Exerzitien mit P. Pius

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Mutter Teresa

Erinnern Sie sich noch an Lady Di? Millionen von Menschen haben vor 13 Jahren die so tragisch verunglückte Prinzessin betrauert.

Wenige Tage später, am 5. September 1997 verstarb - eher still und leise - in hohem Alter Mutter Teresa, „Engel von Kalkutta“ genannt.

 

Und während in London Millionen Blumen aufhäuften und Kerzen entzündeten, um sich von der „Königin der Herzen“ zu verabschieden, zogen in Kalkutta unübersehbare Mengen von Armen und Reichen, Alten und Jungen am aufgebahrten Leichnam der toten Ordensfrau vorbei, die mit einem Staatsbegräbnis beigesetzt wurde.

 

So verschieden beide Frauen auch waren: die junge, attraktive Prinzessin mit den freundlichen Augen und die hochbetagte, gebückte Ordensfrau mit dem von tiefen Falten zerfurchten Gesicht voller Güte und Wärme: beide waren - jede in ihrer Art - bemerkenswerte Frauen. Von beiden ging eine Faszination aus, beide waren Persönlichkeiten von großer Ausstrahlung. Beide waren auch in tiefer Sympathie einander verbunden. - Dem Sarg von Lady Di wurde ein Rosenkranz beigegeben, den ihr Mutter Teresa bei einer Begegnung geschenkt hatte.

Am Donnerstag, 26. August, wäre Mutter Teresa 100 Jahre alt geworden.

Johannes Paul II., der ein großer Verehrer von Mutter Teresa war, hat sie im Oktober 2003 selig gesprochen.

 

Kaum jemand hat Armenhilfe so praktisch, so furchtlos und mit so viel persönlichem Einsatz geleistet wie Mutter Teresa.

Sie kümmerte sich um Obdachlose, verteilte den Hungernden Brot, trug aus Mülltonnen und von Türschwellen ausgesetzte Säuglinge heim, sammelte Schwerkranke und begleitete Sterbende zu einem würdigen Tod. Ihre besondere Liebe galt den Leprakranker. Noch in hohem Alter holte sie Würmer aus stinkenden Wunden, pflegte Elendsgestalten, denen schon das halbe Gesicht weggefault war und fand nichts dabei, einen Bettler von Exkrementen zu reinigen.

 

Ein amerikanischer Journalist, der ihr erschrocken einmal dabei zusah, sagte: „Nicht für eine Million Dollar würde ich das tun!“ Mutter Teresa erwiderte lächelnd: „Ich auch nicht!“ Sie tat es für Gott.

Ihr Leben war voller Hingabe für die Ärmsten der Armen, ein Leben aus dem Geist Christi, voller Selbstaufopferung und in großer Einfachheit.

 

Häufig wurde ihr vorgehalten, sie wolle nicht die gesellschaftlichen Strukturen ändern, die zu Armut und Elend führen. Sie hatte darauf eine Antwort: Solange Kranke auf der Straße liegen und von niemandem betreut werden, solange Babys ausgesetzt werden und Waisenkinder nichts zu essen haben, ist unsere Aufgabe nicht die Strukturen zu hinterfragen oder Ursachenforschung zu betreiben, sondern die unmittelbare Hilfe, das Dach überm Kopf, die nächste Mahlzeit. Wir sind keine Sozialarbeiter. Wir sind Nonnen. Worauf es uns ankommt, ist der einzelne. Bekämpft ihr die Ursachen!

 

Mutter Teresa verfasste angesichts des schreienden Elends keine politischen Manifeste, sondern packte an. Wichtiger als das Reden ist das Handeln.

Mutter Teresa handelte mit praktischem Verstand. Als Papst Paul VI. ihr 1964 bei einem Indienbesuch sein Luxusauto schenkte, machte sie eine Versteigerung, die den vielfachen Wert einbrachte. Das Galadiner zu ihren Ehren nach der Verleihung des Friedensnobelpreises (1979) lehnte sie ab und ließ sich den Wert auszahlen.

Mutter Teresa half, wo sie nur konnte, unabhängig von Herkunft und Religion. Ob einer Moslem, Hindu oder Christ war, spielte keine Rolle. Sie betreute Aids-Kranke, als ihre Krankheit noch ein Stigma war. Mutter Teresa nahm sie auf, ebenso Prostituierte, von den Familien verstoßene Mädchen, ausgesetzte Babys, geistig und körperlich Behinderte. Sie gab ihnen nicht nur ein Dach über dem Kopf und nahrhaftes Essen. Sie gab den Menschen in Dreck und Elend Obhut, ein Dach für die Seele. Sie gab ihnen ihre Würde wieder und zeigte ihnen, wovon sie zutiefst überzeugt war: Gott hat jeden einzelnen Menschen unendlich lieb.

Ihren Einsatz verstand sie als Ausdruck der Menschenfreundlichkeit Gottes. Ihr Leben war Gottesverkündigung.

„Wir sind Missionare, um Gottes Liebe in die Welt zu bringen.“

 

Allerdings, Mutter Teresa ließ nie einen Zweifel daran, dass die Liebe ein hartes Geschäft ist. „Wir müssen geben, bis es weh tut. Wahre Liebe muss weh tun“, sagte sie einmal. Denn auch Gott hat es weh getan, die Menschen zu lieben. Er gab seinen Sohn in den Tod.

 

Mutter Teresa war eine „Missionarin der Liebe“, der Nächstenliebe, der Werke der Barmherzigkeit. Aber sie war auch eine große Beterin. Um 4.30 Uhr Morgen für Morgen: gemeinsames Gebet, Meditation, Eucharistiefeier. Jeden Abend eine Stunde Anbetung vor dem Tabernakel. „Die Messe ist die geistige Nahrung, ohne die ich keine Stunde meines Lebens durchstehen könnte“, bekennt Mutter Teresa. Die Eucharistie ist die Quelle ihrer Freude und Kraft.

Aber auch ihr Tagewerk ist für sie Gottesdienst - nur in anderer Form: „In der heiligen Kommunion haben wir Christus in Gestalt von Brot“, erläutert sie. „Im Armen finden und begegnen wir ihm wieder. Es ist derselbe Christus. ´Ich war hungrig, ich war nackt, ich war krank, ich war obdachlos. Ihr habt es mir getan`.“

 „Es ist derselbe Christus“, dieser Satz ist der Schlüssel zu ihrem Leben.

Ihre leidenschaftliche Liebe zu den Armen, Kranken, Schwachen, war die Antwort auf eine Liebe, auf SEINE Liebe.

 

“Love as I loved you.” „Liebe, wie ich dich geliebt habe“, steht am Fuß der Kreuze in den Kapellen ihrer Obdachlosenhäuser.

 

Nicht für sich selbst, sondern im Namen der Hungrigen, Nackten und Heimatlosen, der Krüppel, Blinden und Aussätzigen nahm sie 1979 den Friedensnobelpreis an. „Unsere Armen brauchen nicht unser Mitleid und unsere Sympathie, sie brauchen unsere verstehende Liebe“, rief sie damals ihrem Publikum zu. 1978  beim Katholikentag in Freiburg hat sie ihre Zuhörer gefragt: „Kennt ihr die Armen eurer Stadt?“ „Die schlimmste Krankheit im Westen“, sagte sie, „ist heute nicht Tuberkulose oder Lepra, sondern unerwünscht zu sein, nicht geliebt zu werden und niemanden zu haben, der sich um einen kümmert.“ Ein anderes Wort von ihr: „Liebe und Fürsorge sind die beste Medizin.“

 

Auf die Frage, ob sie glücklich sei, antwortete sie in einem Interview:

„Ich habe keinen Grund, unglücklich zu sein. Wenn man alles durch Maria für Jesus tut, alles ihm zu lieb, dann kann gar nichts schief gehen.“

 

Wer ihr Geheimnis wissen wollte, dem gab Mutter Teresa eines ihrer kleinen gelben Kärtchen. Darauf stand:

 

„Die Frucht der Stille ist das Gebet.

Die Frucht des Gebetes ist der Glaube.

Die Frucht des Glaubens ist die Liebe.

Die Frucht der Liebe ist das Dienen.

Die Frucht des Dienens ist der Friede.“

 

6 Schritte, die ihr Leben ausmachten: „Stille, Gebet, Glaube, Liebe, Dienen und Friede.“

Da war nichts Kompliziertes weder in ihrem Leben noch in ihrer Spiritualität, nichts Hochgestochenes. Sie war keine fromme Phantastin: „Geht zu Jesus, immer wieder. Er ist da: in der Eucharistie, in seinem Wort, im Not leidenden Bruder. Christus ist gegenwärtig, 24 Stunden am Tag.“

 

Das Leben von Mutter Teresa, dieser kleinen Frau mit dem großen Herzen, kann uns ein Vorbild sein, dass wir aus dem Glauben leben, dass wir im Mitmenschen, gerade im Notleidenden Christus erkennen und unser Herz der Not des anderen nicht verschließen.

„Lass nie zu, dass du jemandem begegnest, der nach der Begegnung mit dir nicht glücklicher ist.“

 

2007 erschien unter dem Titel: „Komm, sei du mein Licht“ ein Buch mit Briefen von Mutter Teresa an ihre geistlichen Ratgeber und Beichtväter. Wer darin die mystischen Abschnitte einer tiefen Vereinigung mit Gott überliest, ist schockiert und befremdet.

Da stehen Sätze wie „In mir ist kein Gott“ oder „Wenn ich jemals eine Heilige werde, dann gewiss eine Heilige der Dunkelheit. Ich werde nie den Himmel sehen“ Mutter Teresa kannte auch – und zwar über Jahrzehnte – geistliche Trostlosigkeit, Zeiten der Gottferne, innere Zerrissenheit, tiefe seelische Erschütterungen.

Viele Heilige haben unter Glaubensschwierigkeiten und Gotteszweifel gelitten. Ganz berühmt für die „Nacht der Seele“ ist Johannes vom Kreuz. Aber auch Therese von Lisieux kannte Wüstenzeiten, Dunkelheiten und wurde am Schluss ihres Lebens massiv von Glaubenszweifeln geplagt. Sie fühlte sich wie in einem Tunnel, in dem absolut nichts mehr zu sehen ist.

 

Auch große Heilige sind Menschen aus Fleisch und Blut. Sie gerieten in Krisen, waren Versuchungen ausgesetzt. Sie mussten ringen, kämpfen, sich überwinden. Sie mussten sich in Prüfungen bewähren. Leidvolle Zeiten blieben ihnen nicht erspart. Sie kannten Angst und Einsamkeit. Sie brauchten Geduld und Ausdauer.

 

Für mich rückt Mutter Teresa dadurch noch näher: Keine strahlende Heldin hoch oben auf dem Podest, sondern eine ganz menschliche Frau. Das macht sie mir noch sympathischer. Ich sehe in diesen „Enthüllungen“ auch kein Hindernis für ihre Heiligsprechung. Für mich sind gerade diese mystischen Erfahrungen der Verlassenheit ein Beleg dafür, dass sie eine wahre Heilige ist und eine Zeitgenossin des modernen Menschen.

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