meine Knie beuge. Und dass er derjenige ist, an dem ich
mein Denken, Lieben und Handeln orientiere.
Was entspricht Gott?
Dass ich Geschöpf bin. Dass ich meine geschöpfliche Rolle akzeptiere und
nicht den kleinen Herrgott spiele. Dass ich Ehrfurcht habe vor allem
Geschaffenen, denn es ist heilig, weil es von IHM kommt und zu IHM
gehört.
Heil-sam wäre es
für unsere Welt, würden wir Menschen aus dieser Einstellung denken,
handeln, lieben. So viel Unheil ist in der Welt, weil sich Menschen
nicht verhalten, wie es Gott entspricht, weil sie sein wollen wie Gott.
Heiliges denken, tun,
lieben, hüten, heißt für mich, Gott zu geben, was Gottes ist und
mich in meine Rolle als Geschöpf einfügen. – Das ehrt Gott und heilt die
Welt, befreit es doch die Welt von den kleinen Herr-göttern, den
Gerne-Großen, die gewöhnlich nur Un-Heil anrichten.
„Heil“ ist in der
deutschen Sprache das Stammwort von „heilig“. Gott ist heilig, weil er
heilend ist. „Für uns und zu unserem Heil“ wurde er Mensch. Und
als Mensch heilte er, was verwundet ist: Kranke, Sünder,
gesellschaftliche Verhältnisse, unheilvolle Situationen heilte er, der
„Heiland“.
Heiliges denken
heißt darum auch, Heilendes denken; Heiliges tun, Heilendes tun;
Heiliges lieben, Heilendes lieben; Heiliges hüten, Heilendes hüten: weil
der heilige Gott ein heilender Gott ist. Das Wesen Gottes ist Heil, das
Wesen des Bösen Un-Heil.
Darum möchte ich
Heiliges denken.
Es gibt so viel Un-heil,
weil Menschen – durchaus ohne böse Absicht – so gedankenlos in den Tag
hineinleben. Und wenn sie zu denken anfangen, ist es zu spät.
Darum möchte ich
Heiliges lieben.
Was ich liebe, das pflege
ich; das ersehne ich, wenn es fern ist; das hüte ich, um es nicht zu
verlieren.
Darum möchte ich
Heiliges hüten.
Was in der Welt (noch)
heil ist, will gehütet, geschützt sein. Angesichts einer unheilvollen
Ausbeutung der Welt gibt es so vieles, was geschützt sein will, um heil
leben zu können: Menschen, Umwelt, Frieden, Menschenrechte …
Antriebskraft dafür ist
Gottes Heil-iger Geist.
Er soll in mir wirken, wie
er wirkte bei der Schöpfung, als „Gott sah, dass alles gut (heil) war“;
wie er wirkte bei der Menschwerdung Gottes, als Maria durch das Wirken
des Heiligen Geistes den. „Heiland“ empfing, Jesus; wie er wirkte bei
den ängstlichen Aposteln am Anfang der Kirche.
Atmen soll er in
mir. Atem belebt, bringt Lebenskraft bis in den letzten Winkel des
Körpers. Atme ich, lebe ich. Atmet Heiliger Geist in mir, lebt Heiliges
in mir.
Treiben soll er
mich. Antriebsschwach bin ich oft, selbst wenn es um das Heil geht,
um mein Heil. Oft brauche ich jemand, der mich antreibt.
Locken soll er
mich. Mich umwerben. Alle Register der „Verführung zum Guten“ soll
er ziehen, damit das Heil-ige attraktiv, anziehend für mich wird oder
bleibt.
Stärken soll er
mich. Oft weiß ich genau, was heilend ist, was ich tun müsste und
auch möchte. Aber ich bin zu bequem. Es fehlt mir der Mut. Die
Widerstände sind groß. Ich brauche Stärkung.
Hüten soll er
mich. Damit ich das Heilige, das Heile, das Heil nicht verliere.
Seit Jahren begleitet mich
dieses kleine Gebet. Und ich will es auch in die kommende Zeit mitnehmen
– wie einen Kompass, der mir die Richtung weist – wie einen Spiegel, den
ich mir vorhalte – vor allem aber als Gebet, in dem ich Gottes Heil,
seinen Segen und seinen Frieden in meine Nähe bitten möchte.
(wertvolle Anregungen
verdanke ich einer Meditation von Heribert Arens)
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