In seiner
umfangreichen Biografie mit dem Titel „Junge Jahre“ erinnert sich der
amerikanisch-französische Schriftsteller Julien Green an eine seiner
ersten religiösen Regungen im Kindesalter.
Jeden
Abend, wenn er zu Bett gegangen war, kam seine Mutter hinzu, um mit ihm
das Nachtgebet zu sprechen.
„Wir
knieten nieder, ich in meinem Bett, sie auf dem Fußboden, und zwar so
nahe an mir, dass unsere Gesichter sich berührten.
Ich legte ihr dann den Arm um den Hals und sprach ihr alle Worte des
‚Vater unser‘ nach… Sie betete fünf oder sechs Worte vor und hielt dann
inne, um mit der Fortsetzung zu warten, bis ich genau nachgesprochen
hatte. – Es machte mir, den Kopf an ihre Schulter gelehnt, großes
Vergnügen, diese Worte zu wiederholen, deren Sinn mir dunkel war, deren
Süße jedoch in die geheimsten Seelentiefen drang.“
– Wenn er so seiner Mutter die Arme um den Hals gelegt und mit ihr
gebetet hatte, war ihm, als könne nichts in der Welt ihn in Ängste
stürzen oder ihm Übles antun.
(in
„Christ in der Gegenwart“ 32, 09.08.1987)
Der
Philosoph Immanuel Kant schreibt von seiner Mutter:
„Meine
Mutter war eine liebreiche, gefühlvolle, fromme, rechtschaffene Frau und
eine zärtliche Mutter. – Sie führte mich oft außerhalb der Stadt, machte
mich auf die Werke Gottes (in der Natur) aufmerksam, ließ sich mit einem
Entzücken über seine Macht, Weisheit und Güte aus und drückte in mein
Herz eine tiefe Ehrfurcht gegen den Schöpfer aller Dinge. – Ich werde
meine Mutter nie vergessen und ihr immer dankbar sein, denn sie pflanzte
den ersten Keim des Guten in mir… Ihre Lehren haben einen immerwährenden
und heilsamen Einfluss auf mein Leben gehabt.“
Ein Gefängnispfarrer
wurde gefragt, welche Gefangenen ihm die größten Sorgen und
Schwierigkeiten bereiten. Seine Antwort:
„Es
sind solche, denen zum Wort ‚Mutter‘ nichts Gutes einfällt.“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Mitten im
Maimonat feiern wir heute den Muttertag.
Da denken
wir an unsere Mutter, egal ob sie noch lebt oder bereits im Frieden
Gottes ruht.
In
einem Volkslied heißt es: „Wenn du noch eine
Mutter hast, so danke Gott dafür.“
Ja, es
ist recht und es ist gut, Gott zu danken für die Mutter, die uns in
ihrem Schoß getragen und uns das Leben geschenkt hat.
Wir alle
haben wohl unserer Mutter unendlich viel zu danken.
Liebe
Mitchristen!
Der
Muttertag kann uns, zumal im Monat Mai, Anlass sein, an unsere
himmlische Mutter zu denken.
Gott
wollte von einer menschlichen Mutter geboren werden.
Er wollte
Mensch werden und Mensch sein wie alle anderen Menschen.
Er wollte
aufwachsen in einer Familie, unterwiesen und umsorgt von einer Mutter.
Und was
für eine Mutter muss Maria wohl gewesen sein, da sie ja von Gott selbst
von Anfang an erwählt war?
Liebe
Schwestern und Brüder!
Stellen
wir uns einmal vor, wir hätten durch eine besondere Gunst die
Möglichkeit gehabt, uns unsere Mutter selbst auszusuchen.
Hätten
wir nicht die gütigste, die liebevollste und liebenswerteste, die
weiseste und opferbereiteste – mit einem Wort – die beste, die man sich
denken kann, ausgewählt?
Gott
konnte sich die Mutter seines Sohnes nicht nur aussuchen, er konnte sie
sich erschaffen!
Ergibt
sich nicht schon allein daraus, dass Gott der Mutter seines Sohnes alle
Gnaden und Vorzüge schenkte, die er ihr geben konnte?
Ergibt
sich nicht schon von daher, dass Maria, von Anfang an von Gott erwählt,
von aller Schuld bewahrt und von allem Bösen verschont blieb?
Ergibt
sich nicht allein von daher, dass sie ganz rein, ganz makellos und
heilig sein sollte?
Wundert
es uns, dass Maria – mehr als alle anderen – Gnade gefunden hat vor
Gott?
Mit Recht
grüßt sie der Engel: „Du bist voll der Gnade!“
Und
Elisabeth sagt zu ihr: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen
und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“, nämlich Jesus.
Und
sie nennt Maria „die Mutter meines Herrn“. – „Wie kommt es, dass die Mutter meines Herrn zu mir
kommt?“
Zu
Johannes unter dem Kreuz sagt Jesus: „Siehe,
deine Mutter!“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Johannes
steht für uns alle. Mit ihm, dem Lieblingsjünger, hat Jesus am Kreuz die
Kirche und uns alle der Mutterliebe Mariens und ihrer mütterlichen Sorge
anvertraut.
Wir
wollen uns immer wieder neu unter ihren mütterlichen Schutz stellen und
sie, unsere himmlische Mutter, froh und dankbar grüßen und verehren.
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