Vor einer Woche haben wir das Hochfest
der Aufnahme Mariens in den Himmel gefeiert. Heute, am Oktavtag dieses
großen Marienfestes, gedenkt die Kirche Maria als der Königin des
Himmels.
Der Gedenktag ist noch relativ jung. Er
wurde erst 1954 zum Abschluss des Marianischen Jahres eingeführt. Da hat
Papst Pius XII. das Gnadenbild der römischen Kirche Santa Maria Maggiore
gekrönt. – „Du hast den Menschen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“,
heißt es schon im Psalm 8. Maria ist das vollkommene Bild des erlösten
Menschen. Sie hat von Gott die Krone des Lebens empfangen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Weder demokratisch gewählte
Staatspräsidenten noch durch Militärputsch an die Macht gekommene
Diktatoren noch zu bloßen Repräsentanten degradierte Monarchen – können
das Wesen des Königtums Mariens erhellen. Das Geheimnis ihrer Würde, die
alle Geschöpfe überragt, liegt in Gottes Gnade. Ja, sie ist wahrhaftig
und im Vollsinn des Wortes „Königin von Gottes Gnaden“. Der Herr
selbst hat Maria auf den Thron gehoben – nicht demokratische Mehrheiten,
nicht blaublütige Abstammung oder familienpolitische Schachzüge, und
schon gar nicht weltliche und militärische Macht. Maria ist Königin,
weil Gott sie – aus freiem Entschluss – von Ewigkeit erwählt und zu
seiner Mutter bestimmt hat.
Liebe Schwestern und Brüder,
Maria ist somit keine Königin wie wir sie
aus dem Fernsehen, von verschiedenen Illustrierten und Boulevardblättern
kennen oder auch von Staatsbesuchen. Maria als Königin unterscheidet
sich auch von den diversen Schönheits- und Weinköniginnen, die jährlich
gekürt und gekrönt werden.
Maria zeigt das „Königliche“ auf eine
ganz andere Art als die Königinnen in der Geschichte und Gegenwart.
Als Königin ist Maria die „Magd des
Herrn“ und unsere „Schwester im Glauben“. Als Königin im
Himmel ist Maria das Heil der Kranken, die Zuflucht der Sünder und die
Trösterin der Betrübten.
Das Repräsentieren und Glänzen liegt ihr
fern. Maria ist vielmehr bei denen, die leiden, die schwer zu tragen
haben und nicht mehr ein und aus wissen. Sie kennt die Not der Menschen.
Sie weiß wo‘s fehlt. Und sie ist Helferin und Beschützerin. Wie bei der
Hochzeit von Kana in der Notlage der Brautleute, so tritt sie für uns
ein bei ihrem Sohn. Sie ist unsere Mittlerin und Fürsprecherin.
Maria – aufgenommen in den Himmel und
gekrönt von ihrem Sohn – ist, so können wir mit Fug und Recht sagen,
„Königin des Dienstes und der Liebe“. Sie ist Königin, gerade
dadurch, dass sie unsere Armut und Not kennt, uns liebt und hilfreich
beisteht.
In der Konzilskonstitution ‚Lumen Gentium‘
heißt es von Maria: „In den Himmel aufgenommen, hat sie diesen
heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre
vielfältige Bitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken. In
ihrer mütterlichen Liebe trägt sie Sorge für die Brüder (und Schwestern)
ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und
Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen. Deshalb wird
die selige Jungfrau in der Kirche unter dem Titel der Fürsprecherin, der
Helferin, des Beistands und der Mittlerin angerufen."
Wenn die Kirche heute Maria als die
Königin der Engel und Menschen feiert, so ehrt sie vor allem das
großartige Werk der Gnade, das Gott an dieser Frau gewirkt hat. Vom
ersten Augenblick ihres Lebens an hat er sie vor aller Sünde bewahrt und
sie mit seiner Liebe erfüllt.
Sehen Sie: Was im Moment ihrer
unbefleckten Empfängnis, verborgen vor aller Welt, begann, das vollendet
sich in ihrer Krönung. Die Gnadenvolle erstrahlt nach Vollendung ihres
irdischen Lebenslaufes als die Frau voll Herrlichkeit, „bekleidet mit
der Sonne, den Mond zu ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf
ihrem Haupt“ (Offb 12, 1).
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn auch das heutige Fest erst in
jüngerer Zeit eingeführt wurde, so sind doch sowohl sein Ursprung als
auch die Verehrung Mariens – als in den Himmel Aufgenommene und von
ihrem Sohn Gekrönte – sehr alt. Seit der frühen Kirche und durch alle
Jahrhunderte wird Maria als Königin des Himmels angerufen und verehrt.
Und wie die Litaneien bezeugen, ist sie vielfach Königin.
Sie ist die Königin der Engel. Das
erhebt sie über die geistigen Wesen so ganz in die Nähe Gottes. Maria
ist die Königin der Patriarchen und Propheten. So steht sie von
allem Anfang an auf dem Weg des Heils. Wir loben und preisen Maria als
Königin der Apostel und Bekenner, der Märtyrer und Jungfrauen, ja
als Königin aller Heiligen. So ist sie als Urbild der Kirche die
leuchtende Mitte der gläubigen Gemeinde im Neuen Bund. Als Königin
des heiligen Rosenkranzes sammelt Maria alle Gläubigen zum Gebet und
erinnert sie an die Heilstaten Gottes. – Sie tat und tut es immer noch,
zu allen Zeiten, in Lourdes und in Fatima, in Einsiedeln und Altötting,
auf dem Hörneleberg und in Zell am Harmersbach …
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Fest Maria Königin zeigt uns auch das
Wirken Gottes an uns und in uns. Im Blick auf die Königin des Himmels
ahnen wir und geht uns auf, was Gott auch an uns wirken will, wenn wir
nur – wie Maria – unser Fiat – „Es geschehe Dein Wille mit mir!“
– aus ganzem Herzen sagen. Das Geschenk seiner heiligmachenden Gnade
wird sich, wenn wir es nur treu bewahren und vermehren, in der
Anschauung Gottes in Herrlichkeit verwandeln. Die Liebe des Herrn, die
wir auf Erden verborgen im Herzen tragen, wird im Himmel überströmen und
auch uns verklären. An der Hand der Mutter und unter dem Schutz der
Königin dürfen wir hoffnungsvoll diesem Ziel entgegengehen.
Das heutige Fest ist eine Einladung an
uns, Gottes mächtigem Wirken in unserem Leben zu vertrauen. Das Lob, das
wir Maria singen, gilt letztlich dem Herrn. Wenn wir Marienverehrung in
dieser Weise verstehen, so kann sie nie übertrieben werden oder ins
Unverhältnismäßige ausufern.
In Maria ehren wir das Wunder der Gnade,
das Königtum und die Herrschaft unseres Gottes, an dem die Jungfrau
Maria als seine und unsere Mutter in besonderer Weise teilhaben darf.
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