Der
Gedenktag der heiligen Veronika Giuliani wird in den deutschsprachigen
Landen kaum liturgisch begangen.
Darum ist diese Heilige bei uns
ziemlich unbekannt. Und doch verdient es diese italienische Ordensfrau
und Mystikerin geistlich betrachtet zu werden. Im Kapuzinerorden wird
ihr Gedächtnis sogar als Fest gefeiert.
Veronika
hieß mit dem Taufnamen Ursula und erblickte am 27. Dezember 1660 in
Mercatello nahe der Adriastadt Rimini das Licht der Welt.
Schon als Kind
zeigte sie eine starke Neigung zum geistlichen Leben. So war es nur ein
weiterer Schritt auf diesem Weg, als Veronika mit 16 Jahren bei den
Kapuzinerinnen in Citta di Castello im Norden der Stadt Perugia um
Aufnahme bat.
Zuvor
hatte sie einige Heiratsanträge ausgeschlagen. Auch den Widerstand ihres
Vaters musste sie überwinden, der sich einem Ordenseintritt heftig
widersetzte.
Im Kloster
übernahm sie im Jahr 1694 das Amt der Novizenmeisterin. In diesen Jahren
reifte ihre innere Berufung, am Leiden Christi teilzunehmen. Ähnlich
ihrem Ordensvater, dem heiligen Franziskus, war sie leidenschaftlich
bestrebt, die Passion Jesu zu meditieren, sich liebend und mitfühlend
immer tiefer in das Leiden und Sterben des Herrn zu versenken.
Bereits
als sechsjährigem Kind war ihr von ihrer sterbenden Mutter die besondere
Verehrung der Seitenwunde Jesu empfohlen worden.
Als junge Ordensfrau
erblickte sie in einer Vision einen Kelch, den Kelch des Leidens
Christi.
Eines
Tages zeigte sich Christus ihr in einer weiteren Vision am ganzen Körper
mit Wunden bedeckt.
Der Gekreuzigte
nahm Veronika nun immer mehr in sein Leiden hinein. An Weihnachten 1696
empfing sie die Seitenwunde Christi, einige Monate später, am Karfreitag
1697, traten auch die Wunden der Durchbohrung an Händen und Füßen auf.
Veronika
suchte unter allen Umständen diese Zeichen ihres Mitleidens mit Christus
vor ihrer Umwelt zu verbergen. Aber ihre Stigmata ließen sich nicht
geheim halten. Zu den körperlichen Leiden, die ihr die Wundmale
bereiteten, kamen nun große seelische Schmerzen.
Wie so oft
im Leben heiliger Menschen wurde auch ihre besondere Begnadung als
unecht und als Teufelsspuk verdächtigt. Zudem straften sie die
Mitschwestern, vom Bischof dazu angehalten, mit Verachtung. Hierin tat
sich besonders die Äbtissin des Klosters hervor, die ihr mit
Radikalkuren beizukommen suchte.
Fünf Jahre
ließ man sie bei Wasser und Brot fasten. Und die durch die Dornenkrone
verursachten Dauerschmerzen suchte man – nach damaliger ärztlicher
Praxis – mit glühenden Eisen zu behandeln. Als Novizenmeisterin wurde
sie abgesetzt. Und man entzog ihr das aktive und passive Wahlrecht in
der Gemeinschaft.
Die Mitschwestern
hatten die Anweisung, sie als Betrügerin zu behandeln und den Umgang mit
ihr zu meiden. Sogar die Teilnehme am Chorgebet und an der
Eucharistiefeier untersagte man ihr an den Werktagen. An den Sonntagen
erlaubte man ihr, die heilige Messe lediglich an der Kirchentür stehend
mitzufeiern. – Bei all diesen Schikanen und Ausgrenzungen handelte es
sich,
so würden wir heute sagen, um eine Art Mobbing, Mobbing im Kloster. –
Doch Veronika ertrug alle Demütigungen und Leiden in Geduld und mit
Gleichmut.
Endlich kam die Rehabilitation.
Es war im Jahr 1716.
Der
zuständige Ortsbischof meldete nach intensiven Beobachtungen und vielen
Untersuchungen an das Heilige Offizium in Rom – die heutige Kongregation
für Glaubenslehre –, dass sich im Leben und Wirken dieser Ordensfrau
nichts anderes finde als unverbrüchliche Glaubenstreue, Gehorsam in
allen Dingen, Demut und eine gleichbleibende seelische Heiterkeit trotz
schwerster Prüfungen.
Darauf
kam die Wende. Der Papst nahm sofort alle Verbote zurück. Ihre Stigmata
wurden als echt anerkannt. Und kurze Zeit später wurde sie von ihren
Mitschwestern einstimmig zur Äbtissin gewählt. Man war bestrebt,
wiedergutzumachen, was man Ihr über viele Jahre an Unrecht angetan
hatte.
Elf Jahre danach,
am 9. Juli 1727 starb Veronika nach einem Leben voller Qualen und
Erniedrigungen. Im Jahr 1839 wurde sie heiliggesprochen.
Ihr Beichtvater
aus dem Jesuitenorden bezeichnete Veronika einmal als „lebendigen
Kalvarienberg“. Er hatte ihr auch aufgetragen, Tagebuch zu führen. Ihre
Tagebücher sind in zehn Bänden (etwa 22.000 handschriftliche Seiten!)
veröffentlicht und gelten als beachtenswertes mystisches Schrifttum.
Außerdem zeugen 443 Briefe von ihrer Kraft und ihrem schmerzvollen
Nachempfinden des Leidens Christi.
Veronika
beschreibt, was sie am eigenen Leib erlebt und mit dem Herzen geschaut
hat, die Geheimnisse des leidenden und gekreuzigten Christus, der sie
berief, an seinen Leiden Anteil zu haben, was bei ihr bis zur
Gleichgestaltung mit seinen Wundmalen ging. – Christi Ruf hat im Leben
der heiligen Veronika Giuliani eine opferbereite, sichtbare Antwort gefunden.
Was will
Gott von mir? Zu welcher Art von Zeugenschaft und Nachfolge sind wir
berufen?
Ein Wort der heiligen Veronika lautet:
„Gott gib, dass nichts in
meinem Herzen sei als dein heiligster Wille.“
Der
heilige Franziskus betet im Sonnengesang ähnlich:
„Selig, die sich finden in deinem heiligsten Willen!“
Die
Oration am Festtag der heiligen Veronika lautet:
Auf
wunderbare Weise hast du, unergründlicher Gott, die heilige Jungfrau
Veronika mit den Wundmalen deines Sohnes gezeichnet. Sie ist ihm
gleichförmig geworden durch ihre Liebe zum Kreuz. – Hilf uns durch ihr
Beispiel und ihre Fürsprache, mit Christus den Weg des Kreuzes zu gehen,
um so zur Freude der Auferstehung zu gelangen. – Darum bitten wir durch
Jesus Christus.
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