Liebe
Wallfahrerinnen und Wallfahrer, Brüder und Schwestern!
Das
Marienlied (Gl 528), das wir soeben gesungen haben, ist neu im
Gotteslob. Es passt, meine ich, wunderbar zum heutigen Fest der
Verkündigung des Herrn.
Eine alte
Melodie aus der Reformationszeit, vielleicht sogar von Martin Luther –
bekannt vom Lied „Ich steh an deiner Krippe hier“ – verbindet
sich geglückt und schön mit einem neuen Text aus unserer Zeit.
Vor 6
Jahren, 2010, hat Peter Gerloff, geboren 1957, die Strophen gedichtet.
In der ersten Strophe
ist – wie in einer Bildmeditation – die Szene aus dem heutigen
Festtagsevangelium dargestellt, die Szene der Verkündigung.
Wir sehen
wie der Engel Gabriel mit der Botschaft von Gott zu Maria kommt. Maria
ist offen, ansprechbar.
Sie lässt
Gott bei sich ein und sie lässt sich auf Gott ein.
Aus dem
Festtagsevangelium (Lk 1, 26 - 28) wissen wir zwar auch, dass Maria über
die Anrede des Engels erschrickt, dass sie überlegt und nachdenkt, was
der Gruß zu bedeuten hat und dass sie auch fragt, nachfragt, wie das
geschehen soll, was der Engel ihr ankündet.
Aber Maria willigt ein. Sie sagt Ja. Biblisch:
„Mir geschehe nach deinem Wort!“
Gott wird
Mensch im Schoß der Jungfrau Maria.
„Und das Wort ist Fleisch geworden“
heißt es im Johannesevangelium.
„Gott selber kommt den Menschen nah“,
heißt es im Lied. Und: „Das Wort wird unser
Bruder.“
Wir
feiern das heutige Fest genau neun Monate vor Weihnachten.
Die zweite Strophe
weitet den Blick und zieht uns, die Betrachter, gleichsam in das Bild
hinein:
„Das
helle Licht der Ewigkeit trifft unsre Dunkelheiten.“
Gegensätze werden genannt und miteinander in Verbindung gebracht: Licht
und Dunkel, Augenblick und Ewigkeit, Leben und Tod.
Die
Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ist in die schöne Formulierung
gebracht: „Gott teilt mit uns ein Menschenlos.“
Christus
wurde in allem uns gleich, außer der Sünde. Er ist einer von uns
geworden.
Er hat
unser Leben geteilt. Er hat Freude und Leid erfahren wie wir.
Der
Ausdruck „Angelpunkt der Zeiten“ (in der 2. Strophe) ist wohl
eine Anspielung, ein Hinweis auf die christliche Zeitrechnung.
Die
Menschwerdung Gottes in Jesus Christus aus Maria der Jungfrau ist zur
Zeitenwende schlechthin geworden.
Wir
teilen die Jahrhunderte und Jahrtausende ein in „vor Christi Geburt“
und „nach Christi Geburt“.
„Ein
Augenblick der Ewigkeit wird Angelpunkt der Zeiten.“
Die dritte Strophe
fokussiert und beleuchtet noch einmal Maria.
Nun wird
sie direkt mit ihrem Namen angesprochen.
„Maria, du hast Ja gesagt zu Gottes Ruf und Gnade.“
Auf
dieses Ja hin hat Maria den Sohn Gottes empfangen.
Als sie
ihr Ja-Wort sprach und sich Gott ganz und vorbehaltlos zur Verfügung
stellte, da lag für sie die Zukunft im Dunkel.
Ihr Leben
war kein Honigschlecken. Das war kein Leben im Schaukelstuhl. Es war ein
geprüftes Leben.
Und so
heißt es dann auch im Lied: „Den ganzen Weg hast du gewagt.“
Es war
ein Wagnis, ein Abenteuer.
Aber
Maria hat sich eingelassen und sie hat Gott ganz vertraut.
Und so
ist sie Jesus, ihrem Sohn, eine treue Gefährtin geworden. Sie ist bei
ihm geblieben und hat ihn in allem Auf und Ab begleitet.
Und auch
noch unterm Kreuz stand sie zu ihm und stand bei ihm.
Am Schluss
richten wir dann im Lied an Maria die Bitte:
„Begleite unsre Pfade“,
d.h. geh mit uns, lass uns nicht allein, behüte und beschütze uns, sei
uns Schwester im Glauben und Gefährtin auf all unseren Wegen!
Die
Absicht, das Ziel: „Dass ihn, den du empfangen
hast, auch unser Herz mit Freude fasst und Raum gibt seiner Liebe.“
Liebe
Wallfahrer und Wallfahrerinnen, liebe Mitchristen!
Hier wird
das Bild, das wir singend betrachten, fast zu einem Spiegel. Wir selbst
kommen in den Blick.
-
Können wir uns in Maria erkennen?
-
Können wir uns in ihr wiederfinden?
-
Können wir ihr Ja-Wort mitsprechen und
nachsprechen?
Ja noch
mehr: Auch unser Herz kann zum Bethlehem, zum Haus Gottes,
werden. Auch wir können und dürfen ihm Wohnung und Bleibe geben. Welche
Freude! Welches Glück!
„Wär Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du wärst
noch ewiglich verloren“,
sagt Angelus Silesius.
Und in
einem Weihnachtslied singen wir:
„Treuer Immanuel, werd auch in mir nun geboren, komm doch mein Heiland,
denn ohne dich bin ich verloren. Wohne in mir, mache mich eins nun mit
dir, der mich zum Leben erkoren.“
„Werd auch in mir nun geboren…“
und: „Wohne in mir…!“
Sehen
Sie, liebe Schwestern und Brüder,
was Maria
war, das können und dürfen auch wir sein:
Wohnort
Gottes, Wohnstatt seiner Liebe, Tempel des Hl. Geistes.
„Du näher mir als ich mir selbst“,
betet Edith Stein, „innerer als mein Innerstes… Heiliger
Geist, ewige Liebe.“ (siehe Gl. 8,6)
Das Lied
endet mit dem schönen Gedanken und wertvollen Hinweis, „seiner Liebe
Raum zu geben“.
„Raum geben seiner Liebe“,
das bedeutet, sich – wie Maria – dem Ruf Gottes öffnen, sein Licht und
seine Gnade aufnehmen und annehmen, sich von Gottes Geist durchströmen
und erfüllen lassen. Und dann weitergeben, was wir selbst empfangen
haben.
„Raum geben seiner Liebe“,
d.h. auch: Christus begegnen im Bruder, in der Schwester; das Gute
sehen, nicht nur das Böse; selber Liebe üben, Geduld haben, barmherzig
sein und immer wieder verzeihen.
„Maria…,begleite unsre Pfade, dass ihn, den du empfangen hast, auch
unser Herz mit Freude fasst und Raum gibt seiner Liebe.“ |