B eim Aufräumen bin ich auf einen alten
Rundbrief der Reihe „Echo der Liebe“ von P. Werenfried von
Straaten gestoßen. P. Werenfried, auch unter dem Namen Speckpater
bekannt, schreibt darin folgendes über Maria:
„Maria ist die Mutter des Sohnes Gottes.
Sie ist die geliebte Tochter des Vaters. Sie ist die Braut des Hl.
Geistes. Aufgrund ihres Mitwirkens an Jesu Erlösungswerk ist sie
unerreichbar hoch und erhaben über Engel und Menschen gestellt. Sie ist
allen Lobes würdig, weil sie voll der Gnade ist und ihre makellose
Heiligkeit sich ein Leben lang in der Vollbringung des göttlichen
Willens bewährt hat. Im göttlichen Heilsplan nimmt sie einen
außergewöhnlichen Platz ein. Einzigartig ist ihre Stellung in der
Kirche, deren würdigstes Mitglied und erlesenstes Vorbild sie ist.“
Soweit dieses Zitat von P. Werenfried von
Straaten.
Jeder Satz ist richtig, kein Wort
verkehrt.
Alles stimmt mit der Lehre der Kirche
überein.
Ich und Sie gewiss auch, liebe
Wallfahrerinnen und Wallfahrer, nicht wahr, wir könnten alles
unterschreiben, keine Frage.
Und doch, liebe Schwestern und Brüder,
begegne ich immer wieder Menschen, vor allem aus der mittleren und
jüngeren Generation, denen solche Sätze, auch wenn sie noch einigermaßen
praktizierende Katholiken sind, nichts mehr sagen und die sich schwer
tun, solche Glaubenswahrheiten zu verstehen.
Das Bild Mariens, wie es vielfach
gezeichnet wurde und manchmal noch wird, ist ihnen fremd geworden.
Maria kommt ihnen so hoch erhoben vor und
damit unerreichbar, dass sie damit nichts anfangen können.
Sie finden keinen Zugang zu ihr. Der
Abstand ist zu groß.
Fast zur gleichen Zeit, da ich die Zeilen
von P. Werenfried über Maria las, bin ich auch auf einen Text der heiligen
Theresia von Lisieux gestoßen. Da heißt es:
„Wie gerne wäre ich Priester geworden, um
über die selige Jungfrau zu predigen! Ich hätte vor allem gesagt, wie
wenig wir eigentlich von ihrem Leben wissen.
Man dürfte nicht unwahrscheinliche Dinge
über sie erzählen.
Damit eine Predigt über die selige
Jungfrau Frucht trägt, müsste sie ihr wirkliches Leben aufzeigen, so wie
das Evangelium es durchblicken lässt.
Man zeigt uns die selige Jungfrau
unerreichbar. Man müsste sie nachahmbar zeigen… Man müsste sagen, dass
sie – wie wir – aus dem Glauben gelebt hat. Man müsste so von ihr
sprechen, dass die Menschen sie lieben können.
Wenn man bei einer Predigt über die
Muttergottes von Anfang bis zum Ende gezwungen wird, vor Staunen nach
Luft zu schnappen, lauter Ach und Oh, hat man bald genug. Und das führt
weder zur Liebe noch zur Nachahmung.
Wer weiß, ob nicht manche Seele zuletzt
sogar bis zu einer Entfremdung von einem derart überlegenen Geschöpf
getrieben wird?“
Das ist keine Aussage unserer Tage.
Wenige Wochen vor ihrem Tod hat die junge französische Karmelitin sich
so über Maria geäußert. – Sie hielt nicht viel davon, Maria
hochzustilisieren, sie in eine unerreichbare Ferne zu rücken. Sie wollte
eine Beziehung des Vertrauens, der Nähe, der Liebe.
Maria war für Therese von Lisieux keine
Welt enthobene, Göttin ähnliche Himmelskönigin, sondern eine Frau, die
in den Anforderungen und Herausforderungen des Lebens ihren Weg mit
Glauben und Vertrauen zu gehen suchte.
Als Mensch, der Leid und Angst und
Freuden und Schmerzen kannte wie wir, war Maria für Therese Schwester im
Glauben, Gefährtin auf einem oft nicht leichten Weg und Zuflucht und
Trost in ihrer qualvollen Todeskrankheit.
Maria: Gefährtin auf dem Weg, Schwester
im Glauben.
Das sind Bezeichnungen und Bilder von
Maria, die auch mich ansprechen und die für mich auch stimmig sind.
Denn in immer neuen Situationen wird der
Glaube Mariens herausgefordert. In immer neuen Situationen muss sie
hören und entdecken, was Gott von ihr will. Immer neu, muss sie lernen
loszulassen. Immer neu ist ihr Gottvertrauen gefragt.
Maria: Gefährtin auf dem Weg, Schwester
im Glauben.
Das heißt nicht, dass alle anderen Titel
und Ehrbezeichnungen, die im Laufe der Jahrhunderte Maria gegeben wurden
nicht wahr und richtig und gültig sind. Natürlich ist und bleibt Maria
die schuldlos Geborene, die einzigartig Erkorene, die fleckenlos Reine,
die Heiligste der Frauen, die Schönste von allen, hoch über Engel und
Menschen gestellt, wie P. Werenfried von Straaten schreibt.
Aber meine Erfahrung ist die, dass heute
Menschen, denen Maria entrückt und fremd geworden ist, wieder einen
Zugang zu ihr finden, wenn sie das Mädchen aus Israel entdecken, die
Frau aus Nazareth. Maria kommt ihnen nahe als Weggefährtin und Schwester
im Glauben.
Das macht sie uns verwandt. Da wird Maria
eine von uns.
Da steht Maria nicht mehr so hoch und
erhaben über uns, unvergleichlich, unerreichbar, sondern sie steht neben
uns.
Sie steht geschwisterlich bei uns.
In
einem gern gesungenen Lied wird Maria in einer Strophe als „Frau aus
dem Volke“ angesprochen. „Du, Frau aus dem Volke“. Und weiter heißt
es von ihr: „…kennst Arbeit und Sorge ums
tägliche Brot, die Mühsal des Lebens in Armut und Not.“
Trotz ihrer Erwählung durch Gott war
Maria Ängsten und Nöten, Sorgen und Fragen nicht enthoben. Leid und
Schmerz sind ihr nicht erspart geblieben.
Aber im gläubigen Wissen um Gottes Treue
fand sie Kraft, an seine Verheißungen zu glauben, Geduld zu haben und
auch Schweres auszuhalten und durchzutragen.
Maria: Gefährtin auf dem Weg, Schwester im Glauben.
Als solche kann uns Maria Vorbild sein
und Mut machen, in allen Enttäuschungen, Nöten und Problemen nicht zu
verzagen, sondern – wie sie – unseren Weg mit frohem Mut zu gehen,
hoffend auf Gottes Schutz und Hilfe und im Vertrauen auf sein Gnade und
seinen Beistand. Im Blick auf Maria und mit ihr an der Seite können wir
unser Leben aus der Kraft des Glaubens immer neu wagen. Amen.
kurze Stille
Im Gotteslob gibt es innerhalb der
Marienandacht einen Abschnitt, der überschrieben ist mit „Schwester
im Glauben“.
Diesen Abschnitt wollen wir nun an Stelle
der Fürbitten beten:
Nr. 783, 5
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