An das Loblied des Greisen Simeon schließt sich
eine Weissagung an.
Maria und Josef hören Simeon prophetisch reden, Worte, die ihnen
rätselhaft, ja unheimlich vorkommen mussten.
Was
bedeuten diese Worte? Was kommt an Schwerem und Leidvollem auf sie zu?
Welches Schicksal erwartet dieses ihr Kind?
Ihr
Sohn soll ein Zeichen der Entscheidung sein. An diesem
Jesus werden sich die Geister scheiden. Er wird Widerspruch ernten. Er
wird die Gedanken der Menschen offenkundig machen, wer wirklich für Gott ist und
wer nicht. Wohlwollende oder distanzierte Neutralität ist nicht vorgesehen.
Der
Gehorsam vor Gott ist der Maßstab, den dieses Kind aufrichten wird, den
einen zum Fall, zum Sturz, den anderen zur Auferstehung, zum Leben.
Entschieden und konsequent wird Jesus seinen Weg
gehen. Er wird die Botschaft Gottes in Wort und Tat umsetzen. Er
wird nicht immer Gehör finden und ankommen. Er wird auch auf
Verschlossenheit, Misstrauen und Ablehnung stoßen. Er wird in Konflikte
geraten und Konflikte nicht scheuen. Er wird mit einem ungeheuren
Anspruch auftreten: dass nämlich mit ihm und in ihm die Herrschaft Gottes
endgültig bei den Menschen ankommt.
Für viele
ein Ärgernis. Sie werden Anstoß an ihm nehmen, ihn ablehnen. Merken Sie, liebe
Schwestern und Brüder, wie das Kreuz seinen Schatten in
die Szene wirft!
Wie
kein anderer Mensch wird die Mutter Jesu mit hineingezogen in
den Widerspruch, der von ihrem Sohn ausgelöst wird. All das wird Schmerz
mit sich bringen. Wie ein Schwert wird er das Herz der Mutter
durchbohren. Was mit Christus sterben und mit ihm leben meint, hat sie am
tiefsten erfahren. Maria ist den Leidensweg ihre Sohnes mitgegangen vom Morgen
der Verkündigung bis zum Abend unter das Kreuz. „Angst
und Jammer, Qual und Bangen, alles Leid hielt sie umfangen, das nur je ein Herz
durch drang.“
Marias Leben und das Leben ihres Kindes war nicht auf Rosen gebettet:
Herbergssuche, verschlossene Türen und Herzen, ein Stall als Unterkunft, ein
Futtertrog als Wiege; Herodes, der in dem Kind eine politische Gefahr wittert;
Hals über Kopf müssen sie auf die Straße, über die Grenze, in ein fremdes Land.
- Welche Dramatik, welche Tragik haftet diesem Leben
an?
Die
ganze Tragweite der dunklen Weissagung Simeons über die Zukunft des Kindes,
von der Maria mitbetroffen ist, können die Eltern in dieser Stunde noch nicht
begreifen. Sie ahnen aber wohl, dass ihr Weg und der Weg ihres Kindes
kein Spaziergang sein würde.
Doch
Gottes Kraft geht alle Wege mit.
„Und Simeon segnete sie“.
Segen:
Das hebräische Wort barach bedeutet ursprünglich, jemanden mit Heil schaffender,
wohltuender Kraft begaben.
Segnen
heißt:
anderen bedingungslos und uneingeschränkt alles Gute wünschen.
Segnen heißt: die göttliche Fürsorge und Gottes Schutz auf den Menschen
herabrufen.
Segnen heißt: voll Dankbarkeit an jemanden denken und über ihn sprechen.
Segnen heißt:
dem anderen Glück und Frieden, Licht und Heil wünschen, wobei man selber nie der
Geber ist, sondern nur der frohe Zeuge der Fülle des Lebens.
Gesegnet sein, heißt: ich empfange, was ich nicht erarbeitet habe.
Gesegnet sein, heißt: beschenkt sein,
geliebt sein, begabt, begnadet sein. Nur der Beschenkte kann ein Schenkender
sein, nur der Gesegnete ein Segnender.
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist unmöglich, gleichzeitig zu segnen und zu
hassen, gleichzeitig Gutes zu sagen und zu verurteilen.
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Segnet die, die euch verfluchen!“
Versuchen wir immer zu segnen. Segnen ist ganz
wichtig. Wir alle können es tun, nicht nur der Priester. Wir können es gar nicht
oft genug tun.
Schon beim Aufwachen segnen! Den kommenden Tag
segnen! Die Menschen, denen ich begegne, segnen, auf der Straße, im Bus, am
Arbeitsplatz, auf dem Amt, im Krankenhaus, die Kinder auf dem Spielplatz, den
Straßenfeger und Schornsteinfeger, den Bäcker und die Verkäuferin...
Wenn du einen Menschen weinen siehst, segne ihn. Wenn du einen
triffst, der am Ende ist, segne ihn! Wenn du einen kennst, der
verzweifelt ist, schick Gottes Segen zu ihm!
So
werden wir zu Boten der Liebe und zu Werkzeugen des Friedens. Vergiss auch
nicht, den einmaligen, herrlichen Menschen zu segnen, der du selber bist!
Als Gesegneter kannst du für andere zum Segen
werden.