Thomas von Aquin hat einmal gesagt:
„Heiligkeit besteht nicht darin, viel zu
wissen.
Das ganze Geheimnis der Heiligkeit ist:
viel zu lieben.“
Wenn das stimmt, dann ist Vinzens von
Paul ein ganz großer im Reiche Gottes. Allerdings war ihm die Heiligkeit
nicht in die Wiege gelegt.
Vinzens, geboren 1581 in einem Dorf in
Südwestfrankreich, stammte aus armen, bäuerlichen Verhältnissen.
Um der Armut zu entkommen, schlug er die
klerikale Laufbahn ein. Es konnte nicht schnell genug gehen. Im Jahr
1600, noch keine 20 Jahre alt, wurde er zum Priester geweiht.
Doch in dem jungen Priester vollzog sich
ein tiefer Wandel, eine Art Bekehrung. Man kann sagen: Eine Berufung in
der Berufung!
Maßgeblich daran beteiligt war kein
Geringerer als der spätere Kardinal Pierre de Berulle, der ihm
geistlicher Begleiter und Beichtvater wurde.
1613 wurde Vinzens in Paris
Hausgeistlicher und Erzieher beim Königlichen Galeerengeneral de Gondi.
Er entdeckte das Gesicht Gottes in den Armen und gelobt 1617 den
lebenslangen Dienst für Arme, Obdachlose und Kranke.
Vinzens stellte auch die Verlassenheit
und religiöse Unwissenheit der Landbevölkerung fest sowie die
mangelhafte Bildung vieler Geistlicher. So entstand aus kleinen Anfängen
die Kongregation der Lazaristen. Ihre Hauptaufgabe sah Vinzens in der
Abhaltung von Volksmissionen und in der Heranbildung eines guten Klerus.
In den folgenden 40 Jahren entwickelte
Vinzens einen immensen Schaffensdrang und ein enormes
Organisationstalent.
In Zusammenarbeit mit Louise von Marillac
gründete Vinzens die „Töchter der Liebe“, die barmherzigen
Schwestern, die auch Vinzentinerinnen genannt werden.
Es entsteht ein groß angelegtes Hilfswerk
für Kranke, Einsame, Alte, Gefangene, Geisteskranke. Es kommt zur
Gründung von Lazaretten, Kinderheimen, Volksküchen, Bildungsangeboten
und vieles mehr.
Zehntausende Findelkinder retteten
Vinzens und seine immer zahlreicher werdenden Helfer und Helferinnen vor
dem Tod. Hunderttausend Arme und Hungrige wurden in Suppenküchen
gespeist und getröstet. Zahlreiche Geistliche fanden dank seiner
Seminare zu einem neuen und vertieften Berufsbild.
1653 begann Vinzens den Loskauf
christlicher Gefangener aus dem islamischen Nordafrika zu organisieren.
Und bald sandte er seine Missionare nach Irland und Schottland, wo die
Katholiken schwer verfolgt wurden, auch nach Polen, wo die Pest grausam
wütete und sogar nach Madagaskar.
Immer tat Vinzens „nur“ das Notwendige:
das, was die Situation ihm als den Willen Gottes zeigte.
Er hat keine Bücher geschrieben und keine
Wunder gewirkt, aber er war demütig und treu, groß in seiner
Einfachheit. Und vor allem groß in seiner Liebe.
Die Liebe war die bestimmende und
treibende Kraft im Leben des heiligen Vinzens. Mit „Antennen der Liebe“
fing er jeden Notschrei auf.
Wie sagte noch einmal Thomas von Aquin?
„Heiligkeit besteht nicht darin viel zu
wissen.
Das ganze Geheimnis der Heiligkeit ist:
viel zu lieben.“
Vinzens von Paul hat ernst gemacht mit
der Liebe.
Vinzens hat ernst gemacht mit dem Wort Jesu:
„Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir
getan.“
Danach werden wir einmal gefragt, liebe
Schwestern und Brüder: nach der Liebe. Was endgültig zählt, was allein
Gewicht hat, wenn wir einmal vor Gott stehen, ist die Liebe, nichts als
Liebe.
Das Wesen der Heiligkeit besteht in der
Liebe.
Gefragt, liebe Schwestern
und Brüder, ist die Liebe, die dem Menschen als Menschen begegnet,
mitfühlend, hilfreich, rettend, erbarmend und Heil bringend.
Es ist die barmherzige
Liebe, die Jesus selbst an den Armen, Kranken und Ausgestoßenen geübt
hat.
„Ich war hungrig, ich war durstig, ich war krank, obdachlos und fremd...
und ihr habt es mir getan.“
Ob ihr es gewusst habt oder nicht, ihr seid mir begegnet. Mir habt ihr
geholfen!
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Brücke vom heiligen Vinzens zu uns, in die
Gegenwart, die muss nicht mühsam geschlagen werden. Sie drängt sich auf.
Noch nicht einmal die Probleme haben sich
geändert, eher noch verschärft. Denn sie haben weltweite Dimension
angenommen: Massenarmut, Millionenhunger, vielfaches Elend, Vertreibung,
Unterdrückung, Gewalt, himmelschreiendes Unrecht.
Und wir sind mit hinein verwickelt.
Hunger und Armut sind ja nicht nur Schicksal, sonder gemacht durch
Ungerechtigkeit, durch Egoismus, Ausbeutung, durch fehlende Solidarität
sowie durch unterlassene Hilfe.
Außerdem: Wie viel Ratlosigkeit und
Angst, wie viel Einsamkeit und seelische Not auch hinter
Wohlstandsfassaden?
Die Hungernden sind nicht nur die, die
ihre Hand nach einem Stück Brot ausstrecken, sondern auch jene, die
hungern nach Liebe und Angenommensein.
Nackt sind nicht nur jene, die nichts zum
Anziehen haben, sondern auch jene, die aller menschlichen Würde
entkleidet sind und diejenigen, die frieren in den Betonwüsten unserer
Städte.
Einsam und obdachlos sind nicht nur jene,
die kein Dach über ihrem Kopf haben, sondern auch all diejenigen, die
kein Dach über der Seele haben und denen die Obhut menschlicher
Zuneigung, Wärme und Anerkennung fehlt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Bedeutung der Heiligen ist
überzeitlich. Auch das Beispiel und das Leben des heiligen Vinzens hat nichts
an Aktualität eingebüßt. Nicht nur reden über Solidarität, sondern Tun
der Solidarität! Hinwendung zum Bruder, zur Schwester.
Teilen, Zeithaben, Zuhören, konkrete,
praktische Liebe üben. Wie der barmherzige Samariter, wie Vinzens von
Paul und Louise von Marillac.
Liebe Mitchristen!
Die Welt braucht Menschen wie den heiligen Vinzens.
Menschen, die den Mut haben, sich auf die
Zumutungen des Evangeliums einzulassen. Die Welt braucht Menschen, die
sich dem Wagnis der Liebe aussetzen.
Ganz richtig:
„Heiligkeit besteht nicht darin, viel zu
wissen.
Das ganze Geheimnis der Heiligkeit ist:
viel zu lieben.“
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