Liebe Wallfahrer und Wallfahrerinnen!
Der Gedenktag des „unbefleckten Herzens Mariens“ ist noch
relativ jung. 1942 weihte Papst Pius XII. – in Folge der
Botschaften von Fatima – die ganze katholische Kirche und die gesamte
Menschheit dem unbefleckten Herzen Mariens. 1944 führte er dann
den Tag für die Gesamtkirche als Fest ein, welches bis zur
Liturgiereform am 22. August, dem Oktavtag von Maria Himmelfahrt,
gefeiert wurde.
Bei der Kalenderreform
nach dem II. Vatikanischen Konzil wurde aus dem Fest ein Gedenktag.
Seinen Platz erhielt er am 3. Samstag nach Pfingsten. Dieser Samstag ist
gleichzeitig auch der Samstag nach dem Herz-Jesu-Fest. Das passt m. E.
sehr gut. Denn die Wurzeln der Herz-Mariä-Verehrung liegen im
Herz-Jesu-Fest. Daraus hat es sich entwickelt und damit ist es in eng
verbunden.
Allerdings, liebe Schwestern und Brüder, die große Bedeutung, die das Fest früher einmal hatte,
die hat es heute bei weitem nicht mehr. – Ich erinnere mich, dass
es in meiner Kindheit und frühen Jugendzeit neben dem monatlichen „Herz-Jesu-Freitag“ auch einen monatlichen
„Herz-Mariä-Samstag“
gab.
Ich erinnere mich
auch, dass es im alten Gesangbuch der Erzdiözese Freiburg, dem
„Magnifikat“, Lieder und Gebete zum „Herzen Mariens“ gab, die gern
gebetet und mit Inbrunst gesungen wurden. Im neuen „Gotteslob“ findet
sich nichts mehr davon.
So ist das. Auch Frömmigkeitsformen haben ihre Zeit. Sie
kommen und gehen.
Suchen wir
in dieser Wallfahrtsmesse dennoch zu verstehen, was es bedeuten kann,
sich in der Verehrung Mariens besonders ihrem Herzen zuzuwenden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Worin besteht der Unterschied zwischen einem Roboter und
einem Menschen? Ich meine, unter anderem darin, dass der Mensch „ein
Herz“ hat.
„Ein Herz haben“,
wenn wir das sagen, dann meinen wir damit nicht nur das biologische
Herz, die Pumpe, die für den Bluttransport durch den Körper zuständig
ist.
„Ein Herz haben“,
damit ist gemeint, dass der Mensch in der Begegnung mit anderen
Menschen, und auch mit Dingen, nicht gleichgültig und unpersönlich
reagiert – nicht wie eine Maschine. Der andere „lässt einem nicht
kalt“.
So kann man ein Herz haben für Kinder, für
Kranke, für alte Menschen, aber auch für Tiere oder Blumen und vieles
mehr. Wer in diesem Sinne „ein Herz hat“, der verhält sich
z. B. freundlich, mitfühlend, anteilnehmend, solidarisch,
rücksichtsvoll, hilfsbereit. Bei jemandem, der „ein Herz hat“,
kommen Gefühle ins Spiel, Emotionen: Freude, Trauer, Angst und vieles
mehr.
„Ein Mensch mit Herz“,
das bedeutet: ein Mensch mit echtem Interesse; ein Mensch, der sich
begeistern kann; einer, der seine Liebe und Freude zeigt; der deshalb
aber auch verwundbar ist; dem etwas zu Herzen gehen und
wehtun kann und der fähig ist zum „Mit-leiden“.
Liebe Wallfahrer und Walfahrerinnen!
Ich bin überzeugt, dass Maria in diesem Sinne in
ihrem irdischen Leben ohne Zweifel „ein Mensch mit Herz“
war.
Ihr Verhältnis zu Gott ist nicht dürre Pflichterfüllung,
kein Abhaken von Geboten, auch kein nur verstandesmäßiges Fürwahrhalten
bestimmter Glaubenssätze. Nein, Maria ist auch im Glauben mit dem Herzen
dabei.
So jubelt sie z. B. ihre Freude an Gott im
Magnifikat
hinaus. Sie hat Angst um den Zwölfjährigen, als sie ihn mit Josef drei
Tage lang sucht. Bei der Hochzeit zu Kana nimmt sie an der
Festfreude teil, sorgt sich aber auch um den Fortgang des Festes, nimmt
Not und Mangel wahr und kümmert sich.
Ich stell mir auch vor, dass Maria im Umgang mit ihren
Mitmenschen „warmherzig“ war, dass sie ihnen ihr Interesse
und ihre Liebe gezeigt hat. dass sie sich mit ihnen gefreut und mit
ihnen gelitten hat. – Nicht von ungefähr kennt die Volksfrömmigkeit die
„Sieben Freuden Mariens“ und auch die „Sieben Schmerzen“.
Hier in der Wallfahrtskirche haben wir zwei Seitenaltäre. Der eine mit
der Inschrift „Maria in der Freud“ und der andere „Maria im
Leid“. Maria hat in ihrem Leben Höhen und Tiefen erlebt – wie
wir. Sie hat Sorgen, Leid und Not erfahren – wie wir. Ebenso Glück und
Freude und Dank.
Liebe Schwestern und Brüder!
Als katholische Christen glauben wir, dass Maria mit Leib
und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Und das heißt, dass sie als
ganzer Mensch in Gott eingegangen ist. – Ihre Freude bei Gott besteht
aber nicht allein in einer „reinen Gottesschau“ – wie es bloße
Verstandestheologie meint und ausdrückt – vielmehr erfreut sich Maria an
Gott „von ganzem Herzen“. Die endgültige Gemeinschaft mit
Gott durchdringt und erfüllt ihr ganzes menschliches Wesen. Und lässt
sie – bildlich gesprochen – auch im Himmel noch voll Freude das
Magnifikat singen.
Noch etwas, liebe Wallfahrer und Wallfahrerinnen!
Maria ist uns auch mit ganzem Herzen in der Vollendung
bei Gott verbunden. Die Kirche, die Gläubigen und das Schicksal der
Menschen sind ihr nicht gleichgültig. Und auch daran, an ihrem Interesse
an uns, ist ihr Herz beteiligt. Wir liegen ihr am Herzen.
Es ist jedoch nicht das Interesse einer „objektiven
Kamera“, nicht das Interesse eines distanzierten Reporters. Maria
interessiert sich vielmehr für uns, sorgt sich um uns, nimmt teil an
unseren Freuden und Leiden mit dem Herzen einer Mutter, mit gütigem
Herzen. „Ihr Herz schlägt für uns“. Sie freut sich mit uns
und ist manchmal vielleicht auch traurig über uns. Jedenfalls möchte sie
uns ihre Liebe zeigen. Sie will rettend, helfend und schützend für uns
da sein. Sie lässt sich unser Leben „zu Herzen gehen“.
Maria – ein „Mensch mit Herz“
sowohl in ihrem Verhältnis zu Gott als auch in ihrer Beziehung zu uns
Menschen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Von Maria können wir lernen, dass in unserem Glauben an
Gott unser Herz immer dazugehört, dass das Herz – wie bei Maria – dabei
sein und mitschwingen soll: In Freud und Leid, in unserem persönlichen
Beten und in der Feier des Gottesdienstes.
Unser Herz soll – wie das Herz Mariens – auch beteiligt sein, wenn
wir anderen Menschen begegnen. Es soll nicht abgestumpft, hart und
verschlossen sein, sondern offen, zugänglich, einfühlend und mitfühlend.
Unsere Mitmenschen sollen spüren, dass wir uns für sie interessieren,
dass wir uns von Herzen mit ihnen freuen, Anteil nehmen, herzlich danken – und manchmal auch mit ihnen und vielleicht auch an
ihnen leiden.
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