Exerzitien mit P. Pius

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Atme in mir

Pfingsten 2023

 

 

Ein kleines Gebet begleitet mich seit vielen Jahren.

Ich bete es gern.  Es passt auch gut an den Anfang von Sitzungen und Beratungen. – Dieses kleine, sehr innige Gebet wird dem heiligen Augustinus zugeschrieben. Es ist ein Gebet zum Heiligen Geist und wohl die Frucht intensiver Meditation.

 

Das Gebet ist sehr einfach aufgebaut und hat eine klare Struktur. Es besteht im Grunde genommen nur aus fünf Sätzen. Sämtliche Sätze sind als Bitten formuliert. Und in jedem Satz wird der Heilige Geist angerufen. Er soll im Beter bzw. der Beterin auf verschiedene Weise wirksam werden. Die fünfmalige Wiederholung der Anrufung des Heiligen Geistes birgt die Chance einer meditativen Verinnerlichung in sich.

 

Atme in mir,

du Heiliger Geist,

dass ich Heiliges denke!

 

Treibe mich,

du Heiliger Geist,

dass ich Heiliges tue!

 

Locke mich,

du Heiliger Geist,

dass ich Heiliges liebe!

 

Stärke mich,

du Heiliger Geist,

dass ich Heiliges hüte!

 

Hüte mich,

du Heiliger Geist,

dass ich das Heilige nimmer verliere.

 

Worauf zielt dieses Gebet?

Es ist ganz offensichtlich, worum es dem Beter geht: um Heiliges. Er will „Heiliges denken“, „Heiliges tun“, „Heiliges lieben“, „Heiliges hüten“ und „das Heilige nicht mehr verlieren“.

Nun, „heilig“ ist eine göttliche Eigenschaft. Gott ist heilig. Aber auch was zu ihm gehört, ist heilig. Was ihm entspricht ist heilig.

 

Und was entspricht Gott? Dass er der Herr ist, er allein. Dass er von daher der einzige ist, vor dem ich meine Knie beuge. Und dass er derjenige ist, an dem ich mein Denken, Lieben und Handeln orientiere.

 

Was entspricht Gott? Dass ich Geschöpf bin. Dass ich meine geschöpfliche Rolle akzeptiere und nicht den kleinen Herrgott spiele. Dass ich Ehrfurcht habe vor allem Geschaffenen, denn es ist heilig, weil es von IHM kommt und zu IHM gehört.

 

Heil-sam wäre es für unsere Welt, würden wir Menschen aus dieser Einstellung denken, handeln, lieben. So viel Unheil ist in der Welt, weil sich Menschen nicht verhalten, wie es Gott entspricht, weil sie sein wollen wie Gott.

 

Heiliges denken, tun, lieben, hüten, heißt für mich, Gott zu geben, was Gottes ist und mich in meine Rolle als Geschöpf einfügen. – Das ehrt Gott und heilt die Welt, befreit es doch die Welt von den kleinen Herr-göttern, den Gerne-Großen, die gewöhnlich nur Un-Heil anrichten.

 

„Heil“ ist in der deutschen Sprache das Stammwort von „heilig“. Gott ist heilig, weil er heilend ist. „Für uns und zu unserem Heil“ wurde er Mensch. Und als Mensch heilte er, was verwundet ist: Kranke, Sünder, gesellschaftliche Verhältnisse, unheilvolle Situationen heilte er, der „Heiland“.

 

Heiliges denken heißt darum auch, Heilendes denken; Heiliges tun, Heilendes tun; Heiliges lieben, Heilendes lieben; Heiliges hüten, Heilendes hüten: weil der heilige Gott ein heilender Gott ist. Das Wesen Gottes ist Heil, das Wesen des Bösen Un-Heil.

 

Darum möchte ich Heiliges denken.

Es gibt so viel Un-heil, weil Menschen – durchaus ohne böse Absicht – so gedankenlos in den Tag hineinleben. Und wenn sie zu denken anfangen, ist es zu spät.

 

Darum möchte ich Heiliges lieben.

Was ich liebe, das pflege ich; das ersehne ich, wenn es fern ist; das hüte ich, um es nicht zu verlieren.

 

Darum möchte ich Heiliges hüten.

Was in der Welt (noch) heil ist, will gehütet, geschützt sein. Angesichts einer unheilvollen Ausbeutung der Welt gibt es so vieles, was geschützt sein will, um heil leben zu können: Menschen, Umwelt, Frieden, Menschenrechte …

 

Antriebskraft dafür ist Gottes Heil-iger Geist.

Er soll in mir wirken, wie er wirkte bei der Schöpfung, als „Gott sah, dass alles gut (heil) war“; wie er wirkte bei der Menschwerdung Gottes, als Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes den.  „Heiland“ empfing, Jesus; wie er wirkte bei den ängstlichen Aposteln am Anfang der Kirche.

 

Atmen soll er in mir. Atem belebt, bringt Lebenskraft bis in den letzten Winkel des Körpers. Atme ich, lebe ich. Atmet Heiliger Geist in mir, lebt Heiliges in mir.

 

Treiben soll er mich. Antriebsschwach bin ich oft, selbst wenn es um das Heil geht, um mein Heil. Oft brauche ich jemand, der mich antreibt.

 

Locken soll er mich. Mich umwerben. Alle Register der „Verführung zum Guten“ soll er ziehen, damit das Heil-ige attraktiv, anziehend für mich wird oder bleibt.

 

Stärken soll er mich. Oft weiß ich genau, was heilend ist, was ich tun müsste und auch möchte. Aber ich bin zu bequem. Es fehlt mir der Mut. Die Widerstände sind groß. Ich brauche Stärkung.

 

Hüten soll er mich. Damit ich das Heilige, das Heile, das Heil nicht verliere.

 

Seit Jahren begleitet mich dieses kleine Gebet. Und ich will es auch in die kommende Zeit mitnehmen – wie einen Kompass, der mir die Richtung weist – wie einen Spiegel, den ich mir vorhalte – vor allem aber als Gebet, in dem ich Gottes Heil, seinen Segen und seinen Frieden in meine Nähe bitten möchte.

 

(wertvolle Anregungen verdanke ich einer Meditation von Heribert Arens)

 

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